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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die Lrauenfrage des vierten Standes.
a. Einnahmen:
Bestand am Schlüsse des Vorjahres in Effekten..... 4392 Mark
Barer Kassenbestand............... 1058 "
Jahresbeiträge für das Jahr 1886 .......... 1576 "
Weihnachtsgaben und Geschenke........... 6? "
Zinsen..................... 280
Zuschuß vom Rate der Stadt Leipzig ......... 300 "
Beiträge der Mädchen.............. 1184 "
8366 Mark
b. Ausgaben:
Wohnungsmiete................ 1360 Mark
Haushaltung................. 1292 "
Gehalte, Geschenke, Gratifikationen.......... 656 "
Feuerversicherung................ 16 "
Verschiedene Ausgaben.............. 261
3565 Mark

Diese Zahlen reden deutlicher als Worte und lassen erkennen, mit welchen
Schwierigkeiten das "Daheim" zu kämpfen hat. Diese Schwierigkeiten werden
aber erhöht durch die Stellung, welche die Arbeitgeber dazu einnehmen; der
Verwaltnngsbcricht sagt hierüber folgendes: "Luft und Liebe zu fortgesetzter
Thätigkeit fehlt uns nicht, und die Menschenfreunde haben uns ihren Beistand
noch nicht entzogen. Aber ein, und zwar der wichtigste Faktor versagt: Die
Arbeitgeber verhalten sich bis jetzt nur ablehnend gegen uns. Dankbar em¬
pfangen wir die Beiträge, womit sie uns erfreuen, aber die wertvollere mora¬
lische Unterstützung durch ihre Autorität wird uns nicht zu Teil, und unsre
Anstalt ist ihnen noch so gut wie unbekannt. Wir wissen recht gut, daß ein
nach dieser Richtung gethaner Schritt weitere Schritte zur Folge haben würde;
eher oder später aber müssen dieselben mit Notwendigkeit, der Strömung der
Gegenwart folgend, geschehen. Ein Zeitalter, welches schon den Säugling an
der Schwelle des Daseins mit Sorge umgiebt, welches auf die frühe Kindheit
einzuwirken sucht, sogar die Schüler in ihren freien Stunden überwacht, es
kann nicht das Auge schließen oder die Hand zurückziehen, wenn seine Un¬
mündigen in eine Welt voll Versuchungen und verderblicher Einflüsse eintreten."

Diesen Ausführungen kaun man sich nur anschließen. Auch ich bin der
Überzeugung, daß eine weitere Gleichgiltigkeit der Arbeitgeber nur durch Zwang,
durch die Autorität des Staates gebrochen werden kann. Und meiner Meinung
nach liegt es bezüglich der Wohnungsfrage sogar im öffentlichen Interesse, die¬
jenigen Arbeitgeber, die eine größere Zahl von Arbeiterinnen beschäftigen,
zur Beschaffung geeigneter Wohnungen zu verpflichten. Selbstverständlich würden
dann auch alle diejenigen Arbeiterinnen angehalten werden müssen, in den von


Die Lrauenfrage des vierten Standes.
a. Einnahmen:
Bestand am Schlüsse des Vorjahres in Effekten..... 4392 Mark
Barer Kassenbestand............... 1058 „
Jahresbeiträge für das Jahr 1886 .......... 1576 „
Weihnachtsgaben und Geschenke........... 6? „
Zinsen..................... 280
Zuschuß vom Rate der Stadt Leipzig ......... 300 „
Beiträge der Mädchen.............. 1184 „
8366 Mark
b. Ausgaben:
Wohnungsmiete................ 1360 Mark
Haushaltung................. 1292 „
Gehalte, Geschenke, Gratifikationen.......... 656 „
Feuerversicherung................ 16 „
Verschiedene Ausgaben.............. 261
3565 Mark

Diese Zahlen reden deutlicher als Worte und lassen erkennen, mit welchen
Schwierigkeiten das „Daheim" zu kämpfen hat. Diese Schwierigkeiten werden
aber erhöht durch die Stellung, welche die Arbeitgeber dazu einnehmen; der
Verwaltnngsbcricht sagt hierüber folgendes: „Luft und Liebe zu fortgesetzter
Thätigkeit fehlt uns nicht, und die Menschenfreunde haben uns ihren Beistand
noch nicht entzogen. Aber ein, und zwar der wichtigste Faktor versagt: Die
Arbeitgeber verhalten sich bis jetzt nur ablehnend gegen uns. Dankbar em¬
pfangen wir die Beiträge, womit sie uns erfreuen, aber die wertvollere mora¬
lische Unterstützung durch ihre Autorität wird uns nicht zu Teil, und unsre
Anstalt ist ihnen noch so gut wie unbekannt. Wir wissen recht gut, daß ein
nach dieser Richtung gethaner Schritt weitere Schritte zur Folge haben würde;
eher oder später aber müssen dieselben mit Notwendigkeit, der Strömung der
Gegenwart folgend, geschehen. Ein Zeitalter, welches schon den Säugling an
der Schwelle des Daseins mit Sorge umgiebt, welches auf die frühe Kindheit
einzuwirken sucht, sogar die Schüler in ihren freien Stunden überwacht, es
kann nicht das Auge schließen oder die Hand zurückziehen, wenn seine Un¬
mündigen in eine Welt voll Versuchungen und verderblicher Einflüsse eintreten."

Diesen Ausführungen kaun man sich nur anschließen. Auch ich bin der
Überzeugung, daß eine weitere Gleichgiltigkeit der Arbeitgeber nur durch Zwang,
durch die Autorität des Staates gebrochen werden kann. Und meiner Meinung
nach liegt es bezüglich der Wohnungsfrage sogar im öffentlichen Interesse, die¬
jenigen Arbeitgeber, die eine größere Zahl von Arbeiterinnen beschäftigen,
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[0091] Die Lrauenfrage des vierten Standes. a. Einnahmen: Bestand am Schlüsse des Vorjahres in Effekten..... 4392 Mark Barer Kassenbestand............... 1058 „ Jahresbeiträge für das Jahr 1886 .......... 1576 „ Weihnachtsgaben und Geschenke........... 6? „ Zinsen..................... 280 Zuschuß vom Rate der Stadt Leipzig ......... 300 „ Beiträge der Mädchen.............. 1184 „ 8366 Mark b. Ausgaben: Wohnungsmiete................ 1360 Mark Haushaltung................. 1292 „ Gehalte, Geschenke, Gratifikationen.......... 656 „ Feuerversicherung................ 16 „ Verschiedene Ausgaben.............. 261 3565 Mark Diese Zahlen reden deutlicher als Worte und lassen erkennen, mit welchen Schwierigkeiten das „Daheim" zu kämpfen hat. Diese Schwierigkeiten werden aber erhöht durch die Stellung, welche die Arbeitgeber dazu einnehmen; der Verwaltnngsbcricht sagt hierüber folgendes: „Luft und Liebe zu fortgesetzter Thätigkeit fehlt uns nicht, und die Menschenfreunde haben uns ihren Beistand noch nicht entzogen. Aber ein, und zwar der wichtigste Faktor versagt: Die Arbeitgeber verhalten sich bis jetzt nur ablehnend gegen uns. Dankbar em¬ pfangen wir die Beiträge, womit sie uns erfreuen, aber die wertvollere mora¬ lische Unterstützung durch ihre Autorität wird uns nicht zu Teil, und unsre Anstalt ist ihnen noch so gut wie unbekannt. Wir wissen recht gut, daß ein nach dieser Richtung gethaner Schritt weitere Schritte zur Folge haben würde; eher oder später aber müssen dieselben mit Notwendigkeit, der Strömung der Gegenwart folgend, geschehen. Ein Zeitalter, welches schon den Säugling an der Schwelle des Daseins mit Sorge umgiebt, welches auf die frühe Kindheit einzuwirken sucht, sogar die Schüler in ihren freien Stunden überwacht, es kann nicht das Auge schließen oder die Hand zurückziehen, wenn seine Un¬ mündigen in eine Welt voll Versuchungen und verderblicher Einflüsse eintreten." Diesen Ausführungen kaun man sich nur anschließen. Auch ich bin der Überzeugung, daß eine weitere Gleichgiltigkeit der Arbeitgeber nur durch Zwang, durch die Autorität des Staates gebrochen werden kann. Und meiner Meinung nach liegt es bezüglich der Wohnungsfrage sogar im öffentlichen Interesse, die¬ jenigen Arbeitgeber, die eine größere Zahl von Arbeiterinnen beschäftigen, zur Beschaffung geeigneter Wohnungen zu verpflichten. Selbstverständlich würden dann auch alle diejenigen Arbeiterinnen angehalten werden müssen, in den von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/91>, abgerufen am 24.08.2024.