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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Zur landwirtschaftlichen Notlage.

mir damals, im Gegensatze zu einer von höherer Seite kommenden Verurteilung
dieses Systems, von dem Vormäher, einem sehr tüchtigen Manne, mit dem
ich sonst wohl manche" Strauß auszufechten hatte, der unvergeßliche Dank
zu Teil, daß ich aus ihnen, den Arbeitern, durch diese Landvcrpachtung erst
glückliche Menschen geschaffen und sie zu erträglichem Auskommen und einem
gewissen Wohlstande gebracht hätte. Es ist dies Verfahren von meinem Nach¬
folger zu seinem und der Leute Vorteil auch weiter beibehalten worden.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich davor warnen, sich von der Einführung
eines Systems von Anteilwirtschaft Erfolge zu versprechen. Dieses wird beim
Landbau in größerer Ausdehnung niemals Erfolg haben. Dafür sind die An¬
sprüche, die an Charakter, Intelligenz und Kapitalkraft des Landwirtes gestellt
werden, auch diejenigen Einwirkungen, welche Zeit- und Witterungsverhnltnisse
auf die Erträgnisse ausübe", allzu gewaltig, um von der geringen Bildung und
der Kraft des Arbeiters überwunden werden zu können. Nur in freier, unein¬
geschränkter Wirtschaft, mit freiem, auf der Scholle fest wurzelnden Arbeiter¬
stande, vermag der Landwirt den vielfachen Unbilden seines schweren Berufes
zu begegnen. Er lebt nun einmal streng genommen in einem dauernden, all¬
seitigen Kriege.

Mit der Schaffung kleiner Wirtschaften und der Möglichkeit, daß der kleine
Mann seine Ersparnisse zu seinem und der Seinigen dauernden Nutzen in
Grund und Boden anlegen kann, wie es sein höchster Wunsch ist und sich auch
schon in der Anlegung seiner Gelder auf kleine Hypotheken ausspricht, dürfte
auch die Auswanderung mehr eingeschränkt werden. Denn nicht etwa um der
Militärpflicht -- dem Blutzoll, wie eine frivole Presse sagt -- zu entgehen,
wendet der Deutsche seinem Vaterlande den Rücken. Der militärische Dienst
ist dem Landmann kein Opfer, sondern eine von ihm wohl gewürdigte gute
Schule, die ihm zu körperlicher und geistiger Ausbildung dient, ihm Achtung
und Ansehen giebt und ihm angenehme Erinnerungen für sein ganzes Leben
zurückläßt. Daß die großen Güter im Norden und Osten Deutschlands ge¬
schlossen sind, AbVerkäufe nur unter den erschwerendsten Umständen gemacht
werden können, hat die Auswanderung aus diesen aus früher" Kriegszeiten an
und für sich schon dürftig bevölkerten Provinzen zur Folge gehabt. Wenn die
preußische Domäuenverwaltung mit der Parzellirung von Domänen in diesen
Teilen der Monarchie keine Erfolge erzielte, so lag das daran, daß es den
zu schaffenden Bauernwirtschaften an dem notwendigen Arbeiterstande fehlte. Es
ist ja dem Bauer nicht zu verargen, daß er sich sträubt, die gesamte schwere
Wirtschaftsarbeit allein auf seine und seiner Familie Schultern zu nehmen. Er
kennt die großen, stets gefüllten Bierpaläste der Städte und möchte mich
einmal, wenigstens am Abend, seine Pfeife Tabak in Ruhe genieße".

Die innere Kolonisation kommt jedem zu Gute. Und wie wir ausreichende
Kraft an Leuten und Geldmittel zu ihrer Ausführung haben, so fehlt es anch


Zur landwirtschaftlichen Notlage.

mir damals, im Gegensatze zu einer von höherer Seite kommenden Verurteilung
dieses Systems, von dem Vormäher, einem sehr tüchtigen Manne, mit dem
ich sonst wohl manche» Strauß auszufechten hatte, der unvergeßliche Dank
zu Teil, daß ich aus ihnen, den Arbeitern, durch diese Landvcrpachtung erst
glückliche Menschen geschaffen und sie zu erträglichem Auskommen und einem
gewissen Wohlstande gebracht hätte. Es ist dies Verfahren von meinem Nach¬
folger zu seinem und der Leute Vorteil auch weiter beibehalten worden.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich davor warnen, sich von der Einführung
eines Systems von Anteilwirtschaft Erfolge zu versprechen. Dieses wird beim
Landbau in größerer Ausdehnung niemals Erfolg haben. Dafür sind die An¬
sprüche, die an Charakter, Intelligenz und Kapitalkraft des Landwirtes gestellt
werden, auch diejenigen Einwirkungen, welche Zeit- und Witterungsverhnltnisse
auf die Erträgnisse ausübe», allzu gewaltig, um von der geringen Bildung und
der Kraft des Arbeiters überwunden werden zu können. Nur in freier, unein¬
geschränkter Wirtschaft, mit freiem, auf der Scholle fest wurzelnden Arbeiter¬
stande, vermag der Landwirt den vielfachen Unbilden seines schweren Berufes
zu begegnen. Er lebt nun einmal streng genommen in einem dauernden, all¬
seitigen Kriege.

Mit der Schaffung kleiner Wirtschaften und der Möglichkeit, daß der kleine
Mann seine Ersparnisse zu seinem und der Seinigen dauernden Nutzen in
Grund und Boden anlegen kann, wie es sein höchster Wunsch ist und sich auch
schon in der Anlegung seiner Gelder auf kleine Hypotheken ausspricht, dürfte
auch die Auswanderung mehr eingeschränkt werden. Denn nicht etwa um der
Militärpflicht — dem Blutzoll, wie eine frivole Presse sagt — zu entgehen,
wendet der Deutsche seinem Vaterlande den Rücken. Der militärische Dienst
ist dem Landmann kein Opfer, sondern eine von ihm wohl gewürdigte gute
Schule, die ihm zu körperlicher und geistiger Ausbildung dient, ihm Achtung
und Ansehen giebt und ihm angenehme Erinnerungen für sein ganzes Leben
zurückläßt. Daß die großen Güter im Norden und Osten Deutschlands ge¬
schlossen sind, AbVerkäufe nur unter den erschwerendsten Umständen gemacht
werden können, hat die Auswanderung aus diesen aus früher» Kriegszeiten an
und für sich schon dürftig bevölkerten Provinzen zur Folge gehabt. Wenn die
preußische Domäuenverwaltung mit der Parzellirung von Domänen in diesen
Teilen der Monarchie keine Erfolge erzielte, so lag das daran, daß es den
zu schaffenden Bauernwirtschaften an dem notwendigen Arbeiterstande fehlte. Es
ist ja dem Bauer nicht zu verargen, daß er sich sträubt, die gesamte schwere
Wirtschaftsarbeit allein auf seine und seiner Familie Schultern zu nehmen. Er
kennt die großen, stets gefüllten Bierpaläste der Städte und möchte mich
einmal, wenigstens am Abend, seine Pfeife Tabak in Ruhe genieße».

Die innere Kolonisation kommt jedem zu Gute. Und wie wir ausreichende
Kraft an Leuten und Geldmittel zu ihrer Ausführung haben, so fehlt es anch


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[0552] Zur landwirtschaftlichen Notlage. mir damals, im Gegensatze zu einer von höherer Seite kommenden Verurteilung dieses Systems, von dem Vormäher, einem sehr tüchtigen Manne, mit dem ich sonst wohl manche» Strauß auszufechten hatte, der unvergeßliche Dank zu Teil, daß ich aus ihnen, den Arbeitern, durch diese Landvcrpachtung erst glückliche Menschen geschaffen und sie zu erträglichem Auskommen und einem gewissen Wohlstande gebracht hätte. Es ist dies Verfahren von meinem Nach¬ folger zu seinem und der Leute Vorteil auch weiter beibehalten worden. Bei dieser Gelegenheit möchte ich davor warnen, sich von der Einführung eines Systems von Anteilwirtschaft Erfolge zu versprechen. Dieses wird beim Landbau in größerer Ausdehnung niemals Erfolg haben. Dafür sind die An¬ sprüche, die an Charakter, Intelligenz und Kapitalkraft des Landwirtes gestellt werden, auch diejenigen Einwirkungen, welche Zeit- und Witterungsverhnltnisse auf die Erträgnisse ausübe», allzu gewaltig, um von der geringen Bildung und der Kraft des Arbeiters überwunden werden zu können. Nur in freier, unein¬ geschränkter Wirtschaft, mit freiem, auf der Scholle fest wurzelnden Arbeiter¬ stande, vermag der Landwirt den vielfachen Unbilden seines schweren Berufes zu begegnen. Er lebt nun einmal streng genommen in einem dauernden, all¬ seitigen Kriege. Mit der Schaffung kleiner Wirtschaften und der Möglichkeit, daß der kleine Mann seine Ersparnisse zu seinem und der Seinigen dauernden Nutzen in Grund und Boden anlegen kann, wie es sein höchster Wunsch ist und sich auch schon in der Anlegung seiner Gelder auf kleine Hypotheken ausspricht, dürfte auch die Auswanderung mehr eingeschränkt werden. Denn nicht etwa um der Militärpflicht — dem Blutzoll, wie eine frivole Presse sagt — zu entgehen, wendet der Deutsche seinem Vaterlande den Rücken. Der militärische Dienst ist dem Landmann kein Opfer, sondern eine von ihm wohl gewürdigte gute Schule, die ihm zu körperlicher und geistiger Ausbildung dient, ihm Achtung und Ansehen giebt und ihm angenehme Erinnerungen für sein ganzes Leben zurückläßt. Daß die großen Güter im Norden und Osten Deutschlands ge¬ schlossen sind, AbVerkäufe nur unter den erschwerendsten Umständen gemacht werden können, hat die Auswanderung aus diesen aus früher» Kriegszeiten an und für sich schon dürftig bevölkerten Provinzen zur Folge gehabt. Wenn die preußische Domäuenverwaltung mit der Parzellirung von Domänen in diesen Teilen der Monarchie keine Erfolge erzielte, so lag das daran, daß es den zu schaffenden Bauernwirtschaften an dem notwendigen Arbeiterstande fehlte. Es ist ja dem Bauer nicht zu verargen, daß er sich sträubt, die gesamte schwere Wirtschaftsarbeit allein auf seine und seiner Familie Schultern zu nehmen. Er kennt die großen, stets gefüllten Bierpaläste der Städte und möchte mich einmal, wenigstens am Abend, seine Pfeife Tabak in Ruhe genieße». Die innere Kolonisation kommt jedem zu Gute. Und wie wir ausreichende Kraft an Leuten und Geldmittel zu ihrer Ausführung haben, so fehlt es anch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/552>, abgerufen am 22.07.2024.