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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Die Schulvereine.

undvicrzig Millionen Deutsche nebeneinander wohnen, und wo deutsch fühlen
und deutsch sprechen nicht nur nicht für staatsgefährlich angesehen wird, sondern
sogar die einfachste und erste Pflicht jedes Staatsbügcrs ist. Erst hier wird
es also möglich werden, dem Schulvereinsgedauken eine solche Tragweite zu
geben, daß große und dauernde Ergebnisse aus ihm hervorsprießen können;
denn indem er die Zahl der Beisteuernden um das Fünffache erhöht, wovon er
freilich jetzt uoch entfernt ist, erweitert er das Gebiet der Unterstützungs¬
bedürftigen höchstens um das Doppelte. Er kann daher, sobald er die ideale
Größe erreicht hat, mit Grund hoffen, daß auch wirklich kein einziges ver¬
sprengtes Glied des großen deutschen Volkes seiner Mutter verloren gehen wird.
Welche Früchte hätten solche Bestrebungen schon jetzt getragen, wenn sie schon
seit Jahrzehnten über dem ganzen Erdkreise wirksam gewesen wären! wie mancher
so schnell verlorene Pionier bildete jetzt, mit andern um das deutsche Schul¬
haus geschart, den hoffnungsvollen Keim für künftiges Reichsland, während er
jetzt entweder schon selbst oder in seinen Kindern zum Russen, Engländer,
Ungar u. s. w. geworden ist, vielleicht sogar zum schnödesten Hasser des eignen
Vaterlandes!

Die bisherigen Erfolge des Vereins sind schon sehr achtungswerte zu
nennen, denn die Mitgliederzahl hat schon längst 20 000 überschritten, und die
Jahreseinnahme der Zentrale weist etwa 40000 Mark auf, wozu noch die
Unterstützungen der Ortsgruppen selbst mit 60000 Mark gezählt werden müssen.
Allerdings sind das kleine Zahlen im Verhältnisse zu dem großen deutschen
Volke, aber sie wachsen mit jedem Jahre in geometrischer Progression, besonders
durch das glänzende Beispiel des Königreichs Sachsen, dessen Landesverband
beinahe die Hälfte sämtlicher Mitglieder und Beiträge aufweist. Die akademische
Jugend hat dem Schnlvereine besonders Fürsorge zugewendet, und wer
könnte da zweifeln, daß dieser edeln Sache noch eine reichere Zuknifft erblühen
werde?

Unter den Ländern, welche der Schulverein mit seinem mütterlichen Schutze
bedenkt, ragt natürlich Österreich-Ungarn und in diesem Reiche wieder das Volk
der siebenbürger Sachsen und Banaler "Schwaben" hervor. In den russischen
Ostseeprovinzen ist ein unmittelbares Eingreifen leider unmöglich; dagegen sind
in Finnland und England, Bosnien, Bulgarien, Serbien, der Türkei, Rumänien,
Kleinasien, Ägypten, Kapland, Brasilien und Australien wirksame Schritte ge¬
than worden. Und wenn die genannten Schulvereine bisher nur das eine Er¬
gebnis aufzuweisen hätten, daß, durch ihr Beispiel angeregt, ähnliche Vereinigungen
in allen Teilen der Welt entstanden sind, so wäre dies schon eine rühmliche
That zu nennen. Welch hoffnungsfreudiger Blick eröffnet sich da dem Vater¬
landsfreunde!

Im Jahre 1881 entstand der Münchner "Verein zum Schutze deutscher
Interessen im Auslande," und bald darauf folgte ein zweiter mit gleichem Ziele


Die Schulvereine.

undvicrzig Millionen Deutsche nebeneinander wohnen, und wo deutsch fühlen
und deutsch sprechen nicht nur nicht für staatsgefährlich angesehen wird, sondern
sogar die einfachste und erste Pflicht jedes Staatsbügcrs ist. Erst hier wird
es also möglich werden, dem Schulvereinsgedauken eine solche Tragweite zu
geben, daß große und dauernde Ergebnisse aus ihm hervorsprießen können;
denn indem er die Zahl der Beisteuernden um das Fünffache erhöht, wovon er
freilich jetzt uoch entfernt ist, erweitert er das Gebiet der Unterstützungs¬
bedürftigen höchstens um das Doppelte. Er kann daher, sobald er die ideale
Größe erreicht hat, mit Grund hoffen, daß auch wirklich kein einziges ver¬
sprengtes Glied des großen deutschen Volkes seiner Mutter verloren gehen wird.
Welche Früchte hätten solche Bestrebungen schon jetzt getragen, wenn sie schon
seit Jahrzehnten über dem ganzen Erdkreise wirksam gewesen wären! wie mancher
so schnell verlorene Pionier bildete jetzt, mit andern um das deutsche Schul¬
haus geschart, den hoffnungsvollen Keim für künftiges Reichsland, während er
jetzt entweder schon selbst oder in seinen Kindern zum Russen, Engländer,
Ungar u. s. w. geworden ist, vielleicht sogar zum schnödesten Hasser des eignen
Vaterlandes!

Die bisherigen Erfolge des Vereins sind schon sehr achtungswerte zu
nennen, denn die Mitgliederzahl hat schon längst 20 000 überschritten, und die
Jahreseinnahme der Zentrale weist etwa 40000 Mark auf, wozu noch die
Unterstützungen der Ortsgruppen selbst mit 60000 Mark gezählt werden müssen.
Allerdings sind das kleine Zahlen im Verhältnisse zu dem großen deutschen
Volke, aber sie wachsen mit jedem Jahre in geometrischer Progression, besonders
durch das glänzende Beispiel des Königreichs Sachsen, dessen Landesverband
beinahe die Hälfte sämtlicher Mitglieder und Beiträge aufweist. Die akademische
Jugend hat dem Schnlvereine besonders Fürsorge zugewendet, und wer
könnte da zweifeln, daß dieser edeln Sache noch eine reichere Zuknifft erblühen
werde?

Unter den Ländern, welche der Schulverein mit seinem mütterlichen Schutze
bedenkt, ragt natürlich Österreich-Ungarn und in diesem Reiche wieder das Volk
der siebenbürger Sachsen und Banaler „Schwaben" hervor. In den russischen
Ostseeprovinzen ist ein unmittelbares Eingreifen leider unmöglich; dagegen sind
in Finnland und England, Bosnien, Bulgarien, Serbien, der Türkei, Rumänien,
Kleinasien, Ägypten, Kapland, Brasilien und Australien wirksame Schritte ge¬
than worden. Und wenn die genannten Schulvereine bisher nur das eine Er¬
gebnis aufzuweisen hätten, daß, durch ihr Beispiel angeregt, ähnliche Vereinigungen
in allen Teilen der Welt entstanden sind, so wäre dies schon eine rühmliche
That zu nennen. Welch hoffnungsfreudiger Blick eröffnet sich da dem Vater¬
landsfreunde!

Im Jahre 1881 entstand der Münchner „Verein zum Schutze deutscher
Interessen im Auslande," und bald darauf folgte ein zweiter mit gleichem Ziele


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/515>, abgerufen am 22.07.2024.