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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Skizzen aus unserm heutigen Volksleben.

gestählt und für den "Ernstfall" bereit gestellt. Umgekehrt sind Erfolge die Probe
auf die Wirksamkeit der vorausgehenden Feste. Es würde zu weit führen, dies
in Bezug auf die Schützen- und Turnerfeste und das deutsche Reich nachzuweisen.
Wenn in Kaldenried diese Probe nicht so günstig ausfiel, als zu wünschen gewesen
wäre, so lag dies an gewissen besonders ungünstigen Umständen. Bei Gelegenheit
des Festbankettes hatte Herr Pauli, während die anwesenden Bürger ein gelindes
Gruseln überlief, den kecken Wunsch ausgesprochen: Möchte es doch in Kaldenried
endlich einmal brennen, damit die Feuerwehr zeigen könnte, daß die gebrachten
Opfer nicht vergeblich gebracht worden sind. In der Nacht nach dem Feste, als
alles, auch der Türmer, im tiefsten Schlafe lag, brannte es wirklich. Die Spritzen
waren in Eile in den Schuppen untergebracht, aber keine stand an ihrem Orte,
die Schläuche waren zum Trocknen nach der Bleiche geschickt worden, und vor allem:
Herr Pauli war krank. Es war ein kleines, geduldiges Feuerchen, ein massiv ge¬
bauter Pferdestall, es regte sich kein Lüftchen, und es fiel ein linder Regen. End¬
lich kam die erste Spritze an. Man probirte und disputirte und fuhr sie wieder
weg, so die zweite und die dritte. Man legte Schläuche, aber sie wollten nicht
passen, kurz, es wollte nichts klappen. Das Publikum machte Bemerkungen, die
für die Feuerwehr nicht sehr schmeichelhaft ausfielen, besonders zeichnete sich
eine Reihe von Zuschauern aus, die auf der gegenüberstehenden Gartenmauer
Platz genommen hatten: Es wird nichts. -- Laßt doch die Musik kommen, sonst
können sie nichts. -- Musik! -- Fischerin du kleine! -- Schunkelwalzer! Und
wirklich, angesichts der hellen Flamme faßte sich die Reihe unter und fing an zu
schunkeln!

Von Herrn Jsidor Hirschfeld war nichts zu hören und zu sehen. Der Pferde¬
stall grenzte an seinen Hof. Nachdem er den leeren Schlauchwagen auf seinen Hof
gefahren hatte, rettete er feinen Schreibsekretär auf die Straße, und Frau Cora
setzte sich darauf.

Er hatte allerdings einigen Schaden von dem Feuer gehabt. Als er diesen
aber bei seiner Gesellschaft anmeldete und die Antwort erhielt, es werde nichts
vergütet, da er ja nicht nötig gehabt hätte, seine Möbel in den Regen zu schleppen,
verwünschte er die freiwillige und die unfreiwillige Feuerwehr und ihre Kinder
und Kindeskinder und trat noch am selbigen Tage wieder aus.


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Grenzbote" til. 133S.23
Skizzen aus unserm heutigen Volksleben.

gestählt und für den „Ernstfall" bereit gestellt. Umgekehrt sind Erfolge die Probe
auf die Wirksamkeit der vorausgehenden Feste. Es würde zu weit führen, dies
in Bezug auf die Schützen- und Turnerfeste und das deutsche Reich nachzuweisen.
Wenn in Kaldenried diese Probe nicht so günstig ausfiel, als zu wünschen gewesen
wäre, so lag dies an gewissen besonders ungünstigen Umständen. Bei Gelegenheit
des Festbankettes hatte Herr Pauli, während die anwesenden Bürger ein gelindes
Gruseln überlief, den kecken Wunsch ausgesprochen: Möchte es doch in Kaldenried
endlich einmal brennen, damit die Feuerwehr zeigen könnte, daß die gebrachten
Opfer nicht vergeblich gebracht worden sind. In der Nacht nach dem Feste, als
alles, auch der Türmer, im tiefsten Schlafe lag, brannte es wirklich. Die Spritzen
waren in Eile in den Schuppen untergebracht, aber keine stand an ihrem Orte,
die Schläuche waren zum Trocknen nach der Bleiche geschickt worden, und vor allem:
Herr Pauli war krank. Es war ein kleines, geduldiges Feuerchen, ein massiv ge¬
bauter Pferdestall, es regte sich kein Lüftchen, und es fiel ein linder Regen. End¬
lich kam die erste Spritze an. Man probirte und disputirte und fuhr sie wieder
weg, so die zweite und die dritte. Man legte Schläuche, aber sie wollten nicht
passen, kurz, es wollte nichts klappen. Das Publikum machte Bemerkungen, die
für die Feuerwehr nicht sehr schmeichelhaft ausfielen, besonders zeichnete sich
eine Reihe von Zuschauern aus, die auf der gegenüberstehenden Gartenmauer
Platz genommen hatten: Es wird nichts. — Laßt doch die Musik kommen, sonst
können sie nichts. — Musik! — Fischerin du kleine! — Schunkelwalzer! Und
wirklich, angesichts der hellen Flamme faßte sich die Reihe unter und fing an zu
schunkeln!

Von Herrn Jsidor Hirschfeld war nichts zu hören und zu sehen. Der Pferde¬
stall grenzte an seinen Hof. Nachdem er den leeren Schlauchwagen auf seinen Hof
gefahren hatte, rettete er feinen Schreibsekretär auf die Straße, und Frau Cora
setzte sich darauf.

Er hatte allerdings einigen Schaden von dem Feuer gehabt. Als er diesen
aber bei seiner Gesellschaft anmeldete und die Antwort erhielt, es werde nichts
vergütet, da er ja nicht nötig gehabt hätte, seine Möbel in den Regen zu schleppen,
verwünschte er die freiwillige und die unfreiwillige Feuerwehr und ihre Kinder
und Kindeskinder und trat noch am selbigen Tage wieder aus.


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[0185] Skizzen aus unserm heutigen Volksleben. gestählt und für den „Ernstfall" bereit gestellt. Umgekehrt sind Erfolge die Probe auf die Wirksamkeit der vorausgehenden Feste. Es würde zu weit führen, dies in Bezug auf die Schützen- und Turnerfeste und das deutsche Reich nachzuweisen. Wenn in Kaldenried diese Probe nicht so günstig ausfiel, als zu wünschen gewesen wäre, so lag dies an gewissen besonders ungünstigen Umständen. Bei Gelegenheit des Festbankettes hatte Herr Pauli, während die anwesenden Bürger ein gelindes Gruseln überlief, den kecken Wunsch ausgesprochen: Möchte es doch in Kaldenried endlich einmal brennen, damit die Feuerwehr zeigen könnte, daß die gebrachten Opfer nicht vergeblich gebracht worden sind. In der Nacht nach dem Feste, als alles, auch der Türmer, im tiefsten Schlafe lag, brannte es wirklich. Die Spritzen waren in Eile in den Schuppen untergebracht, aber keine stand an ihrem Orte, die Schläuche waren zum Trocknen nach der Bleiche geschickt worden, und vor allem: Herr Pauli war krank. Es war ein kleines, geduldiges Feuerchen, ein massiv ge¬ bauter Pferdestall, es regte sich kein Lüftchen, und es fiel ein linder Regen. End¬ lich kam die erste Spritze an. Man probirte und disputirte und fuhr sie wieder weg, so die zweite und die dritte. Man legte Schläuche, aber sie wollten nicht passen, kurz, es wollte nichts klappen. Das Publikum machte Bemerkungen, die für die Feuerwehr nicht sehr schmeichelhaft ausfielen, besonders zeichnete sich eine Reihe von Zuschauern aus, die auf der gegenüberstehenden Gartenmauer Platz genommen hatten: Es wird nichts. — Laßt doch die Musik kommen, sonst können sie nichts. — Musik! — Fischerin du kleine! — Schunkelwalzer! Und wirklich, angesichts der hellen Flamme faßte sich die Reihe unter und fing an zu schunkeln! Von Herrn Jsidor Hirschfeld war nichts zu hören und zu sehen. Der Pferde¬ stall grenzte an seinen Hof. Nachdem er den leeren Schlauchwagen auf seinen Hof gefahren hatte, rettete er feinen Schreibsekretär auf die Straße, und Frau Cora setzte sich darauf. Er hatte allerdings einigen Schaden von dem Feuer gehabt. Als er diesen aber bei seiner Gesellschaft anmeldete und die Antwort erhielt, es werde nichts vergütet, da er ja nicht nötig gehabt hätte, seine Möbel in den Regen zu schleppen, verwünschte er die freiwillige und die unfreiwillige Feuerwehr und ihre Kinder und Kindeskinder und trat noch am selbigen Tage wieder aus. ^ natui'la äoliiiSÄvit I'. ^, Grenzbote» til. 133S.23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/185>, abgerufen am 22.07.2024.