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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Frau Gottsched.

Poesie und Beredtsamkeit," des "Neuen Büchersaales der schönen Wissenschaften
und freyen Künste" und des "Neuesten aus der anmuthigen Gelehrsamkeit," ent¬
halten zahlreiche Beiträge von seiner Gattin. So besprach sie z. B. in der
erstgenannten Zeitschrift Johanna Maria Maxens Vorschläge zur Verbesserung
des Schulwesens, ferner die Fabeln von Stoppe und von Hagedorn, Glafeys
Übertragung der Fabeln von La Motte, Neukirchs Telemach, Trillers Prinzen-
raub, Bodmers Übersetzung eines Stückes aus dem Telemach und andre neuere
Erscheinungen.

Als Gottsched seine "Deutsche Sprachkunst" herausgab, war seine Gattin
seine unermüdliche Mitarbeiterin. Er selbst sagt: "Sobald ich ein Verzeichnis
von Wörtern, die von diesem oder jenem Geschlechte, von dieser oder jener
Abwandlung oder sonst in eine Klasse gehörig waren, nöthig, aber es selbst aus-
zusinnen keine Zeit hatte, war sie die sicherste Zuflucht ihres Gatten. Ja bei
allen folgenden Ausgaben hat sie mir dieselben nicht nur fleißig ergänzet, sondern
auch die hinten angeheulten Sprichwörter und Kern-Nedensarten der Deutschen
ausgezogen und gesammlet, so daß ich darinnen keine geringe Erleichterung von
ihrer Feder erhalten habe."

Ebenso war sie Mitarbeiterin an dem "Nöthigen Vorrath zur Historie
der deutscheu dramatischen Dichtkunst," einem Buche, das dem Forscher in litte¬
rarischen Dinge" noch heute Dienste leistet und ein Jahrhundert lang geradezu
unentbehrlich gewesen ist. Gottsched selber bekennt, daß er durch den Eifer
seiner Gattin "fast den ganzen Stoff in die Hände bekam."

Auch an den Sammlunge" für Gottscheds "Kritische Historie der deutschen
Sprache, Poesie und Beredtsamkeit" beteiligte sie sich mit Auszüge" aus älteren,
seltene" Schriften u. dergl. So reichlich floß das, was sie beisteuerte, daß der Gatte
endlich Bedettkcn trug, so viel Fremdes in sein Werk einzuschalten und für seine
Arbeit auszugeben. Er machte ihr daher den Vorschlag, selbst eine Geschichte
der lyrischen Dichtkunst in Deutschland zu schreiben, und sie ging voll Freude
und Eifer auf diesen Vorschlag ein. Leider ist uns ihre Arbeit nicht erhalten
worden. Gottsched schreibt: "Es wuchs ihr Vorrat dergestalt unter ihren
Hände", daß sie etliche Jahre vor ihrem Tode eine Geschichte der lyrischen
Dich!k"" se von Otfrieds Zeiten an bis auf das Ende des vorigen Jahrhunderts
mit den Vorreden und Einleitungen ganz zum Druck fertig hatte, und ich der
Welt schon etlichemal Hoffnung machte, selbige bald ans Licht treten zu sehen.
Allein leider umsonst! Und diese schöne Hoffnung ist nun auf ewig verloren.
Warum? Der Geschmack der Verleger ist dem Gutachten der Schriftsteller
nicht allemal gemäß. Ein Buch, welches so viele Liebhaber sehnlich wünschten,
und das den Verdienste" unserer Alten ein sehr Helles Licht versprach, war
keinem Verleger reizend genug, seine Kosten daran zu wenden. Wie oft habe
ichs nicht den besten unter ihnen angepriesen und dargeboten! Allein jederzeit
umsonst. Diese Kaltsinnigkeit und Unmöglichkeit um, es in so vielen Jahren


Frau Gottsched.

Poesie und Beredtsamkeit," des „Neuen Büchersaales der schönen Wissenschaften
und freyen Künste" und des „Neuesten aus der anmuthigen Gelehrsamkeit," ent¬
halten zahlreiche Beiträge von seiner Gattin. So besprach sie z. B. in der
erstgenannten Zeitschrift Johanna Maria Maxens Vorschläge zur Verbesserung
des Schulwesens, ferner die Fabeln von Stoppe und von Hagedorn, Glafeys
Übertragung der Fabeln von La Motte, Neukirchs Telemach, Trillers Prinzen-
raub, Bodmers Übersetzung eines Stückes aus dem Telemach und andre neuere
Erscheinungen.

Als Gottsched seine „Deutsche Sprachkunst" herausgab, war seine Gattin
seine unermüdliche Mitarbeiterin. Er selbst sagt: „Sobald ich ein Verzeichnis
von Wörtern, die von diesem oder jenem Geschlechte, von dieser oder jener
Abwandlung oder sonst in eine Klasse gehörig waren, nöthig, aber es selbst aus-
zusinnen keine Zeit hatte, war sie die sicherste Zuflucht ihres Gatten. Ja bei
allen folgenden Ausgaben hat sie mir dieselben nicht nur fleißig ergänzet, sondern
auch die hinten angeheulten Sprichwörter und Kern-Nedensarten der Deutschen
ausgezogen und gesammlet, so daß ich darinnen keine geringe Erleichterung von
ihrer Feder erhalten habe."

Ebenso war sie Mitarbeiterin an dem „Nöthigen Vorrath zur Historie
der deutscheu dramatischen Dichtkunst," einem Buche, das dem Forscher in litte¬
rarischen Dinge» noch heute Dienste leistet und ein Jahrhundert lang geradezu
unentbehrlich gewesen ist. Gottsched selber bekennt, daß er durch den Eifer
seiner Gattin „fast den ganzen Stoff in die Hände bekam."

Auch an den Sammlunge» für Gottscheds „Kritische Historie der deutschen
Sprache, Poesie und Beredtsamkeit" beteiligte sie sich mit Auszüge» aus älteren,
seltene» Schriften u. dergl. So reichlich floß das, was sie beisteuerte, daß der Gatte
endlich Bedettkcn trug, so viel Fremdes in sein Werk einzuschalten und für seine
Arbeit auszugeben. Er machte ihr daher den Vorschlag, selbst eine Geschichte
der lyrischen Dichtkunst in Deutschland zu schreiben, und sie ging voll Freude
und Eifer auf diesen Vorschlag ein. Leider ist uns ihre Arbeit nicht erhalten
worden. Gottsched schreibt: „Es wuchs ihr Vorrat dergestalt unter ihren
Hände», daß sie etliche Jahre vor ihrem Tode eine Geschichte der lyrischen
Dich!k»» se von Otfrieds Zeiten an bis auf das Ende des vorigen Jahrhunderts
mit den Vorreden und Einleitungen ganz zum Druck fertig hatte, und ich der
Welt schon etlichemal Hoffnung machte, selbige bald ans Licht treten zu sehen.
Allein leider umsonst! Und diese schöne Hoffnung ist nun auf ewig verloren.
Warum? Der Geschmack der Verleger ist dem Gutachten der Schriftsteller
nicht allemal gemäß. Ein Buch, welches so viele Liebhaber sehnlich wünschten,
und das den Verdienste» unserer Alten ein sehr Helles Licht versprach, war
keinem Verleger reizend genug, seine Kosten daran zu wenden. Wie oft habe
ichs nicht den besten unter ihnen angepriesen und dargeboten! Allein jederzeit
umsonst. Diese Kaltsinnigkeit und Unmöglichkeit um, es in so vielen Jahren


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[0612] Frau Gottsched. Poesie und Beredtsamkeit," des „Neuen Büchersaales der schönen Wissenschaften und freyen Künste" und des „Neuesten aus der anmuthigen Gelehrsamkeit," ent¬ halten zahlreiche Beiträge von seiner Gattin. So besprach sie z. B. in der erstgenannten Zeitschrift Johanna Maria Maxens Vorschläge zur Verbesserung des Schulwesens, ferner die Fabeln von Stoppe und von Hagedorn, Glafeys Übertragung der Fabeln von La Motte, Neukirchs Telemach, Trillers Prinzen- raub, Bodmers Übersetzung eines Stückes aus dem Telemach und andre neuere Erscheinungen. Als Gottsched seine „Deutsche Sprachkunst" herausgab, war seine Gattin seine unermüdliche Mitarbeiterin. Er selbst sagt: „Sobald ich ein Verzeichnis von Wörtern, die von diesem oder jenem Geschlechte, von dieser oder jener Abwandlung oder sonst in eine Klasse gehörig waren, nöthig, aber es selbst aus- zusinnen keine Zeit hatte, war sie die sicherste Zuflucht ihres Gatten. Ja bei allen folgenden Ausgaben hat sie mir dieselben nicht nur fleißig ergänzet, sondern auch die hinten angeheulten Sprichwörter und Kern-Nedensarten der Deutschen ausgezogen und gesammlet, so daß ich darinnen keine geringe Erleichterung von ihrer Feder erhalten habe." Ebenso war sie Mitarbeiterin an dem „Nöthigen Vorrath zur Historie der deutscheu dramatischen Dichtkunst," einem Buche, das dem Forscher in litte¬ rarischen Dinge» noch heute Dienste leistet und ein Jahrhundert lang geradezu unentbehrlich gewesen ist. Gottsched selber bekennt, daß er durch den Eifer seiner Gattin „fast den ganzen Stoff in die Hände bekam." Auch an den Sammlunge» für Gottscheds „Kritische Historie der deutschen Sprache, Poesie und Beredtsamkeit" beteiligte sie sich mit Auszüge» aus älteren, seltene» Schriften u. dergl. So reichlich floß das, was sie beisteuerte, daß der Gatte endlich Bedettkcn trug, so viel Fremdes in sein Werk einzuschalten und für seine Arbeit auszugeben. Er machte ihr daher den Vorschlag, selbst eine Geschichte der lyrischen Dichtkunst in Deutschland zu schreiben, und sie ging voll Freude und Eifer auf diesen Vorschlag ein. Leider ist uns ihre Arbeit nicht erhalten worden. Gottsched schreibt: „Es wuchs ihr Vorrat dergestalt unter ihren Hände», daß sie etliche Jahre vor ihrem Tode eine Geschichte der lyrischen Dich!k»» se von Otfrieds Zeiten an bis auf das Ende des vorigen Jahrhunderts mit den Vorreden und Einleitungen ganz zum Druck fertig hatte, und ich der Welt schon etlichemal Hoffnung machte, selbige bald ans Licht treten zu sehen. Allein leider umsonst! Und diese schöne Hoffnung ist nun auf ewig verloren. Warum? Der Geschmack der Verleger ist dem Gutachten der Schriftsteller nicht allemal gemäß. Ein Buch, welches so viele Liebhaber sehnlich wünschten, und das den Verdienste» unserer Alten ein sehr Helles Licht versprach, war keinem Verleger reizend genug, seine Kosten daran zu wenden. Wie oft habe ichs nicht den besten unter ihnen angepriesen und dargeboten! Allein jederzeit umsonst. Diese Kaltsinnigkeit und Unmöglichkeit um, es in so vielen Jahren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/612>, abgerufen am 23.07.2024.