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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Skizzen aus unserm heutigen Volksleben.

heraus und winkte Gewährung. Während dessen war der Herr Baumeister gänzlich
in seinen Amtskalender versunken.

Der Wanderer stieg auf den Bock und hatte sogleich den Kopf im Rücken, wie
einer, der sich verpflichtet fühlt, den Unterhalter zu spielen.

Hübsches Wetter heute. Nicht zu kalt und nicht zu warm, und ganz und gar
nicht staubig.

Hin!

Die Herren fahren Wohl auch nach Schlimmbach?

Wie Ihr seht, fahren wir eben nach Schlimmbach.

Hübsches Dorf, eine Flur -- etwas ausgezeichnetes! unter 180 Zentner auf
den Morgen giebts gar nicht.

Eure Wege sind aber niederträchtig.

Das stimmt. Die Wege sind schlecht. Ich habe es dem Herrn Amtsrat
-- ist ein guter Freund von mir -- erst neulich gesagt. Herr Amtsrat, sag' ich,
die Wege sind niederträchtig. Fuhrmeister, sagt er, da haben Sie recht, aber erst
die Rübenwagen, die alles kurz und klein fahren, und hernach die Schafe -- da
nützt kein Wegebessern. Sie kennen doch den Herrn Amtsrat? Na ja. Mit dem
Geldgeben ist er ein bischen zach.

Pause.

Die Herren fahren Wohl ein bischen spazieren?

Ja, wir fahren so ein bischen im Lande herum.

Man wird sich doch von so einem Kerl nicht ausholen lassen.

Inzwischen überholte man einen Bauernwagen. Fuhrmeister auf seinem Bocke
winkte schon von weitem hinüber und rief: Morgen, Hottfried. Auch nach Schlimm¬
bach? -- Das ist nämlich Gottfried Lanz aus Kleeberg, fuhr er zum Regierungsrat
gewendet fort, die Leute sagen Hottfried zu ihm, weil er das G nicht aussprechen
kann. Seine Großmutter und meine Tante mütterlicherseits, was die alte Winkel-
manuen in Trippstedt ist -- die kennen Sie wohl nicht --, waren Schwestern.
Das ist auch einer von der Partei, die den Direktor in Schlimmbach wegbeißen
will. Kennen Sie den? Maier heißt er und stammt aus Lüneburg, seine Frau
ist eine Schradern aus Neustadt-Magdeburg. Ein ausgezeichneter Mann, reell,
galant und überhaupt ein tüchtiger Direktor. Früher war er in Feldwegen. Die
Fabrik hat er in die Höhe gebracht. Aber bei uns wills nicht recht gehen. Voriges
Jahr gar keine Dividende und dieses Jahr womöglich noch Zuschuß. Dabei kann
man nichts werden.

Aber da kann doch der Mann nichts dafür.

Da haben Sie recht. Die Zuckerpreise kann er nicht machen. Aber er mußte
sich kein Felopez anschaffen. Das haben sie ihm übel genommen.

Unsinn!

Meiner Seele! Es ist auch wahr, so ein Ding schickt sich nicht für fo einen
Mann.

Ihnen wäre es lieber gewesen, meinte der Baumeister, er hätte weiter
bei Ihnen ausgespannt, als daß er jetzt mit seinem Dreirad gleich nach der Sta¬
tion fährt.

Fuhrmeister lachte etwas verlegen und meinte, er habe nichts dagegen, seinet¬
wegen könnte Maier machen, was er wolle.

Sagt mal, alter Freund, sagte der Regierungsrat, Eure Zuckerfabrik soll ja
wackeln.

Wer sagt denn das?


Skizzen aus unserm heutigen Volksleben.

heraus und winkte Gewährung. Während dessen war der Herr Baumeister gänzlich
in seinen Amtskalender versunken.

Der Wanderer stieg auf den Bock und hatte sogleich den Kopf im Rücken, wie
einer, der sich verpflichtet fühlt, den Unterhalter zu spielen.

Hübsches Wetter heute. Nicht zu kalt und nicht zu warm, und ganz und gar
nicht staubig.

Hin!

Die Herren fahren Wohl auch nach Schlimmbach?

Wie Ihr seht, fahren wir eben nach Schlimmbach.

Hübsches Dorf, eine Flur — etwas ausgezeichnetes! unter 180 Zentner auf
den Morgen giebts gar nicht.

Eure Wege sind aber niederträchtig.

Das stimmt. Die Wege sind schlecht. Ich habe es dem Herrn Amtsrat
— ist ein guter Freund von mir — erst neulich gesagt. Herr Amtsrat, sag' ich,
die Wege sind niederträchtig. Fuhrmeister, sagt er, da haben Sie recht, aber erst
die Rübenwagen, die alles kurz und klein fahren, und hernach die Schafe — da
nützt kein Wegebessern. Sie kennen doch den Herrn Amtsrat? Na ja. Mit dem
Geldgeben ist er ein bischen zach.

Pause.

Die Herren fahren Wohl ein bischen spazieren?

Ja, wir fahren so ein bischen im Lande herum.

Man wird sich doch von so einem Kerl nicht ausholen lassen.

Inzwischen überholte man einen Bauernwagen. Fuhrmeister auf seinem Bocke
winkte schon von weitem hinüber und rief: Morgen, Hottfried. Auch nach Schlimm¬
bach? — Das ist nämlich Gottfried Lanz aus Kleeberg, fuhr er zum Regierungsrat
gewendet fort, die Leute sagen Hottfried zu ihm, weil er das G nicht aussprechen
kann. Seine Großmutter und meine Tante mütterlicherseits, was die alte Winkel-
manuen in Trippstedt ist — die kennen Sie wohl nicht —, waren Schwestern.
Das ist auch einer von der Partei, die den Direktor in Schlimmbach wegbeißen
will. Kennen Sie den? Maier heißt er und stammt aus Lüneburg, seine Frau
ist eine Schradern aus Neustadt-Magdeburg. Ein ausgezeichneter Mann, reell,
galant und überhaupt ein tüchtiger Direktor. Früher war er in Feldwegen. Die
Fabrik hat er in die Höhe gebracht. Aber bei uns wills nicht recht gehen. Voriges
Jahr gar keine Dividende und dieses Jahr womöglich noch Zuschuß. Dabei kann
man nichts werden.

Aber da kann doch der Mann nichts dafür.

Da haben Sie recht. Die Zuckerpreise kann er nicht machen. Aber er mußte
sich kein Felopez anschaffen. Das haben sie ihm übel genommen.

Unsinn!

Meiner Seele! Es ist auch wahr, so ein Ding schickt sich nicht für fo einen
Mann.

Ihnen wäre es lieber gewesen, meinte der Baumeister, er hätte weiter
bei Ihnen ausgespannt, als daß er jetzt mit seinem Dreirad gleich nach der Sta¬
tion fährt.

Fuhrmeister lachte etwas verlegen und meinte, er habe nichts dagegen, seinet¬
wegen könnte Maier machen, was er wolle.

Sagt mal, alter Freund, sagte der Regierungsrat, Eure Zuckerfabrik soll ja
wackeln.

Wer sagt denn das?


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[0042] Skizzen aus unserm heutigen Volksleben. heraus und winkte Gewährung. Während dessen war der Herr Baumeister gänzlich in seinen Amtskalender versunken. Der Wanderer stieg auf den Bock und hatte sogleich den Kopf im Rücken, wie einer, der sich verpflichtet fühlt, den Unterhalter zu spielen. Hübsches Wetter heute. Nicht zu kalt und nicht zu warm, und ganz und gar nicht staubig. Hin! Die Herren fahren Wohl auch nach Schlimmbach? Wie Ihr seht, fahren wir eben nach Schlimmbach. Hübsches Dorf, eine Flur — etwas ausgezeichnetes! unter 180 Zentner auf den Morgen giebts gar nicht. Eure Wege sind aber niederträchtig. Das stimmt. Die Wege sind schlecht. Ich habe es dem Herrn Amtsrat — ist ein guter Freund von mir — erst neulich gesagt. Herr Amtsrat, sag' ich, die Wege sind niederträchtig. Fuhrmeister, sagt er, da haben Sie recht, aber erst die Rübenwagen, die alles kurz und klein fahren, und hernach die Schafe — da nützt kein Wegebessern. Sie kennen doch den Herrn Amtsrat? Na ja. Mit dem Geldgeben ist er ein bischen zach. Pause. Die Herren fahren Wohl ein bischen spazieren? Ja, wir fahren so ein bischen im Lande herum. Man wird sich doch von so einem Kerl nicht ausholen lassen. Inzwischen überholte man einen Bauernwagen. Fuhrmeister auf seinem Bocke winkte schon von weitem hinüber und rief: Morgen, Hottfried. Auch nach Schlimm¬ bach? — Das ist nämlich Gottfried Lanz aus Kleeberg, fuhr er zum Regierungsrat gewendet fort, die Leute sagen Hottfried zu ihm, weil er das G nicht aussprechen kann. Seine Großmutter und meine Tante mütterlicherseits, was die alte Winkel- manuen in Trippstedt ist — die kennen Sie wohl nicht —, waren Schwestern. Das ist auch einer von der Partei, die den Direktor in Schlimmbach wegbeißen will. Kennen Sie den? Maier heißt er und stammt aus Lüneburg, seine Frau ist eine Schradern aus Neustadt-Magdeburg. Ein ausgezeichneter Mann, reell, galant und überhaupt ein tüchtiger Direktor. Früher war er in Feldwegen. Die Fabrik hat er in die Höhe gebracht. Aber bei uns wills nicht recht gehen. Voriges Jahr gar keine Dividende und dieses Jahr womöglich noch Zuschuß. Dabei kann man nichts werden. Aber da kann doch der Mann nichts dafür. Da haben Sie recht. Die Zuckerpreise kann er nicht machen. Aber er mußte sich kein Felopez anschaffen. Das haben sie ihm übel genommen. Unsinn! Meiner Seele! Es ist auch wahr, so ein Ding schickt sich nicht für fo einen Mann. Ihnen wäre es lieber gewesen, meinte der Baumeister, er hätte weiter bei Ihnen ausgespannt, als daß er jetzt mit seinem Dreirad gleich nach der Sta¬ tion fährt. Fuhrmeister lachte etwas verlegen und meinte, er habe nichts dagegen, seinet¬ wegen könnte Maier machen, was er wolle. Sagt mal, alter Freund, sagte der Regierungsrat, Eure Zuckerfabrik soll ja wackeln. Wer sagt denn das?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/42>, abgerufen am 22.07.2024.