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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Zur politischen Lage.

der letztern in seinem Trinksprüche bei der Enthüllung des Frankfurter Stand¬
bildes Prinz Friedrich Karls nach Osten und nach Westen hin unzweideutig
und entschlossen verkündet. Seine Worte enthielten keinerlei Bedrohung des
Friedens, aber eine eindringliche Warnung für Störer des Friedens. Deutsch¬
land hat im Norden, dann im Westen Kriege führen müssen, aber nur, um sich
einen festen Frieden zu sichern. Es hat gesiegt und erobert, aber nur, um
die Grenzen zu gewinnen, die ihm bleibende Ruhe vor dem Erbfeinde im Westen
und dessen wahrscheinlichem Bundesgenossen im Norden für den Fall eines An¬
griffes von Westen her verbürgten. Auch an den Osten war damals zu denken,
als wir uns die transalbingischcn Herzogtümer angliederten, und es wird noch
heute daran gedacht, wenn wir sie "op ewig ongedeelt" behalten wollen. Nie¬
mand bei uns verlangt, so stark er sich auch fühlt, irgend welche weitere Er¬
werbung. Unsre Nachbarn sind vor uns sicher, so lange sie uns bei der so
lange ersehnten und endlich errungenen Sicherheit vor ihnen belassen wollen.

So faßt, soweit sich in diesem Augenblicke sehen läßt, auch das Ausland,
namentlich die öffentliche Meinung in Österreich und England, die denkwürdige
Kaiserrede auf, und wenn Organe derselben in Paris sie anders deuten, so können
wir nicht dafür, und ihr großsprecherischer Verdruß läßt uns kalt. In England hält
die Presse, wie es scheint, die kaiserliche Erklärung für lediglich gegen Frankreich ge¬
richtet, sonst wird sie von ihr richtig verstanden und günstig beurteilt. Ein paar
Beispiele werden genügen. Vg.i1^ Ah>of meint, die Rede Kaiser Wilhelms des
Zweiten könne nicht verfehlen, Aufsehen zu erregen, und sagt dann: "Es würde
im Interesse Frankreichs und ganz Europas tief zu beklagen sein, wenn franzö¬
sische Staatsmänner sich für diese Worte zu empfindlich zeigen sollten. Im
Grunde hat der Kaiser ihnen nichts gesagt, als was sie nicht vorher gewußt
haben müssen. Vom Schlüsse des Krieges zwischen Deutschland und Frankreich
gestaltete sich der Einfluß des erstem unzweifelhaft zu Gunsten des Weltfriedens.
Deutschland hat keinen Anlaß, eine auf Abenteuer ausgehende und angriffs¬
lustige Macht zu sein. Es giebt einige Dinge, für die es kämpfen wird, und
das allein ists, was uns der Kaiser gesagt hat. Die Enthüllung des Denk¬
mals für den kriegerischen Prinzen Friedrich Karl gab den geeigneten Anlaß
zu einer Erklärung, die nicht hervorgerufen zu sein schien und in einigen Kreisen
sogar als Herausforderung betrachtet werden dürfte. Die Welt weiß jedoch
nunmehr aus bester Quelle, wofür, wie der Kaiser glaubt, sein Volk kämpfen
wird. Wir können nicht einsehen, weshalb die Verkündigung das Ergebnis haben
sollte, die einzige europäische Großmacht, welche sie berührt, zu einem voreiligen
Unternehmen anzuspornen." Auch der NoriüvK ^ävertissr läßt sich über die
Rede nicht pessimistisch vernehmen, wenn er schreibt: "Die Äußerungen des
Kaisers werden allenthalben auf dem Festlande geprüft und sorgfältig abgewogen
werden, aber niemand überraschen. Überraschung würden nur weniger nach¬
drückliche und entschlossene Gesinnungen und Anschauungen hinsichtlich der Be-


Zur politischen Lage.

der letztern in seinem Trinksprüche bei der Enthüllung des Frankfurter Stand¬
bildes Prinz Friedrich Karls nach Osten und nach Westen hin unzweideutig
und entschlossen verkündet. Seine Worte enthielten keinerlei Bedrohung des
Friedens, aber eine eindringliche Warnung für Störer des Friedens. Deutsch¬
land hat im Norden, dann im Westen Kriege führen müssen, aber nur, um sich
einen festen Frieden zu sichern. Es hat gesiegt und erobert, aber nur, um
die Grenzen zu gewinnen, die ihm bleibende Ruhe vor dem Erbfeinde im Westen
und dessen wahrscheinlichem Bundesgenossen im Norden für den Fall eines An¬
griffes von Westen her verbürgten. Auch an den Osten war damals zu denken,
als wir uns die transalbingischcn Herzogtümer angliederten, und es wird noch
heute daran gedacht, wenn wir sie „op ewig ongedeelt" behalten wollen. Nie¬
mand bei uns verlangt, so stark er sich auch fühlt, irgend welche weitere Er¬
werbung. Unsre Nachbarn sind vor uns sicher, so lange sie uns bei der so
lange ersehnten und endlich errungenen Sicherheit vor ihnen belassen wollen.

So faßt, soweit sich in diesem Augenblicke sehen läßt, auch das Ausland,
namentlich die öffentliche Meinung in Österreich und England, die denkwürdige
Kaiserrede auf, und wenn Organe derselben in Paris sie anders deuten, so können
wir nicht dafür, und ihr großsprecherischer Verdruß läßt uns kalt. In England hält
die Presse, wie es scheint, die kaiserliche Erklärung für lediglich gegen Frankreich ge¬
richtet, sonst wird sie von ihr richtig verstanden und günstig beurteilt. Ein paar
Beispiele werden genügen. Vg.i1^ Ah>of meint, die Rede Kaiser Wilhelms des
Zweiten könne nicht verfehlen, Aufsehen zu erregen, und sagt dann: „Es würde
im Interesse Frankreichs und ganz Europas tief zu beklagen sein, wenn franzö¬
sische Staatsmänner sich für diese Worte zu empfindlich zeigen sollten. Im
Grunde hat der Kaiser ihnen nichts gesagt, als was sie nicht vorher gewußt
haben müssen. Vom Schlüsse des Krieges zwischen Deutschland und Frankreich
gestaltete sich der Einfluß des erstem unzweifelhaft zu Gunsten des Weltfriedens.
Deutschland hat keinen Anlaß, eine auf Abenteuer ausgehende und angriffs¬
lustige Macht zu sein. Es giebt einige Dinge, für die es kämpfen wird, und
das allein ists, was uns der Kaiser gesagt hat. Die Enthüllung des Denk¬
mals für den kriegerischen Prinzen Friedrich Karl gab den geeigneten Anlaß
zu einer Erklärung, die nicht hervorgerufen zu sein schien und in einigen Kreisen
sogar als Herausforderung betrachtet werden dürfte. Die Welt weiß jedoch
nunmehr aus bester Quelle, wofür, wie der Kaiser glaubt, sein Volk kämpfen
wird. Wir können nicht einsehen, weshalb die Verkündigung das Ergebnis haben
sollte, die einzige europäische Großmacht, welche sie berührt, zu einem voreiligen
Unternehmen anzuspornen." Auch der NoriüvK ^ävertissr läßt sich über die
Rede nicht pessimistisch vernehmen, wenn er schreibt: „Die Äußerungen des
Kaisers werden allenthalben auf dem Festlande geprüft und sorgfältig abgewogen
werden, aber niemand überraschen. Überraschung würden nur weniger nach¬
drückliche und entschlossene Gesinnungen und Anschauungen hinsichtlich der Be-


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[0478] Zur politischen Lage. der letztern in seinem Trinksprüche bei der Enthüllung des Frankfurter Stand¬ bildes Prinz Friedrich Karls nach Osten und nach Westen hin unzweideutig und entschlossen verkündet. Seine Worte enthielten keinerlei Bedrohung des Friedens, aber eine eindringliche Warnung für Störer des Friedens. Deutsch¬ land hat im Norden, dann im Westen Kriege führen müssen, aber nur, um sich einen festen Frieden zu sichern. Es hat gesiegt und erobert, aber nur, um die Grenzen zu gewinnen, die ihm bleibende Ruhe vor dem Erbfeinde im Westen und dessen wahrscheinlichem Bundesgenossen im Norden für den Fall eines An¬ griffes von Westen her verbürgten. Auch an den Osten war damals zu denken, als wir uns die transalbingischcn Herzogtümer angliederten, und es wird noch heute daran gedacht, wenn wir sie „op ewig ongedeelt" behalten wollen. Nie¬ mand bei uns verlangt, so stark er sich auch fühlt, irgend welche weitere Er¬ werbung. Unsre Nachbarn sind vor uns sicher, so lange sie uns bei der so lange ersehnten und endlich errungenen Sicherheit vor ihnen belassen wollen. So faßt, soweit sich in diesem Augenblicke sehen läßt, auch das Ausland, namentlich die öffentliche Meinung in Österreich und England, die denkwürdige Kaiserrede auf, und wenn Organe derselben in Paris sie anders deuten, so können wir nicht dafür, und ihr großsprecherischer Verdruß läßt uns kalt. In England hält die Presse, wie es scheint, die kaiserliche Erklärung für lediglich gegen Frankreich ge¬ richtet, sonst wird sie von ihr richtig verstanden und günstig beurteilt. Ein paar Beispiele werden genügen. Vg.i1^ Ah>of meint, die Rede Kaiser Wilhelms des Zweiten könne nicht verfehlen, Aufsehen zu erregen, und sagt dann: „Es würde im Interesse Frankreichs und ganz Europas tief zu beklagen sein, wenn franzö¬ sische Staatsmänner sich für diese Worte zu empfindlich zeigen sollten. Im Grunde hat der Kaiser ihnen nichts gesagt, als was sie nicht vorher gewußt haben müssen. Vom Schlüsse des Krieges zwischen Deutschland und Frankreich gestaltete sich der Einfluß des erstem unzweifelhaft zu Gunsten des Weltfriedens. Deutschland hat keinen Anlaß, eine auf Abenteuer ausgehende und angriffs¬ lustige Macht zu sein. Es giebt einige Dinge, für die es kämpfen wird, und das allein ists, was uns der Kaiser gesagt hat. Die Enthüllung des Denk¬ mals für den kriegerischen Prinzen Friedrich Karl gab den geeigneten Anlaß zu einer Erklärung, die nicht hervorgerufen zu sein schien und in einigen Kreisen sogar als Herausforderung betrachtet werden dürfte. Die Welt weiß jedoch nunmehr aus bester Quelle, wofür, wie der Kaiser glaubt, sein Volk kämpfen wird. Wir können nicht einsehen, weshalb die Verkündigung das Ergebnis haben sollte, die einzige europäische Großmacht, welche sie berührt, zu einem voreiligen Unternehmen anzuspornen." Auch der NoriüvK ^ävertissr läßt sich über die Rede nicht pessimistisch vernehmen, wenn er schreibt: „Die Äußerungen des Kaisers werden allenthalben auf dem Festlande geprüft und sorgfältig abgewogen werden, aber niemand überraschen. Überraschung würden nur weniger nach¬ drückliche und entschlossene Gesinnungen und Anschauungen hinsichtlich der Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/478>, abgerufen am 22.07.2024.