Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.Aus dem Leben Kaiser Wilhelms. Staates. Kein Strohfeuer eines gelegentlichen guten Willens habe man gebraucht, Erstaunlich war die Ruhe, welche der König sich inmitten der in Nikolsburg Wieder nach Berlin zurückgekehrt, rief der König eines Tages, am 25. August, Wir machen noch darauf aufmerksam, daß der erste Band des Werkes gegen Auch in Betreff dessen, was der Verfasser über seine Erlebnisse und Be¬ Aus dem Leben Kaiser Wilhelms. Staates. Kein Strohfeuer eines gelegentlichen guten Willens habe man gebraucht, Erstaunlich war die Ruhe, welche der König sich inmitten der in Nikolsburg Wieder nach Berlin zurückgekehrt, rief der König eines Tages, am 25. August, Wir machen noch darauf aufmerksam, daß der erste Band des Werkes gegen Auch in Betreff dessen, was der Verfasser über seine Erlebnisse und Be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0541" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289664"/> <fw type="header" place="top"> Aus dem Leben Kaiser Wilhelms.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1821" prev="#ID_1820"> Staates. Kein Strohfeuer eines gelegentlichen guten Willens habe man gebraucht,<lb/> sondern Pflichttreue, Ausdauer und Zucht, und alles das habe sich in diesem<lb/> Kriege bewährt u. s. w.</p><lb/> <p xml:id="ID_1822"> Erstaunlich war die Ruhe, welche der König sich inmitten der in Nikolsburg<lb/> beginnenden Friedensverhandlungen bewahrte. „Während in den verschiednen<lb/> Kreisen des Hauptquartiers alles in Unruhe durcheinander wirbelte, Projekte, Nach¬<lb/> richten und Vermutungen einander jagten und namentlich durch den Siegesjubel ans<lb/> der Hauptstadt sich schon ein gewisser Übermut zeigte, blieb er anscheinend ohne<lb/> alle Erregung, immer das Ganze im Auge behaltend, sich nicht jedem Eindrucke<lb/> hingebend, obgleich Günstiges wie Ungünstiges ihn doch am tiefsten berühren mußte."</p><lb/> <p xml:id="ID_1823"> Wieder nach Berlin zurückgekehrt, rief der König eines Tages, am 25. August,<lb/> Schneider, als er ihn verlassen hatte und in die Bibliothek gegangen war,<lb/> wieder in sein Arbeitszimmer und sagte: „Ich habe noch einen Auftrag für<lb/> Sie, den ich schon seit meiner Heimkehr mit mir herumtrage, für den ich aber<lb/> nicht die rechte Form finden konnte. Es ist mir unter all dem Jubel und der An¬<lb/> erkennung ungemein peinlich ... daß in der jetzigen Zeit gar nicht daran ge¬<lb/> dacht wird, wie mein Bruder das alles, was gegenwärtig errungen worden ist,<lb/> auch schon gewollt und erstrebt hat. Wäre die rohe Hand des Aufruhrs nicht<lb/> dazwischen gefahren, so würde mir vielleicht wenig zu thun übrig geblieben sein.<lb/> Das müssen Sie den Leuten sagen, gerade jetzt sagen, damit sie nicht ver¬<lb/> gessen, was sie meinem Bruder schuldig sind." Wir glauben es Schneider<lb/> gern, wenn er versichert: „Selten ist mir eine Arbeit so schwer geworden wie<lb/> diese." Er leistete sie indes, und sogar in zwei Leitartikeln, einem beim Onkel<lb/> Spener und einem in der Kreuzzeitung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1824"> Wir machen noch darauf aufmerksam, daß der erste Band des Werkes gegen<lb/> den Schluß hin vier interessante Schriftstücke bringt, die bisher noch nicht ver¬<lb/> öffentlicht waren: einen Brief des Kölner Erzbischofs Melchers und einen des<lb/> bekannten Ministers a. D. v. Bethmann-Hollwcg, beide kurz vor Ausbruch des<lb/> Krieges von 1866 an den König gerichtet und beide gegen diesen Krieg, der<lb/> zweite auch voll bitterer Anklagen Bismarcks, dann die Antworten des Königs<lb/> darauf. Wir haben hier nicht Raum, sie ganz mitteilen, und ein Auszug würde<lb/> ihnen ihr Kolorit nehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1825" next="#ID_1826"> Auch in Betreff dessen, was der Verfasser über seine Erlebnisse und Be¬<lb/> obachtungen im Verlaufe des Feldzuges in Frankreich mitteilt, müssen wir uns<lb/> kurz fassen und auf das Buch selbst verweisen. Doch wollen wir folgendes<lb/> herausgreifen. Nach Schneider hätte der König am Abende der Schlacht bei<lb/> Sedan zu Bismarck gesagt: „Dieses welthistorische Ereignis, fürchte ich. bringt<lb/> uns den Frieden noch nicht." Unsers Wissens nahm er bei dieser Gelegenheit<lb/> das gerade Gegenteil an, und der Bundeskanzler erlaubte sich eine andre Mei¬<lb/> nung auszusprechen. In Reims kam es zu einem Konflikte zwischen Bismarck<lb/> und den Militärs, wobei der König sich auf die Seite der letztern gestellt zu</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0541]
Aus dem Leben Kaiser Wilhelms.
Staates. Kein Strohfeuer eines gelegentlichen guten Willens habe man gebraucht,
sondern Pflichttreue, Ausdauer und Zucht, und alles das habe sich in diesem
Kriege bewährt u. s. w.
Erstaunlich war die Ruhe, welche der König sich inmitten der in Nikolsburg
beginnenden Friedensverhandlungen bewahrte. „Während in den verschiednen
Kreisen des Hauptquartiers alles in Unruhe durcheinander wirbelte, Projekte, Nach¬
richten und Vermutungen einander jagten und namentlich durch den Siegesjubel ans
der Hauptstadt sich schon ein gewisser Übermut zeigte, blieb er anscheinend ohne
alle Erregung, immer das Ganze im Auge behaltend, sich nicht jedem Eindrucke
hingebend, obgleich Günstiges wie Ungünstiges ihn doch am tiefsten berühren mußte."
Wieder nach Berlin zurückgekehrt, rief der König eines Tages, am 25. August,
Schneider, als er ihn verlassen hatte und in die Bibliothek gegangen war,
wieder in sein Arbeitszimmer und sagte: „Ich habe noch einen Auftrag für
Sie, den ich schon seit meiner Heimkehr mit mir herumtrage, für den ich aber
nicht die rechte Form finden konnte. Es ist mir unter all dem Jubel und der An¬
erkennung ungemein peinlich ... daß in der jetzigen Zeit gar nicht daran ge¬
dacht wird, wie mein Bruder das alles, was gegenwärtig errungen worden ist,
auch schon gewollt und erstrebt hat. Wäre die rohe Hand des Aufruhrs nicht
dazwischen gefahren, so würde mir vielleicht wenig zu thun übrig geblieben sein.
Das müssen Sie den Leuten sagen, gerade jetzt sagen, damit sie nicht ver¬
gessen, was sie meinem Bruder schuldig sind." Wir glauben es Schneider
gern, wenn er versichert: „Selten ist mir eine Arbeit so schwer geworden wie
diese." Er leistete sie indes, und sogar in zwei Leitartikeln, einem beim Onkel
Spener und einem in der Kreuzzeitung.
Wir machen noch darauf aufmerksam, daß der erste Band des Werkes gegen
den Schluß hin vier interessante Schriftstücke bringt, die bisher noch nicht ver¬
öffentlicht waren: einen Brief des Kölner Erzbischofs Melchers und einen des
bekannten Ministers a. D. v. Bethmann-Hollwcg, beide kurz vor Ausbruch des
Krieges von 1866 an den König gerichtet und beide gegen diesen Krieg, der
zweite auch voll bitterer Anklagen Bismarcks, dann die Antworten des Königs
darauf. Wir haben hier nicht Raum, sie ganz mitteilen, und ein Auszug würde
ihnen ihr Kolorit nehmen.
Auch in Betreff dessen, was der Verfasser über seine Erlebnisse und Be¬
obachtungen im Verlaufe des Feldzuges in Frankreich mitteilt, müssen wir uns
kurz fassen und auf das Buch selbst verweisen. Doch wollen wir folgendes
herausgreifen. Nach Schneider hätte der König am Abende der Schlacht bei
Sedan zu Bismarck gesagt: „Dieses welthistorische Ereignis, fürchte ich. bringt
uns den Frieden noch nicht." Unsers Wissens nahm er bei dieser Gelegenheit
das gerade Gegenteil an, und der Bundeskanzler erlaubte sich eine andre Mei¬
nung auszusprechen. In Reims kam es zu einem Konflikte zwischen Bismarck
und den Militärs, wobei der König sich auf die Seite der letztern gestellt zu
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