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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die Gebietsentwicklung der Linzelstaatcn Deutschlands.

Karls des Kühnen, das burgundische Erbe behauptet, bis auf das Herzogtum
Burgund (ig. Leni-AOANö), das Ludwig XI. an sich riß. Beim Tode Friedrichs Hi.
waren, außer jenen schönen und reichen Provinzen im Westen des Reiches,
alle Erdtaube des ErzHauses in den Händen seines Sohnes und Nachfolgers
vereinigt.

Die Gebiete, welche Maximilian durch diese Heirat mit Maria an sich
und sein Hans brachte, waren sicherlich allein schon bedeutend genug, um das
fortan so oft auf Österreich angewandte Wort zu rechtfertigen:


ZZollg, gMWt alii, w, doux ^UZtria, nudo!*)

Eine noch glänzendere Partie machte jedoch der Sohn, der dieser Ehe ent¬
sproß, Philipp der Schöne von Österreich. Er vermählte sich mit Johanna,
die wegen ihrer später ausbrechenden unheilbaren Geisteskrankheit die Wahn¬
sinnige genannt wurde. Diese, die Tochter Ferdinands des Katholischen von
Aragonien und der Königin Jsabella von Castilien, brachte ihrem Gatten als
Mitgift die Anwartschaft auf die Erbschaft der eben vereinigten spanischen
Reiche und der unermeßlichen überseeischen Lande mit ihren fabelhaften Schätzen.
Die Ehe selbst war allerdings nichts weniger als glücklich; der junge, lebens¬
lustige Erzherzog, gewöhnt an die fröhlichen und ungebundenen Sitten der
Niederlande, langweilte sich zu sehr in dem steifen, bigotten Spanien; seiner
Gemahlin, die den Mangel an allen Vorzügen des Körpers und des Geistes
nicht durch die geradezu überschwängliche Zärtlichkeit und Vergötterung, die
sie ihm entgegenbrachte, ersetzen konnte, scheint er überreichlicher Grund zur
Eifersucht gegeben zu haben. Auch sonst behandelte er sie kalt und rücksichtslos.
Als er wider den Wunsch seiner Gattin, die der Geburt ihres zweiten Kindes
entgegensah, und wider den Wunsch ihrer Eltern plötzlich allein nach den Nieder¬
landen reifte, zeigte sich bei der unglücklichen Johanna zum ersten Male jene
entsetzliche Krankheit, die erst nachließ, als sie ihrem angebeteten Gemahl nach
Brüssel folgen konnte. Philipp selbst trat eigentlich gar nicht in den Besitz
des reichen Erbes seiner Gattin; zwar führte er zwei Jahre lang, nach dem Tode Jsa-
bellas, den Titel eines Königs von Castilien; aber die eigentliche Regierungsgewalt
lag mehr in den Händen des überlebenden Ferdinand von Aragonien als in
den seinigen. Dann raffte ihn ein plötzlicher Tod dahin, der seine Gattin,
welche sich nicht einmal von der Leiche des schönen Toten trennen wollte, in
die düsterste Geistesumnachtung versetzte, die durch keinen Lichtstrahl mehr erhellt
wurde. Dem ältesten Sohne aus dieser Ehe, Karl, dem nachmals so berühmten
Karl V., sielen nach dem Tode seines Großvaters Ferdinand (1516) die Kronen
von Kcistilien und Leon, von Aragonien und seinen Nebenländern, Neapel,
Sizilien und Sardinien, und dazu die reichen Besitzungen in beiden Indien als
einzigem Erben zu. Als drei Jahre später (1619) sein Urgroßvater väterlicher-



*) Kriege mögen Andere führen, du, glückliches Österreich, heirate!
Grenzboten IV. 1833. 10
Die Gebietsentwicklung der Linzelstaatcn Deutschlands.

Karls des Kühnen, das burgundische Erbe behauptet, bis auf das Herzogtum
Burgund (ig. Leni-AOANö), das Ludwig XI. an sich riß. Beim Tode Friedrichs Hi.
waren, außer jenen schönen und reichen Provinzen im Westen des Reiches,
alle Erdtaube des ErzHauses in den Händen seines Sohnes und Nachfolgers
vereinigt.

Die Gebiete, welche Maximilian durch diese Heirat mit Maria an sich
und sein Hans brachte, waren sicherlich allein schon bedeutend genug, um das
fortan so oft auf Österreich angewandte Wort zu rechtfertigen:


ZZollg, gMWt alii, w, doux ^UZtria, nudo!*)

Eine noch glänzendere Partie machte jedoch der Sohn, der dieser Ehe ent¬
sproß, Philipp der Schöne von Österreich. Er vermählte sich mit Johanna,
die wegen ihrer später ausbrechenden unheilbaren Geisteskrankheit die Wahn¬
sinnige genannt wurde. Diese, die Tochter Ferdinands des Katholischen von
Aragonien und der Königin Jsabella von Castilien, brachte ihrem Gatten als
Mitgift die Anwartschaft auf die Erbschaft der eben vereinigten spanischen
Reiche und der unermeßlichen überseeischen Lande mit ihren fabelhaften Schätzen.
Die Ehe selbst war allerdings nichts weniger als glücklich; der junge, lebens¬
lustige Erzherzog, gewöhnt an die fröhlichen und ungebundenen Sitten der
Niederlande, langweilte sich zu sehr in dem steifen, bigotten Spanien; seiner
Gemahlin, die den Mangel an allen Vorzügen des Körpers und des Geistes
nicht durch die geradezu überschwängliche Zärtlichkeit und Vergötterung, die
sie ihm entgegenbrachte, ersetzen konnte, scheint er überreichlicher Grund zur
Eifersucht gegeben zu haben. Auch sonst behandelte er sie kalt und rücksichtslos.
Als er wider den Wunsch seiner Gattin, die der Geburt ihres zweiten Kindes
entgegensah, und wider den Wunsch ihrer Eltern plötzlich allein nach den Nieder¬
landen reifte, zeigte sich bei der unglücklichen Johanna zum ersten Male jene
entsetzliche Krankheit, die erst nachließ, als sie ihrem angebeteten Gemahl nach
Brüssel folgen konnte. Philipp selbst trat eigentlich gar nicht in den Besitz
des reichen Erbes seiner Gattin; zwar führte er zwei Jahre lang, nach dem Tode Jsa-
bellas, den Titel eines Königs von Castilien; aber die eigentliche Regierungsgewalt
lag mehr in den Händen des überlebenden Ferdinand von Aragonien als in
den seinigen. Dann raffte ihn ein plötzlicher Tod dahin, der seine Gattin,
welche sich nicht einmal von der Leiche des schönen Toten trennen wollte, in
die düsterste Geistesumnachtung versetzte, die durch keinen Lichtstrahl mehr erhellt
wurde. Dem ältesten Sohne aus dieser Ehe, Karl, dem nachmals so berühmten
Karl V., sielen nach dem Tode seines Großvaters Ferdinand (1516) die Kronen
von Kcistilien und Leon, von Aragonien und seinen Nebenländern, Neapel,
Sizilien und Sardinien, und dazu die reichen Besitzungen in beiden Indien als
einzigem Erben zu. Als drei Jahre später (1619) sein Urgroßvater väterlicher-



*) Kriege mögen Andere führen, du, glückliches Österreich, heirate!
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[0081] Die Gebietsentwicklung der Linzelstaatcn Deutschlands. Karls des Kühnen, das burgundische Erbe behauptet, bis auf das Herzogtum Burgund (ig. Leni-AOANö), das Ludwig XI. an sich riß. Beim Tode Friedrichs Hi. waren, außer jenen schönen und reichen Provinzen im Westen des Reiches, alle Erdtaube des ErzHauses in den Händen seines Sohnes und Nachfolgers vereinigt. Die Gebiete, welche Maximilian durch diese Heirat mit Maria an sich und sein Hans brachte, waren sicherlich allein schon bedeutend genug, um das fortan so oft auf Österreich angewandte Wort zu rechtfertigen: ZZollg, gMWt alii, w, doux ^UZtria, nudo!*) Eine noch glänzendere Partie machte jedoch der Sohn, der dieser Ehe ent¬ sproß, Philipp der Schöne von Österreich. Er vermählte sich mit Johanna, die wegen ihrer später ausbrechenden unheilbaren Geisteskrankheit die Wahn¬ sinnige genannt wurde. Diese, die Tochter Ferdinands des Katholischen von Aragonien und der Königin Jsabella von Castilien, brachte ihrem Gatten als Mitgift die Anwartschaft auf die Erbschaft der eben vereinigten spanischen Reiche und der unermeßlichen überseeischen Lande mit ihren fabelhaften Schätzen. Die Ehe selbst war allerdings nichts weniger als glücklich; der junge, lebens¬ lustige Erzherzog, gewöhnt an die fröhlichen und ungebundenen Sitten der Niederlande, langweilte sich zu sehr in dem steifen, bigotten Spanien; seiner Gemahlin, die den Mangel an allen Vorzügen des Körpers und des Geistes nicht durch die geradezu überschwängliche Zärtlichkeit und Vergötterung, die sie ihm entgegenbrachte, ersetzen konnte, scheint er überreichlicher Grund zur Eifersucht gegeben zu haben. Auch sonst behandelte er sie kalt und rücksichtslos. Als er wider den Wunsch seiner Gattin, die der Geburt ihres zweiten Kindes entgegensah, und wider den Wunsch ihrer Eltern plötzlich allein nach den Nieder¬ landen reifte, zeigte sich bei der unglücklichen Johanna zum ersten Male jene entsetzliche Krankheit, die erst nachließ, als sie ihrem angebeteten Gemahl nach Brüssel folgen konnte. Philipp selbst trat eigentlich gar nicht in den Besitz des reichen Erbes seiner Gattin; zwar führte er zwei Jahre lang, nach dem Tode Jsa- bellas, den Titel eines Königs von Castilien; aber die eigentliche Regierungsgewalt lag mehr in den Händen des überlebenden Ferdinand von Aragonien als in den seinigen. Dann raffte ihn ein plötzlicher Tod dahin, der seine Gattin, welche sich nicht einmal von der Leiche des schönen Toten trennen wollte, in die düsterste Geistesumnachtung versetzte, die durch keinen Lichtstrahl mehr erhellt wurde. Dem ältesten Sohne aus dieser Ehe, Karl, dem nachmals so berühmten Karl V., sielen nach dem Tode seines Großvaters Ferdinand (1516) die Kronen von Kcistilien und Leon, von Aragonien und seinen Nebenländern, Neapel, Sizilien und Sardinien, und dazu die reichen Besitzungen in beiden Indien als einzigem Erben zu. Als drei Jahre später (1619) sein Urgroßvater väterlicher- *) Kriege mögen Andere führen, du, glückliches Österreich, heirate! Grenzboten IV. 1833. 10

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/81>, abgerufen am 22.07.2024.