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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Zur landwirtschaftlichen Notlage.

anschlagen kann, steht der Pächter sehr viel ungünstiger mit seiner alten, den
Zeit- und Geldverhältnissen nicht entsprechend umgeänderten Pachtquvte. Was
das bedeutet, wolle man daraus entnehmen, daß die allgemeinen Produktions¬
kosten beim Landbau wohl überall um 30 Prozent und mehr gestiegen sind,
die Unterhaltungskosten des Gesindes um 76, ja 100 Prozent, die Arbeits¬
löhne um 25 bis 40 Prozent, wogegen die Produkteupreise um 30 bis 40
Prozent gefallen sind.

Unser landwirtschaftliches Gewerbe beweist seine Tüchtigkeit, wenn es der¬
artige traurige Verhältnisse immer noch zu überwinden versteht. Aber das
Angebot von so vielen und namentlich kleinenPachtungen wird ein Stand ge¬
schaffen, der nicht ausreichend genug mit Kraft und Mitteln ausgestattet ist,
um dem allseitigen Andrange der bösen Verhältnisse widerstehen zu können.
Der so achtungswerte, aber heut gerade tief unglückliche Stand der kleinern
Pächter würde weit besser thun, seine Dienste, wenn auch in untergeordneter
Stellung, dem Großgrundbesitzer zu widmen, und dabei sein beschränktes Ver¬
mögen bescheiden, aber doch sicher zu nützen. Es würden damit unsrer Land¬
wirtschaft sehr tüchtige Kräfte zur Beihilfe gewonnen und so manche Klage auf
ihr angemessenes Maß zurückgeführt werden.

Die richtige, für Staat und Gesellschaft einzig wertgebende Art des Land¬
baues ist nur diejenige, worin er vom tüchtig vorgebildeten Besitzer ausgeübt
wird. Deshalb sollte auch der Staat seine Domänen in auskömmlicher
Größe in freies Eigentum übergehen lassen; aber nicht in unvermitteltem
Übergange durch Verkauf auf dem Wege des Meistgebots, sondern ganz all¬
mählich auf dem Wege des bisherigen Verwaltnngsverfahrens durch langjährige,
weit über das einzelne Menschenalter hinausgehende Verpachtung, unter Zu¬
schlag einer kleinen Amortisationsquote.

Wer wie ich lange Zeit Pächter königlicher Staatsdomänen gewesen ist
und in einem funfzigjährigen Zeitraume alle die gewaltigen Wechsel durchgemacht
hat, die der landwirtschaftliche Betrieb umschließt, der hat sich Wohl ein Urteil
über sein Fach bilden können. Darnach darf ich auch wohl behaupten, daß die
preußische Domänenverwaltung wie vielleicht keine andre Verwaltung oder Ge¬
sellschaft geneigt ist, die Interessen des Landbaues wahrzunehmen,, so weit es
das Pachtsystcm zuläßt. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß das Pacht¬
system überhaupt wenig geeignet erscheint, wie die allgemeinen staatlichen Inter¬
essen so auch die des landwirtschaftlichen Gewerbes zum vollen Ausdruck zu
bringen. Es ist das nur möglich bei eiuer gewissen Ausgleichung der Vor¬
züge dieses Systems unter der strengen, mitunter wohl auch harten, aber doch
anerkannt gerechten Verwaltung mit denjenigen Vorteilen, die der befestigte,
wirklich dauernde Besitz herbeiführt. Zu diesem Zwecke mußte die Domänen-
Verwaltung damit vorgehen, ihre Güter derartig in ein festes Eigentum


Zur landwirtschaftlichen Notlage.

anschlagen kann, steht der Pächter sehr viel ungünstiger mit seiner alten, den
Zeit- und Geldverhältnissen nicht entsprechend umgeänderten Pachtquvte. Was
das bedeutet, wolle man daraus entnehmen, daß die allgemeinen Produktions¬
kosten beim Landbau wohl überall um 30 Prozent und mehr gestiegen sind,
die Unterhaltungskosten des Gesindes um 76, ja 100 Prozent, die Arbeits¬
löhne um 25 bis 40 Prozent, wogegen die Produkteupreise um 30 bis 40
Prozent gefallen sind.

Unser landwirtschaftliches Gewerbe beweist seine Tüchtigkeit, wenn es der¬
artige traurige Verhältnisse immer noch zu überwinden versteht. Aber das
Angebot von so vielen und namentlich kleinenPachtungen wird ein Stand ge¬
schaffen, der nicht ausreichend genug mit Kraft und Mitteln ausgestattet ist,
um dem allseitigen Andrange der bösen Verhältnisse widerstehen zu können.
Der so achtungswerte, aber heut gerade tief unglückliche Stand der kleinern
Pächter würde weit besser thun, seine Dienste, wenn auch in untergeordneter
Stellung, dem Großgrundbesitzer zu widmen, und dabei sein beschränktes Ver¬
mögen bescheiden, aber doch sicher zu nützen. Es würden damit unsrer Land¬
wirtschaft sehr tüchtige Kräfte zur Beihilfe gewonnen und so manche Klage auf
ihr angemessenes Maß zurückgeführt werden.

Die richtige, für Staat und Gesellschaft einzig wertgebende Art des Land¬
baues ist nur diejenige, worin er vom tüchtig vorgebildeten Besitzer ausgeübt
wird. Deshalb sollte auch der Staat seine Domänen in auskömmlicher
Größe in freies Eigentum übergehen lassen; aber nicht in unvermitteltem
Übergange durch Verkauf auf dem Wege des Meistgebots, sondern ganz all¬
mählich auf dem Wege des bisherigen Verwaltnngsverfahrens durch langjährige,
weit über das einzelne Menschenalter hinausgehende Verpachtung, unter Zu¬
schlag einer kleinen Amortisationsquote.

Wer wie ich lange Zeit Pächter königlicher Staatsdomänen gewesen ist
und in einem funfzigjährigen Zeitraume alle die gewaltigen Wechsel durchgemacht
hat, die der landwirtschaftliche Betrieb umschließt, der hat sich Wohl ein Urteil
über sein Fach bilden können. Darnach darf ich auch wohl behaupten, daß die
preußische Domänenverwaltung wie vielleicht keine andre Verwaltung oder Ge¬
sellschaft geneigt ist, die Interessen des Landbaues wahrzunehmen,, so weit es
das Pachtsystcm zuläßt. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß das Pacht¬
system überhaupt wenig geeignet erscheint, wie die allgemeinen staatlichen Inter¬
essen so auch die des landwirtschaftlichen Gewerbes zum vollen Ausdruck zu
bringen. Es ist das nur möglich bei eiuer gewissen Ausgleichung der Vor¬
züge dieses Systems unter der strengen, mitunter wohl auch harten, aber doch
anerkannt gerechten Verwaltung mit denjenigen Vorteilen, die der befestigte,
wirklich dauernde Besitz herbeiführt. Zu diesem Zwecke mußte die Domänen-
Verwaltung damit vorgehen, ihre Güter derartig in ein festes Eigentum


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[0597] Zur landwirtschaftlichen Notlage. anschlagen kann, steht der Pächter sehr viel ungünstiger mit seiner alten, den Zeit- und Geldverhältnissen nicht entsprechend umgeänderten Pachtquvte. Was das bedeutet, wolle man daraus entnehmen, daß die allgemeinen Produktions¬ kosten beim Landbau wohl überall um 30 Prozent und mehr gestiegen sind, die Unterhaltungskosten des Gesindes um 76, ja 100 Prozent, die Arbeits¬ löhne um 25 bis 40 Prozent, wogegen die Produkteupreise um 30 bis 40 Prozent gefallen sind. Unser landwirtschaftliches Gewerbe beweist seine Tüchtigkeit, wenn es der¬ artige traurige Verhältnisse immer noch zu überwinden versteht. Aber das Angebot von so vielen und namentlich kleinenPachtungen wird ein Stand ge¬ schaffen, der nicht ausreichend genug mit Kraft und Mitteln ausgestattet ist, um dem allseitigen Andrange der bösen Verhältnisse widerstehen zu können. Der so achtungswerte, aber heut gerade tief unglückliche Stand der kleinern Pächter würde weit besser thun, seine Dienste, wenn auch in untergeordneter Stellung, dem Großgrundbesitzer zu widmen, und dabei sein beschränktes Ver¬ mögen bescheiden, aber doch sicher zu nützen. Es würden damit unsrer Land¬ wirtschaft sehr tüchtige Kräfte zur Beihilfe gewonnen und so manche Klage auf ihr angemessenes Maß zurückgeführt werden. Die richtige, für Staat und Gesellschaft einzig wertgebende Art des Land¬ baues ist nur diejenige, worin er vom tüchtig vorgebildeten Besitzer ausgeübt wird. Deshalb sollte auch der Staat seine Domänen in auskömmlicher Größe in freies Eigentum übergehen lassen; aber nicht in unvermitteltem Übergange durch Verkauf auf dem Wege des Meistgebots, sondern ganz all¬ mählich auf dem Wege des bisherigen Verwaltnngsverfahrens durch langjährige, weit über das einzelne Menschenalter hinausgehende Verpachtung, unter Zu¬ schlag einer kleinen Amortisationsquote. Wer wie ich lange Zeit Pächter königlicher Staatsdomänen gewesen ist und in einem funfzigjährigen Zeitraume alle die gewaltigen Wechsel durchgemacht hat, die der landwirtschaftliche Betrieb umschließt, der hat sich Wohl ein Urteil über sein Fach bilden können. Darnach darf ich auch wohl behaupten, daß die preußische Domänenverwaltung wie vielleicht keine andre Verwaltung oder Ge¬ sellschaft geneigt ist, die Interessen des Landbaues wahrzunehmen,, so weit es das Pachtsystcm zuläßt. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß das Pacht¬ system überhaupt wenig geeignet erscheint, wie die allgemeinen staatlichen Inter¬ essen so auch die des landwirtschaftlichen Gewerbes zum vollen Ausdruck zu bringen. Es ist das nur möglich bei eiuer gewissen Ausgleichung der Vor¬ züge dieses Systems unter der strengen, mitunter wohl auch harten, aber doch anerkannt gerechten Verwaltung mit denjenigen Vorteilen, die der befestigte, wirklich dauernde Besitz herbeiführt. Zu diesem Zwecke mußte die Domänen- Verwaltung damit vorgehen, ihre Güter derartig in ein festes Eigentum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/597>, abgerufen am 22.07.2024.