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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Richard Wagners Leer.

Die Oper beginnt, wie die Tragikomödie, im Feenreiche, wo uns Farzana
und Zemina (die einzigen Namen, die Wagner aus Gozzis Personenverzeichnis
beibehalten hat) mit dem Geschick ihrer Gefährtin Ada bekannt machen. In
heißer Liebe zu einem Sterblichen entbrannt, hat die Unselige freiwillig der
Unsterblichkeit entsagt und lebt bereits acht Jahre an der Seite des Geliebten.
Allein der Ausspruch des Feenkönigs droht ihrem Glücke ein nahes Verderbe".
Acht Jahr -- so erzählt sie selbst später -- war es Bcdingnis, dir zu ver¬
schweigen, wer ich sei,


Und dann den letzten Tag auf dich so viel
Der Qualen und der Schrecken aufzuhäufen,
Als dich verleiten könnte, nur zu fluchen.
Nur, wenn dein Herz standhaft aus Liebe sei,
Soll ich das Loos der Sterblichkeit erhalten,
Wenn nicht, so sollte ich unsterblich bleiben
Und dann noch mein Begehren dadurch büßen,
Daß ich auf hundert Jahr' in einen Stein verwandelt sei!

Schon hat das Verhängnis seinen Anfang genommen, denn Arindal hat die
verbotene Frage nach der Herkunft der Geliebten gethan, und zur Strafe ist
sie ihm sogleich entschwunden, ihn aber hat höhere Macht in eine wilde Einöde
entrückt. Hier finden ihn und seinen Knappen -- aus dem Spaßmacher
Trnffaldino ist ein recht philisterhafter deutscher Ritter Gernot geworden --
die Abgesandten seiner vom Feinde hart bedrängten Schwester Lora, die nach
dein Tode des alten Königs in Abwesenheit des Thronerben Reich und Herr¬
schaft übernommen hat. Es hält natürlich schwer, den trostlosen, im Liebes¬
wahnsinn herumirrenden Arindal zur Heimfahrt zu bestimmen, und die Hilfe
eines Zauberers Groma, der die beiden Boten als Eremiten und als des alten
Königs Geist erscheinen läßt, soll dies veranschaulichen. Leider fällt dieser un¬
geschickt eingeführte Zauberspuk und seine Vereitelung durch Adas Macht auf
der Bühne so läppisch aus, daß man sich in München schon bei der vierten
Vorstellung entschloß, ihn wegzustreichen und dem König gegen alle Psychologie
das Scheiden leicht zu machen. Nachdem er kurz von den Gefahren seines
Reiches unterrichtet worden ist, verspricht nun Arindal, das vergebliche Suchen
nach seiner entschwundenen Gattin aufzugeben und in sein Land zurückzukehren.
Zuvor aber legt er sich noch zur Ruhe nieder, und da versetzt ihn denn während
des Schlummers Feenmacht wieder in das Reich der Unsterblichen, dem Er¬
wachenden steht wieder die geliebte Gattin zur Seite, und alle guten Vorsätze
wären vergessen, wenn nicht Ada selbst auf die Rückkehr des Königs dränge
und dem Scheidenden ihren baldigen Besuch wie die bevorstehende endgiltige
Entscheidung über ihr Schicksal verkündete.

Der zweite Akt spielt in Arindals Hauptstadt, bei Gozzi ist es Tiflis.
Vom Feinde hart bedrängt, sehen wir Bürger und Krieger in der Vorhalle des


Grenzboten III. 1333. 34
Richard Wagners Leer.

Die Oper beginnt, wie die Tragikomödie, im Feenreiche, wo uns Farzana
und Zemina (die einzigen Namen, die Wagner aus Gozzis Personenverzeichnis
beibehalten hat) mit dem Geschick ihrer Gefährtin Ada bekannt machen. In
heißer Liebe zu einem Sterblichen entbrannt, hat die Unselige freiwillig der
Unsterblichkeit entsagt und lebt bereits acht Jahre an der Seite des Geliebten.
Allein der Ausspruch des Feenkönigs droht ihrem Glücke ein nahes Verderbe».
Acht Jahr — so erzählt sie selbst später — war es Bcdingnis, dir zu ver¬
schweigen, wer ich sei,


Und dann den letzten Tag auf dich so viel
Der Qualen und der Schrecken aufzuhäufen,
Als dich verleiten könnte, nur zu fluchen.
Nur, wenn dein Herz standhaft aus Liebe sei,
Soll ich das Loos der Sterblichkeit erhalten,
Wenn nicht, so sollte ich unsterblich bleiben
Und dann noch mein Begehren dadurch büßen,
Daß ich auf hundert Jahr' in einen Stein verwandelt sei!

Schon hat das Verhängnis seinen Anfang genommen, denn Arindal hat die
verbotene Frage nach der Herkunft der Geliebten gethan, und zur Strafe ist
sie ihm sogleich entschwunden, ihn aber hat höhere Macht in eine wilde Einöde
entrückt. Hier finden ihn und seinen Knappen — aus dem Spaßmacher
Trnffaldino ist ein recht philisterhafter deutscher Ritter Gernot geworden —
die Abgesandten seiner vom Feinde hart bedrängten Schwester Lora, die nach
dein Tode des alten Königs in Abwesenheit des Thronerben Reich und Herr¬
schaft übernommen hat. Es hält natürlich schwer, den trostlosen, im Liebes¬
wahnsinn herumirrenden Arindal zur Heimfahrt zu bestimmen, und die Hilfe
eines Zauberers Groma, der die beiden Boten als Eremiten und als des alten
Königs Geist erscheinen läßt, soll dies veranschaulichen. Leider fällt dieser un¬
geschickt eingeführte Zauberspuk und seine Vereitelung durch Adas Macht auf
der Bühne so läppisch aus, daß man sich in München schon bei der vierten
Vorstellung entschloß, ihn wegzustreichen und dem König gegen alle Psychologie
das Scheiden leicht zu machen. Nachdem er kurz von den Gefahren seines
Reiches unterrichtet worden ist, verspricht nun Arindal, das vergebliche Suchen
nach seiner entschwundenen Gattin aufzugeben und in sein Land zurückzukehren.
Zuvor aber legt er sich noch zur Ruhe nieder, und da versetzt ihn denn während
des Schlummers Feenmacht wieder in das Reich der Unsterblichen, dem Er¬
wachenden steht wieder die geliebte Gattin zur Seite, und alle guten Vorsätze
wären vergessen, wenn nicht Ada selbst auf die Rückkehr des Königs dränge
und dem Scheidenden ihren baldigen Besuch wie die bevorstehende endgiltige
Entscheidung über ihr Schicksal verkündete.

Der zweite Akt spielt in Arindals Hauptstadt, bei Gozzi ist es Tiflis.
Vom Feinde hart bedrängt, sehen wir Bürger und Krieger in der Vorhalle des


Grenzboten III. 1333. 34
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[0273] Richard Wagners Leer. Die Oper beginnt, wie die Tragikomödie, im Feenreiche, wo uns Farzana und Zemina (die einzigen Namen, die Wagner aus Gozzis Personenverzeichnis beibehalten hat) mit dem Geschick ihrer Gefährtin Ada bekannt machen. In heißer Liebe zu einem Sterblichen entbrannt, hat die Unselige freiwillig der Unsterblichkeit entsagt und lebt bereits acht Jahre an der Seite des Geliebten. Allein der Ausspruch des Feenkönigs droht ihrem Glücke ein nahes Verderbe». Acht Jahr — so erzählt sie selbst später — war es Bcdingnis, dir zu ver¬ schweigen, wer ich sei, Und dann den letzten Tag auf dich so viel Der Qualen und der Schrecken aufzuhäufen, Als dich verleiten könnte, nur zu fluchen. Nur, wenn dein Herz standhaft aus Liebe sei, Soll ich das Loos der Sterblichkeit erhalten, Wenn nicht, so sollte ich unsterblich bleiben Und dann noch mein Begehren dadurch büßen, Daß ich auf hundert Jahr' in einen Stein verwandelt sei! Schon hat das Verhängnis seinen Anfang genommen, denn Arindal hat die verbotene Frage nach der Herkunft der Geliebten gethan, und zur Strafe ist sie ihm sogleich entschwunden, ihn aber hat höhere Macht in eine wilde Einöde entrückt. Hier finden ihn und seinen Knappen — aus dem Spaßmacher Trnffaldino ist ein recht philisterhafter deutscher Ritter Gernot geworden — die Abgesandten seiner vom Feinde hart bedrängten Schwester Lora, die nach dein Tode des alten Königs in Abwesenheit des Thronerben Reich und Herr¬ schaft übernommen hat. Es hält natürlich schwer, den trostlosen, im Liebes¬ wahnsinn herumirrenden Arindal zur Heimfahrt zu bestimmen, und die Hilfe eines Zauberers Groma, der die beiden Boten als Eremiten und als des alten Königs Geist erscheinen läßt, soll dies veranschaulichen. Leider fällt dieser un¬ geschickt eingeführte Zauberspuk und seine Vereitelung durch Adas Macht auf der Bühne so läppisch aus, daß man sich in München schon bei der vierten Vorstellung entschloß, ihn wegzustreichen und dem König gegen alle Psychologie das Scheiden leicht zu machen. Nachdem er kurz von den Gefahren seines Reiches unterrichtet worden ist, verspricht nun Arindal, das vergebliche Suchen nach seiner entschwundenen Gattin aufzugeben und in sein Land zurückzukehren. Zuvor aber legt er sich noch zur Ruhe nieder, und da versetzt ihn denn während des Schlummers Feenmacht wieder in das Reich der Unsterblichen, dem Er¬ wachenden steht wieder die geliebte Gattin zur Seite, und alle guten Vorsätze wären vergessen, wenn nicht Ada selbst auf die Rückkehr des Königs dränge und dem Scheidenden ihren baldigen Besuch wie die bevorstehende endgiltige Entscheidung über ihr Schicksal verkündete. Der zweite Akt spielt in Arindals Hauptstadt, bei Gozzi ist es Tiflis. Vom Feinde hart bedrängt, sehen wir Bürger und Krieger in der Vorhalle des Grenzboten III. 1333. 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/273>, abgerufen am 24.08.2024.