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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Skizzen aus unserm heutigen Volksleben.

und gut gedüngt! Da können Sie Lanz Gottfrieden fragen und wen sie sonst
wollen.

Der Regierungsrat hatte mit steigender Verwunderung zugehört und rief jetzt:
Ihr seid ja Hauptkerls mit Eurer Zuckerfabrik! Das finde ich einzig! Bauen sich
eine Fabrik, die ihnen viel zu viel kostet, schreiben nicht ab, sparen nicht in guten
Zeiten, haben eine traurige Verwaltung, und jetzt, wo die nötige Ordnung in die
Sache kommen soll, sind sie wie die Tauben, die sich nach ihrem unordentlichen
Schlage zurücksehnen. Hat mich gefreut, alter Freund, Eure Bekanntschaft zu
machen.

Der Wagen hielt, Fuhrmeister stieg ab, bedankte sich und fragte noch, ob denn
der Herr aus hiesiger Gegend wäre. Als das der Regierungsrat verneinte, sagte
er harmlos: Na drum, denn hierzulande ihrzt man die Leute nicht. Adjes auch.
Nichts für ungut.

Der Herr Regierungsrat war starr! Wer war denn der Kerl?

Das war der Adler-Andres. Nicht wahr, das Privatissimum war nicht
übel?

Der Herr Regierungsrat biß sich auf die Lippen und schwieg.

Am Abend kam die Nachricht nach Horsthausen, daß der Direktor Maier ge¬
kündigt habe. Er hatte den Antrag gestellt, daß die Rüben nicht nach dem Gewicht,
sondern nach dem Zuckergehalte abgenommen werden sollten. Die Verständigen
hatten zugestimmt; aber Adler-Andres und etliche gleichgesinnte Ehrenmänner, die
sich durch die neue Ordnung der Dinge in ihren Interessen geschädigt glaubten,
hatten so lange genörgelt und den Direktor so lange mit allerlei Fragen, Unter¬
schiebungen und Verdächtigungen und besonders mit seinem Velociped geärgert,
bis er die Geduld verlor und kündigte. Die Aktionäre zogen heim in dem Be¬
wußtsein, der Verwaltung tausend Thaler erspart zu haben.

Das ist ja eine Heidenwirtschaft! rief der Herr Regierungsrat. Nein, hier
wäre staatliche Hilfe ein reines Unrecht. Wenn alle diese faulen Existenzen durch
eine Krisis weggefegt würden, fo wäre das nur ein Segen.

Das war nun wieder nicht richtig.


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Skizzen aus unserm heutigen Volksleben.

und gut gedüngt! Da können Sie Lanz Gottfrieden fragen und wen sie sonst
wollen.

Der Regierungsrat hatte mit steigender Verwunderung zugehört und rief jetzt:
Ihr seid ja Hauptkerls mit Eurer Zuckerfabrik! Das finde ich einzig! Bauen sich
eine Fabrik, die ihnen viel zu viel kostet, schreiben nicht ab, sparen nicht in guten
Zeiten, haben eine traurige Verwaltung, und jetzt, wo die nötige Ordnung in die
Sache kommen soll, sind sie wie die Tauben, die sich nach ihrem unordentlichen
Schlage zurücksehnen. Hat mich gefreut, alter Freund, Eure Bekanntschaft zu
machen.

Der Wagen hielt, Fuhrmeister stieg ab, bedankte sich und fragte noch, ob denn
der Herr aus hiesiger Gegend wäre. Als das der Regierungsrat verneinte, sagte
er harmlos: Na drum, denn hierzulande ihrzt man die Leute nicht. Adjes auch.
Nichts für ungut.

Der Herr Regierungsrat war starr! Wer war denn der Kerl?

Das war der Adler-Andres. Nicht wahr, das Privatissimum war nicht
übel?

Der Herr Regierungsrat biß sich auf die Lippen und schwieg.

Am Abend kam die Nachricht nach Horsthausen, daß der Direktor Maier ge¬
kündigt habe. Er hatte den Antrag gestellt, daß die Rüben nicht nach dem Gewicht,
sondern nach dem Zuckergehalte abgenommen werden sollten. Die Verständigen
hatten zugestimmt; aber Adler-Andres und etliche gleichgesinnte Ehrenmänner, die
sich durch die neue Ordnung der Dinge in ihren Interessen geschädigt glaubten,
hatten so lange genörgelt und den Direktor so lange mit allerlei Fragen, Unter¬
schiebungen und Verdächtigungen und besonders mit seinem Velociped geärgert,
bis er die Geduld verlor und kündigte. Die Aktionäre zogen heim in dem Be¬
wußtsein, der Verwaltung tausend Thaler erspart zu haben.

Das ist ja eine Heidenwirtschaft! rief der Herr Regierungsrat. Nein, hier
wäre staatliche Hilfe ein reines Unrecht. Wenn alle diese faulen Existenzen durch
eine Krisis weggefegt würden, fo wäre das nur ein Segen.

Das war nun wieder nicht richtig.


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[0046] Skizzen aus unserm heutigen Volksleben. und gut gedüngt! Da können Sie Lanz Gottfrieden fragen und wen sie sonst wollen. Der Regierungsrat hatte mit steigender Verwunderung zugehört und rief jetzt: Ihr seid ja Hauptkerls mit Eurer Zuckerfabrik! Das finde ich einzig! Bauen sich eine Fabrik, die ihnen viel zu viel kostet, schreiben nicht ab, sparen nicht in guten Zeiten, haben eine traurige Verwaltung, und jetzt, wo die nötige Ordnung in die Sache kommen soll, sind sie wie die Tauben, die sich nach ihrem unordentlichen Schlage zurücksehnen. Hat mich gefreut, alter Freund, Eure Bekanntschaft zu machen. Der Wagen hielt, Fuhrmeister stieg ab, bedankte sich und fragte noch, ob denn der Herr aus hiesiger Gegend wäre. Als das der Regierungsrat verneinte, sagte er harmlos: Na drum, denn hierzulande ihrzt man die Leute nicht. Adjes auch. Nichts für ungut. Der Herr Regierungsrat war starr! Wer war denn der Kerl? Das war der Adler-Andres. Nicht wahr, das Privatissimum war nicht übel? Der Herr Regierungsrat biß sich auf die Lippen und schwieg. Am Abend kam die Nachricht nach Horsthausen, daß der Direktor Maier ge¬ kündigt habe. Er hatte den Antrag gestellt, daß die Rüben nicht nach dem Gewicht, sondern nach dem Zuckergehalte abgenommen werden sollten. Die Verständigen hatten zugestimmt; aber Adler-Andres und etliche gleichgesinnte Ehrenmänner, die sich durch die neue Ordnung der Dinge in ihren Interessen geschädigt glaubten, hatten so lange genörgelt und den Direktor so lange mit allerlei Fragen, Unter¬ schiebungen und Verdächtigungen und besonders mit seinem Velociped geärgert, bis er die Geduld verlor und kündigte. Die Aktionäre zogen heim in dem Be¬ wußtsein, der Verwaltung tausend Thaler erspart zu haben. Das ist ja eine Heidenwirtschaft! rief der Herr Regierungsrat. Nein, hier wäre staatliche Hilfe ein reines Unrecht. Wenn alle diese faulen Existenzen durch eine Krisis weggefegt würden, fo wäre das nur ein Segen. Das war nun wieder nicht richtig. ^.Ä nsturÄiri Ah1ass,vit> ?. ^.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/46>, abgerufen am 22.07.2024.