Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.Der Gleichheitsgedanke als Rechtsprinzip. Die neueste Entwicklung des Sozialismus steht vorherrschend unter dem Dies ist der Weg, den der Gedanke der ^alle-s as- eg.it>, der thatsächlichen Grenzboten III. 1838.S7
Der Gleichheitsgedanke als Rechtsprinzip. Die neueste Entwicklung des Sozialismus steht vorherrschend unter dem Dies ist der Weg, den der Gedanke der ^alle-s as- eg.it>, der thatsächlichen Grenzboten III. 1838.S7
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Der Gleichheitsgedanke als Rechtsprinzip.
Die neueste Entwicklung des Sozialismus steht vorherrschend unter dem
Einfluß der Schriften von Marx und Engels. Die zur Regelung der Kollektiv¬
produktion notwendige Auffindung eines außerhalb des freien Tauschvertrages
zu ermittelnder Wertmessers ist damit in den Vordergrund der den Anregungen
des Sozialismus folgenden ökonomischen Debatte getreten, da die Beseitigung
des „Mehrwertes" durch Kollektivproduktion die schriftstellerische Besonderheit
von Karl Marx bildet. Indessen gilt von Ziel und Taktik der neueren Sozial¬
demokratie in erhöhtem Maße das, was von Lassalle gesagt ist. Marx und Engels
bezeichnen es übereinstimmend als einen überwundnen Standpunkt, zu welchen der
zur „Wissenschaft" ausgebildete Sozialismus nicht zurückkehren dürfe, von dem
zukünftigen Sozialstaat ein Bild entwerfen zu wollen; es genüge, das Ziel, worüber
kein Streit entstehen kann, fest im Auge zu behalten: die Herrschaft des Proletariats
Die „wissenschaftliche" Aufgabe des Sozialisten bestehe darin, die Lage zu er¬
kennen und nach Kräften vorzubereiten, in welcher das Proletariat von der öffent¬
lichen Gewalt Besitz ergreifen kann. Marx glaubt dabei die Zukunft so weit
enthüllen zu können, daß er einen Augenblick voraussieht, wo sich die Aufhäufung
der Produktionsmittel in den Händen weniger Reichen so weit vollzogen haben
wird, daß eine revolutionäre Schilderhebung des Volkes mit leichter Mühe
und in einfacher Weise die Expropriation vornehmen könnte. Engels pflichtet
dieser Ansicht bei und bezeichnet es als eine Notwendigkeit, daß das Prole¬
tariat nach Eintreten der ökonomischen und sonstigen Vorbedingungen die Staats¬
gewalt ergreift und die Produktionsmittel in Staatseigentum verwandelt.
Dies ist der Weg, den der Gedanke der ^alle-s as- eg.it>, der thatsächlichen
Gleichheit, als staatsrechtlich konstruktives Prinzip in den nicht ganz hundert
Jahren von Babeuf bis heute durchlaufen hat. Während er vor dem Jahre
1848 eine vorwiegend litterarische Existenz führte, zeigt er sich seitdem als
bedeutendstes Element in der Gährung der Volksmassen, die wiederholt zu
revolutionären Ausbrüchen geführt hat. Eine Kritik desselben vom sittlichen,
rechtsphilosophischen und politischen Standpunkte aus ist hier nicht beabsichtigt.
Nur die eine hinsichtlich der Zukunft beruhigende Erfahruugsthatsache sei hervor¬
gehoben, daß sich auch hier zeigt, wie sich jede Übertreibung ihre eigne Be¬
schränkung schafft. Gleichheit müßte eigentlich verlockend klingen für jeden, der
findet, daß sein Gedeck beim Gastmahl des Lebens unter dem Durchschnitt
bleibt. Und dies wäre die große Mehrheit. Indem aber die sozialistische
Agitation der Gleichheit zuliebe mit dem Eigentuni jede selbständige und eigen¬
artige Existenz zu vernichten droht, kann sie nur Anklang finden bei solchen,
die an Wahrung selbständiger Existenz von vornherein kein Interesse haben.
So lange die sozialistische Theorie die materielle Gleichheit als ihr oberstes
Prinzip anerkennt, wird sie als Gesellschaftsphilosophie notwendig beschränkt
bleiben auf verhältnismäßig enge Kreise der industriellen Lohnarbeiter.
Grenzboten III. 1838.S7
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