Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.Kaiser Wilhelm II. und die Freisinnigen und Ultramontanen. hinweisen, wenn sie sagen, daß "der stumme Kaiser gerade an dem Tage zu Es zog zu Frankfurt an dem Main Während der Nordlandsfahrt des Kaisers machte der Prinzregent von Am 24. Juli lichtete der "Hohenzollern" wieder die Anker auf der Rhede Kaiser Wilhelm II. und die Freisinnigen und Ultramontanen. hinweisen, wenn sie sagen, daß „der stumme Kaiser gerade an dem Tage zu Es zog zu Frankfurt an dem Main Während der Nordlandsfahrt des Kaisers machte der Prinzregent von Am 24. Juli lichtete der „Hohenzollern" wieder die Anker auf der Rhede <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0592" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289715"/> <fw type="header" place="top"> Kaiser Wilhelm II. und die Freisinnigen und Ultramontanen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2001" prev="#ID_2000"> hinweisen, wenn sie sagen, daß „der stumme Kaiser gerade an dem Tage zu<lb/> Grabe getragen wurde, an welchem vor zweiundzwanzig Jahren sein Vater,<lb/> König Wilhelm, den Aufruf an das preußische Volk erlassen hat, der den<lb/> Bruch des funfzigjährigen völkerrechtlichen Bundesvertrages und den deutschen<lb/> Bruderkrieg ankündigte." Vor einem neuen Bruderkriege, wenn er nur den alten<lb/> Bundestag wieder herstellte, würden diese deutschen Römlinge gar keine Scheu<lb/> haben. Wir aber wollen uns den lustigen Vers merken, der am Tage des<lb/> Einmarsches der Preußen in Frankfurt von einem Schauspieler auf einer Ber¬<lb/> liner Bühne improvisirt wurde:</p><lb/> <quote> Es zog zu Frankfurt an dem Main<lb/> Das tapfre Heer der Preußen ein;<lb/> Was that der edle deutsche Bund?<lb/> Er drückte sich und er verschonnt.</quote><lb/> <p xml:id="ID_2002"> Während der Nordlandsfahrt des Kaisers machte der Prinzregent von<lb/> Baiern dem Könige von Württemberg einen Besuch in Friedrichshafen. Das<lb/> war für die Ultramontanen, die so sauer zur Begrüßung des Kaisers durch<lb/> sämtliche Reichsfürsten gesehen hatten, eine gefundene Sache. Die beiden<lb/> deutschen Fürsten sollten flugs eine Gegendemonstration gegen das Berliner<lb/> Ereignis machen. Als ob es nicht nahe genug gelegen hätte, daß der bairische<lb/> Fürst den durch lange Krankheit von seinem Lande entfernt gehaltenen Nachbar<lb/> seinen Gruß entbot, zumal da ein früherer Besuch des württembergischen Königs¬<lb/> paares in München von König Ludwig II. unerwiedert geblieben war. Was<lb/> somit nur das Abtragen einer alten Schuld war, das wird für die Römlinge<lb/> ein Versuch, die süddeutschen Staaten aufs neue gegen Preußen zu vereinen<lb/> und die Triasidee aufleben zu lassen. Aber so gottverlassen, auf diese Hetze<lb/> hin zu laufen, ist kein deutscher Fürst mehr. Auch das ist ein Segen, den Kaiser<lb/> Wilhelm durch Errichtung des Reiches uns hinterlassen hat. Die Fürsten<lb/> Deutschlands wissen am besten, daß ihre Stellung noch nie so gesichert war<lb/> als im neuen Reich; sie wissen auch, daß ein Sonderbund darin niemandem<lb/> mehr schaden würde als ihnen selbst. Aber man sieht doch aus solcher er¬<lb/> bärmlichen Hetzerei, was den Ultramontanen das liebste wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_2003" next="#ID_2004"> Am 24. Juli lichtete der „Hohenzollern" wieder die Anker auf der Rhede<lb/> von Kronstäbe. Kaiser Wilhelm stand auf der Kommandobrücke und winkte<lb/> der abdämpfenden „Alexandra," an deren Bord die russischen Herrschaften waren,<lb/> den Abschiedsgruß zu. Die ganze russische Flotte und sämtliche Forts gaben<lb/> Salutschüsse, und vom Ufer her erscholl tausendfaches Hoch. Von der russischen<lb/> Flotte her ertönte die preußische Nationalhymne, und während jene, so lange<lb/> Kaiser Wilhelms Armada in Sicht war, in Paradestellung lag, gaben eine<lb/> Menge Privatdampfer dem „Hohenzollern" das Geleite. Die Beweise von<lb/> Sympathie, die Kaiser Wilhelm dem russischen Kaiserpaare zu geben beabsichtigte,<lb/> indem er dem russischen Hofe zuerst den Besuch machte, waren in so herzlicher</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0592]
Kaiser Wilhelm II. und die Freisinnigen und Ultramontanen.
hinweisen, wenn sie sagen, daß „der stumme Kaiser gerade an dem Tage zu
Grabe getragen wurde, an welchem vor zweiundzwanzig Jahren sein Vater,
König Wilhelm, den Aufruf an das preußische Volk erlassen hat, der den
Bruch des funfzigjährigen völkerrechtlichen Bundesvertrages und den deutschen
Bruderkrieg ankündigte." Vor einem neuen Bruderkriege, wenn er nur den alten
Bundestag wieder herstellte, würden diese deutschen Römlinge gar keine Scheu
haben. Wir aber wollen uns den lustigen Vers merken, der am Tage des
Einmarsches der Preußen in Frankfurt von einem Schauspieler auf einer Ber¬
liner Bühne improvisirt wurde:
Es zog zu Frankfurt an dem Main
Das tapfre Heer der Preußen ein;
Was that der edle deutsche Bund?
Er drückte sich und er verschonnt.
Während der Nordlandsfahrt des Kaisers machte der Prinzregent von
Baiern dem Könige von Württemberg einen Besuch in Friedrichshafen. Das
war für die Ultramontanen, die so sauer zur Begrüßung des Kaisers durch
sämtliche Reichsfürsten gesehen hatten, eine gefundene Sache. Die beiden
deutschen Fürsten sollten flugs eine Gegendemonstration gegen das Berliner
Ereignis machen. Als ob es nicht nahe genug gelegen hätte, daß der bairische
Fürst den durch lange Krankheit von seinem Lande entfernt gehaltenen Nachbar
seinen Gruß entbot, zumal da ein früherer Besuch des württembergischen Königs¬
paares in München von König Ludwig II. unerwiedert geblieben war. Was
somit nur das Abtragen einer alten Schuld war, das wird für die Römlinge
ein Versuch, die süddeutschen Staaten aufs neue gegen Preußen zu vereinen
und die Triasidee aufleben zu lassen. Aber so gottverlassen, auf diese Hetze
hin zu laufen, ist kein deutscher Fürst mehr. Auch das ist ein Segen, den Kaiser
Wilhelm durch Errichtung des Reiches uns hinterlassen hat. Die Fürsten
Deutschlands wissen am besten, daß ihre Stellung noch nie so gesichert war
als im neuen Reich; sie wissen auch, daß ein Sonderbund darin niemandem
mehr schaden würde als ihnen selbst. Aber man sieht doch aus solcher er¬
bärmlichen Hetzerei, was den Ultramontanen das liebste wäre.
Am 24. Juli lichtete der „Hohenzollern" wieder die Anker auf der Rhede
von Kronstäbe. Kaiser Wilhelm stand auf der Kommandobrücke und winkte
der abdämpfenden „Alexandra," an deren Bord die russischen Herrschaften waren,
den Abschiedsgruß zu. Die ganze russische Flotte und sämtliche Forts gaben
Salutschüsse, und vom Ufer her erscholl tausendfaches Hoch. Von der russischen
Flotte her ertönte die preußische Nationalhymne, und während jene, so lange
Kaiser Wilhelms Armada in Sicht war, in Paradestellung lag, gaben eine
Menge Privatdampfer dem „Hohenzollern" das Geleite. Die Beweise von
Sympathie, die Kaiser Wilhelm dem russischen Kaiserpaare zu geben beabsichtigte,
indem er dem russischen Hofe zuerst den Besuch machte, waren in so herzlicher
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |