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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Hochlandsgeschichten.

Werden ihr Eigenschaften beigelegt, die psychologisch nicht ganz zusammenstimmen
wollen.

Der Pointnerhof in irgend einem bairischen Gebirgsdorfe ist die Stätte
des schönsten Friedens und satter Zufriedenheit für alle Insassen. Der alte
Pointner, ein guter Mensch, ist seit einigen Jahren verwitwet, aber noch nicht
so alt, um nicht seine harmlose Freude am guten Leben, am Wein, am Essen
und an der Bequemlichkeit zu haben. Er hat es auch nicht nötig, zu arbeiten,
denn sein Großknecht Götz besorgt die Wirtschaft in musterhafter Weise, und
unter dessen Augen wächst der junge Pointner, der kürzlich vom Militärdienst
als Reservist heimgekehrt ist, zum tüchtigen Hoferben hoffnungsvoll heran. Die
kleine, schwärmerische Liebe, die der Karli für ein armes hübsches Mädchen, die
sauri, im Herzen trägt und die von Götz gebilligt wird, trägt auch nur dazu
bei, den jungen Mann vor Abwegen zu bewahren. Viel empfänglicher für
schöne Weiblichkeit, freilich auch in aller Harmlosigkeit, ist der alte Pointner;
schön müssen die Mägde auf seinein Hofe sein, seitdem die gestrenge Gattin
dahingegangen ist. In diese wolkenfreie Idylle tritt mit dem zufälligen und
plötzlichen Erscheinen der schönen Kellnerin Kuni aus Rosenheim der Unfried ins
Haus. Kuni hat ihre Stelle aufgegeben, ist auf der Wanderung in die Heimat
begriffen, und indem sie im Dorfe rasten will, kommt sie am Pointnerhof vorbei.
Der alte Hofbauer sieht sie vom Fenster aus ratlos den Weg suchen und bietet
der schönen, schmuck und fesch gekleideten Fremden gastlich einen Imbiß. Kuni
nimmt das Angebot an, und es dauert nicht lange, so hat der Bauer ihre
Lage erfahren; eine sympathische Haushälterin hat er sich schon längst gewünscht,
lind leicht hat er die Landfahrerin, die seine Schwächen mit der geübten Männer¬
kenntnis der Kellnerinnen durchschaut hat, dazu bestimmt, in seinen Diensten zu
bleiben. Götz und Karli erfahren nur die vollzogene Thatsache, und wenn sie
auch mißtrauisch gegen die hergelaufene Dirne sind -- Kellnerinnen stehen
auf dem Lande nicht in gutem Rufe --, so lassen sie doch dem Bauer ohne
viel Widerspruch sein Vergnügen. Der alte Pointner äußert dieses auch in
sanguinischer Lebhaftigkeit vor allen Leuten. Seitdem die Kuni auf deu Hof
gekommen ist, dünkt der ihm doppelt so schön, die Sonne ist ihm neu auf¬
gegangen. Kuui ist auch eine fleißige und kluge Wirtin, die sich Respekt zu
verschaffen versteht, und weder Götz noch Karli können ihr was nachsagen.
Allein sie ist ehrgeizig, und in den jungen Hoferben hat sie sich verliebt. Warum
soll sie nicht seine Bäuerin werden können? Sie hat wohl gemerkt, daß er
eine andre im Herzen trägt, sie hat die kleine, schwächliche sauri schon gesehen --
diese aber wird sie doch ausstechen können? Gegen die verliebte Zärtlichkeit
des alten Pointner ist Kuni von artiger Kühle, aber Karli kommt sie überall
entgegen, obgleich er unempfindlich bleibt. In diese Lage bringt die Einberufung
Karlis zu den Manövern eine entscheidende Wendung. Den Abschied seines
abgöttisch geliebten Sohnes feiert der alte Pointner durch ein üppiges Essen


Hochlandsgeschichten.

Werden ihr Eigenschaften beigelegt, die psychologisch nicht ganz zusammenstimmen
wollen.

Der Pointnerhof in irgend einem bairischen Gebirgsdorfe ist die Stätte
des schönsten Friedens und satter Zufriedenheit für alle Insassen. Der alte
Pointner, ein guter Mensch, ist seit einigen Jahren verwitwet, aber noch nicht
so alt, um nicht seine harmlose Freude am guten Leben, am Wein, am Essen
und an der Bequemlichkeit zu haben. Er hat es auch nicht nötig, zu arbeiten,
denn sein Großknecht Götz besorgt die Wirtschaft in musterhafter Weise, und
unter dessen Augen wächst der junge Pointner, der kürzlich vom Militärdienst
als Reservist heimgekehrt ist, zum tüchtigen Hoferben hoffnungsvoll heran. Die
kleine, schwärmerische Liebe, die der Karli für ein armes hübsches Mädchen, die
sauri, im Herzen trägt und die von Götz gebilligt wird, trägt auch nur dazu
bei, den jungen Mann vor Abwegen zu bewahren. Viel empfänglicher für
schöne Weiblichkeit, freilich auch in aller Harmlosigkeit, ist der alte Pointner;
schön müssen die Mägde auf seinein Hofe sein, seitdem die gestrenge Gattin
dahingegangen ist. In diese wolkenfreie Idylle tritt mit dem zufälligen und
plötzlichen Erscheinen der schönen Kellnerin Kuni aus Rosenheim der Unfried ins
Haus. Kuni hat ihre Stelle aufgegeben, ist auf der Wanderung in die Heimat
begriffen, und indem sie im Dorfe rasten will, kommt sie am Pointnerhof vorbei.
Der alte Hofbauer sieht sie vom Fenster aus ratlos den Weg suchen und bietet
der schönen, schmuck und fesch gekleideten Fremden gastlich einen Imbiß. Kuni
nimmt das Angebot an, und es dauert nicht lange, so hat der Bauer ihre
Lage erfahren; eine sympathische Haushälterin hat er sich schon längst gewünscht,
lind leicht hat er die Landfahrerin, die seine Schwächen mit der geübten Männer¬
kenntnis der Kellnerinnen durchschaut hat, dazu bestimmt, in seinen Diensten zu
bleiben. Götz und Karli erfahren nur die vollzogene Thatsache, und wenn sie
auch mißtrauisch gegen die hergelaufene Dirne sind — Kellnerinnen stehen
auf dem Lande nicht in gutem Rufe —, so lassen sie doch dem Bauer ohne
viel Widerspruch sein Vergnügen. Der alte Pointner äußert dieses auch in
sanguinischer Lebhaftigkeit vor allen Leuten. Seitdem die Kuni auf deu Hof
gekommen ist, dünkt der ihm doppelt so schön, die Sonne ist ihm neu auf¬
gegangen. Kuui ist auch eine fleißige und kluge Wirtin, die sich Respekt zu
verschaffen versteht, und weder Götz noch Karli können ihr was nachsagen.
Allein sie ist ehrgeizig, und in den jungen Hoferben hat sie sich verliebt. Warum
soll sie nicht seine Bäuerin werden können? Sie hat wohl gemerkt, daß er
eine andre im Herzen trägt, sie hat die kleine, schwächliche sauri schon gesehen —
diese aber wird sie doch ausstechen können? Gegen die verliebte Zärtlichkeit
des alten Pointner ist Kuni von artiger Kühle, aber Karli kommt sie überall
entgegen, obgleich er unempfindlich bleibt. In diese Lage bringt die Einberufung
Karlis zu den Manövern eine entscheidende Wendung. Den Abschied seines
abgöttisch geliebten Sohnes feiert der alte Pointner durch ein üppiges Essen


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[0472] Hochlandsgeschichten. Werden ihr Eigenschaften beigelegt, die psychologisch nicht ganz zusammenstimmen wollen. Der Pointnerhof in irgend einem bairischen Gebirgsdorfe ist die Stätte des schönsten Friedens und satter Zufriedenheit für alle Insassen. Der alte Pointner, ein guter Mensch, ist seit einigen Jahren verwitwet, aber noch nicht so alt, um nicht seine harmlose Freude am guten Leben, am Wein, am Essen und an der Bequemlichkeit zu haben. Er hat es auch nicht nötig, zu arbeiten, denn sein Großknecht Götz besorgt die Wirtschaft in musterhafter Weise, und unter dessen Augen wächst der junge Pointner, der kürzlich vom Militärdienst als Reservist heimgekehrt ist, zum tüchtigen Hoferben hoffnungsvoll heran. Die kleine, schwärmerische Liebe, die der Karli für ein armes hübsches Mädchen, die sauri, im Herzen trägt und die von Götz gebilligt wird, trägt auch nur dazu bei, den jungen Mann vor Abwegen zu bewahren. Viel empfänglicher für schöne Weiblichkeit, freilich auch in aller Harmlosigkeit, ist der alte Pointner; schön müssen die Mägde auf seinein Hofe sein, seitdem die gestrenge Gattin dahingegangen ist. In diese wolkenfreie Idylle tritt mit dem zufälligen und plötzlichen Erscheinen der schönen Kellnerin Kuni aus Rosenheim der Unfried ins Haus. Kuni hat ihre Stelle aufgegeben, ist auf der Wanderung in die Heimat begriffen, und indem sie im Dorfe rasten will, kommt sie am Pointnerhof vorbei. Der alte Hofbauer sieht sie vom Fenster aus ratlos den Weg suchen und bietet der schönen, schmuck und fesch gekleideten Fremden gastlich einen Imbiß. Kuni nimmt das Angebot an, und es dauert nicht lange, so hat der Bauer ihre Lage erfahren; eine sympathische Haushälterin hat er sich schon längst gewünscht, lind leicht hat er die Landfahrerin, die seine Schwächen mit der geübten Männer¬ kenntnis der Kellnerinnen durchschaut hat, dazu bestimmt, in seinen Diensten zu bleiben. Götz und Karli erfahren nur die vollzogene Thatsache, und wenn sie auch mißtrauisch gegen die hergelaufene Dirne sind — Kellnerinnen stehen auf dem Lande nicht in gutem Rufe —, so lassen sie doch dem Bauer ohne viel Widerspruch sein Vergnügen. Der alte Pointner äußert dieses auch in sanguinischer Lebhaftigkeit vor allen Leuten. Seitdem die Kuni auf deu Hof gekommen ist, dünkt der ihm doppelt so schön, die Sonne ist ihm neu auf¬ gegangen. Kuui ist auch eine fleißige und kluge Wirtin, die sich Respekt zu verschaffen versteht, und weder Götz noch Karli können ihr was nachsagen. Allein sie ist ehrgeizig, und in den jungen Hoferben hat sie sich verliebt. Warum soll sie nicht seine Bäuerin werden können? Sie hat wohl gemerkt, daß er eine andre im Herzen trägt, sie hat die kleine, schwächliche sauri schon gesehen — diese aber wird sie doch ausstechen können? Gegen die verliebte Zärtlichkeit des alten Pointner ist Kuni von artiger Kühle, aber Karli kommt sie überall entgegen, obgleich er unempfindlich bleibt. In diese Lage bringt die Einberufung Karlis zu den Manövern eine entscheidende Wendung. Den Abschied seines abgöttisch geliebten Sohnes feiert der alte Pointner durch ein üppiges Essen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/472>, abgerufen am 22.07.2024.