Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die privaMage.

widerraten. Ein solcher Beschluß wäre wohl den meisten der praktischen Juristen,
die mit der Privatklage zu thun haben, aus der Seele gesprochen gewesen.

Nach Z 404 der Strafprozeßordnung können jetzt Beleidigungen und Körper¬
verletzungen, soweit die Verfolgung nur auf Antrag eintritt, von dem Verletzten
ans dem Wege der Privatklage verfolgt werden, ohne daß es einer vorgängigen
Anrufung der Staatsanwaltschaft bedarf. Der Entwurf zur Strafproze߬
ordnung hatte neben dieser sogenannten Prinzipalen Privatklage, die jedem Ver¬
letzten ganz unabhängig von einer vorherigen Anrufung der Staatsanwaltschaft
in den bezeichneten Fällen gegeben ist, noch die sogenannte subsidiäre Privat¬
klage in sein System aufgenommen. Die letztere sollte bei allen Antragsdelikten,
soweit sie nicht mit der Prinzipalen Privatklage verfolgbar sind, statthaft sein.
Die mit der Beratung des Entwurfes betraute Reichstagskommission beseitigte
indessen die subsidiäre Privatklage. Während der Entwurf durch Aufnahme der
subsidiären Privatkiage bei Antragsdelikten jedem Verletzten das Recht gewährte,
dann, wenn die vorher anzugehende Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung
abgelehnt hatte, selbständig auf dem Wege der Privatklage vorzugehen, beschränkte
die Rcichstagskommission das Anklagerecht des Verletzten auf die Fälle der
Prinzipalen Privatklage und erweiterte dementsprechend das Anklagemonopol der
Staatsanwaltschaft, das jetzt, abgesehen von Beleidigungen und leichten Körper¬
verletzungen, grundsätzlich ganz uneingeengt besteht. Um jedoch den Verletzten,
die bei der Strafverfolgung der gegen sie verübten Missethaten oft wesentlich
beteiligt sind, nicht ganz von der Entschließung der zuständigen Staatsanwalt¬
schaft abhängig zu machen, um ihm eine Einwirkung auf diese Entschließung zu
sichern, nahm man in das Gesetz die §Z 169 und 170 auf. Hiernach hat die
Staatsanwaltschaft, falls sie das Verfahren einstellt oder einem bei ihr ange¬
brachten Antrage auf Erhebung der öffentlichen Klage keine Folge giebt, den
Antragsteller unter Angabe der Gründe zu bescheiden. Ist der Antragsteller
zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen diesen Bescheid binnen zwei Wochen
nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staats¬
anwaltschaft, und gegen dessen ablehnenden Bescheid binnen einem Monat nach
der Bekanntmachung der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu. Erachtet das
Gericht den Antrag für begründet, so beschließt es die Erhebung der öffentlichen
Klage. Die Durchführung dieses Beschlusses liegt der Staatsanwaltschaft ob.
Man sieht, das Anklagemvnopol steht, obwohl es grundsätzlich durchgeführt ist,
in seiner Ausübung unter richterlicher Aufsicht, ja noch mehr, es unterliegt
der richterlichen Entscheidung, es ist alle nur mögliche Bürgschaft gegen eine
mißbräuchliche Anwendung desselben gegeben. Wenn trotzdem die Ausdehnung
der Privatklage, und zwar der Prinzipalen, auf noch andre Strafthaten als
Beleidigungen und leichte Körperverletzungen, insbesondre auf Sachbeschädigung,
Hausfriedensbruch und gar auf die sogenannte gefährliche Körperverletzung des
Z 223 a, angestrebt wird, so kann das nur auf einer vollständigen Verkennunq


Grenzboten IV. 1888. 9
Die privaMage.

widerraten. Ein solcher Beschluß wäre wohl den meisten der praktischen Juristen,
die mit der Privatklage zu thun haben, aus der Seele gesprochen gewesen.

Nach Z 404 der Strafprozeßordnung können jetzt Beleidigungen und Körper¬
verletzungen, soweit die Verfolgung nur auf Antrag eintritt, von dem Verletzten
ans dem Wege der Privatklage verfolgt werden, ohne daß es einer vorgängigen
Anrufung der Staatsanwaltschaft bedarf. Der Entwurf zur Strafproze߬
ordnung hatte neben dieser sogenannten Prinzipalen Privatklage, die jedem Ver¬
letzten ganz unabhängig von einer vorherigen Anrufung der Staatsanwaltschaft
in den bezeichneten Fällen gegeben ist, noch die sogenannte subsidiäre Privat¬
klage in sein System aufgenommen. Die letztere sollte bei allen Antragsdelikten,
soweit sie nicht mit der Prinzipalen Privatklage verfolgbar sind, statthaft sein.
Die mit der Beratung des Entwurfes betraute Reichstagskommission beseitigte
indessen die subsidiäre Privatklage. Während der Entwurf durch Aufnahme der
subsidiären Privatkiage bei Antragsdelikten jedem Verletzten das Recht gewährte,
dann, wenn die vorher anzugehende Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung
abgelehnt hatte, selbständig auf dem Wege der Privatklage vorzugehen, beschränkte
die Rcichstagskommission das Anklagerecht des Verletzten auf die Fälle der
Prinzipalen Privatklage und erweiterte dementsprechend das Anklagemonopol der
Staatsanwaltschaft, das jetzt, abgesehen von Beleidigungen und leichten Körper¬
verletzungen, grundsätzlich ganz uneingeengt besteht. Um jedoch den Verletzten,
die bei der Strafverfolgung der gegen sie verübten Missethaten oft wesentlich
beteiligt sind, nicht ganz von der Entschließung der zuständigen Staatsanwalt¬
schaft abhängig zu machen, um ihm eine Einwirkung auf diese Entschließung zu
sichern, nahm man in das Gesetz die §Z 169 und 170 auf. Hiernach hat die
Staatsanwaltschaft, falls sie das Verfahren einstellt oder einem bei ihr ange¬
brachten Antrage auf Erhebung der öffentlichen Klage keine Folge giebt, den
Antragsteller unter Angabe der Gründe zu bescheiden. Ist der Antragsteller
zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen diesen Bescheid binnen zwei Wochen
nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staats¬
anwaltschaft, und gegen dessen ablehnenden Bescheid binnen einem Monat nach
der Bekanntmachung der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu. Erachtet das
Gericht den Antrag für begründet, so beschließt es die Erhebung der öffentlichen
Klage. Die Durchführung dieses Beschlusses liegt der Staatsanwaltschaft ob.
Man sieht, das Anklagemvnopol steht, obwohl es grundsätzlich durchgeführt ist,
in seiner Ausübung unter richterlicher Aufsicht, ja noch mehr, es unterliegt
der richterlichen Entscheidung, es ist alle nur mögliche Bürgschaft gegen eine
mißbräuchliche Anwendung desselben gegeben. Wenn trotzdem die Ausdehnung
der Privatklage, und zwar der Prinzipalen, auf noch andre Strafthaten als
Beleidigungen und leichte Körperverletzungen, insbesondre auf Sachbeschädigung,
Hausfriedensbruch und gar auf die sogenannte gefährliche Körperverletzung des
Z 223 a, angestrebt wird, so kann das nur auf einer vollständigen Verkennunq


Grenzboten IV. 1888. 9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0073" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203508"/>
          <fw type="header" place="top"> Die privaMage.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_154" prev="#ID_153"> widerraten. Ein solcher Beschluß wäre wohl den meisten der praktischen Juristen,<lb/>
die mit der Privatklage zu thun haben, aus der Seele gesprochen gewesen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_155" next="#ID_156"> Nach Z 404 der Strafprozeßordnung können jetzt Beleidigungen und Körper¬<lb/>
verletzungen, soweit die Verfolgung nur auf Antrag eintritt, von dem Verletzten<lb/>
ans dem Wege der Privatklage verfolgt werden, ohne daß es einer vorgängigen<lb/>
Anrufung der Staatsanwaltschaft bedarf. Der Entwurf zur Strafproze߬<lb/>
ordnung hatte neben dieser sogenannten Prinzipalen Privatklage, die jedem Ver¬<lb/>
letzten ganz unabhängig von einer vorherigen Anrufung der Staatsanwaltschaft<lb/>
in den bezeichneten Fällen gegeben ist, noch die sogenannte subsidiäre Privat¬<lb/>
klage in sein System aufgenommen. Die letztere sollte bei allen Antragsdelikten,<lb/>
soweit sie nicht mit der Prinzipalen Privatklage verfolgbar sind, statthaft sein.<lb/>
Die mit der Beratung des Entwurfes betraute Reichstagskommission beseitigte<lb/>
indessen die subsidiäre Privatklage. Während der Entwurf durch Aufnahme der<lb/>
subsidiären Privatkiage bei Antragsdelikten jedem Verletzten das Recht gewährte,<lb/>
dann, wenn die vorher anzugehende Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung<lb/>
abgelehnt hatte, selbständig auf dem Wege der Privatklage vorzugehen, beschränkte<lb/>
die Rcichstagskommission das Anklagerecht des Verletzten auf die Fälle der<lb/>
Prinzipalen Privatklage und erweiterte dementsprechend das Anklagemonopol der<lb/>
Staatsanwaltschaft, das jetzt, abgesehen von Beleidigungen und leichten Körper¬<lb/>
verletzungen, grundsätzlich ganz uneingeengt besteht. Um jedoch den Verletzten,<lb/>
die bei der Strafverfolgung der gegen sie verübten Missethaten oft wesentlich<lb/>
beteiligt sind, nicht ganz von der Entschließung der zuständigen Staatsanwalt¬<lb/>
schaft abhängig zu machen, um ihm eine Einwirkung auf diese Entschließung zu<lb/>
sichern, nahm man in das Gesetz die §Z 169 und 170 auf. Hiernach hat die<lb/>
Staatsanwaltschaft, falls sie das Verfahren einstellt oder einem bei ihr ange¬<lb/>
brachten Antrage auf Erhebung der öffentlichen Klage keine Folge giebt, den<lb/>
Antragsteller unter Angabe der Gründe zu bescheiden. Ist der Antragsteller<lb/>
zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen diesen Bescheid binnen zwei Wochen<lb/>
nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staats¬<lb/>
anwaltschaft, und gegen dessen ablehnenden Bescheid binnen einem Monat nach<lb/>
der Bekanntmachung der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu. Erachtet das<lb/>
Gericht den Antrag für begründet, so beschließt es die Erhebung der öffentlichen<lb/>
Klage. Die Durchführung dieses Beschlusses liegt der Staatsanwaltschaft ob.<lb/>
Man sieht, das Anklagemvnopol steht, obwohl es grundsätzlich durchgeführt ist,<lb/>
in seiner Ausübung unter richterlicher Aufsicht, ja noch mehr, es unterliegt<lb/>
der richterlichen Entscheidung, es ist alle nur mögliche Bürgschaft gegen eine<lb/>
mißbräuchliche Anwendung desselben gegeben. Wenn trotzdem die Ausdehnung<lb/>
der Privatklage, und zwar der Prinzipalen, auf noch andre Strafthaten als<lb/>
Beleidigungen und leichte Körperverletzungen, insbesondre auf Sachbeschädigung,<lb/>
Hausfriedensbruch und gar auf die sogenannte gefährliche Körperverletzung des<lb/>
Z 223 a, angestrebt wird, so kann das nur auf einer vollständigen Verkennunq</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1888. 9</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0073] Die privaMage. widerraten. Ein solcher Beschluß wäre wohl den meisten der praktischen Juristen, die mit der Privatklage zu thun haben, aus der Seele gesprochen gewesen. Nach Z 404 der Strafprozeßordnung können jetzt Beleidigungen und Körper¬ verletzungen, soweit die Verfolgung nur auf Antrag eintritt, von dem Verletzten ans dem Wege der Privatklage verfolgt werden, ohne daß es einer vorgängigen Anrufung der Staatsanwaltschaft bedarf. Der Entwurf zur Strafproze߬ ordnung hatte neben dieser sogenannten Prinzipalen Privatklage, die jedem Ver¬ letzten ganz unabhängig von einer vorherigen Anrufung der Staatsanwaltschaft in den bezeichneten Fällen gegeben ist, noch die sogenannte subsidiäre Privat¬ klage in sein System aufgenommen. Die letztere sollte bei allen Antragsdelikten, soweit sie nicht mit der Prinzipalen Privatklage verfolgbar sind, statthaft sein. Die mit der Beratung des Entwurfes betraute Reichstagskommission beseitigte indessen die subsidiäre Privatklage. Während der Entwurf durch Aufnahme der subsidiären Privatkiage bei Antragsdelikten jedem Verletzten das Recht gewährte, dann, wenn die vorher anzugehende Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung abgelehnt hatte, selbständig auf dem Wege der Privatklage vorzugehen, beschränkte die Rcichstagskommission das Anklagerecht des Verletzten auf die Fälle der Prinzipalen Privatklage und erweiterte dementsprechend das Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft, das jetzt, abgesehen von Beleidigungen und leichten Körper¬ verletzungen, grundsätzlich ganz uneingeengt besteht. Um jedoch den Verletzten, die bei der Strafverfolgung der gegen sie verübten Missethaten oft wesentlich beteiligt sind, nicht ganz von der Entschließung der zuständigen Staatsanwalt¬ schaft abhängig zu machen, um ihm eine Einwirkung auf diese Entschließung zu sichern, nahm man in das Gesetz die §Z 169 und 170 auf. Hiernach hat die Staatsanwaltschaft, falls sie das Verfahren einstellt oder einem bei ihr ange¬ brachten Antrage auf Erhebung der öffentlichen Klage keine Folge giebt, den Antragsteller unter Angabe der Gründe zu bescheiden. Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen diesen Bescheid binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staats¬ anwaltschaft, und gegen dessen ablehnenden Bescheid binnen einem Monat nach der Bekanntmachung der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu. Erachtet das Gericht den Antrag für begründet, so beschließt es die Erhebung der öffentlichen Klage. Die Durchführung dieses Beschlusses liegt der Staatsanwaltschaft ob. Man sieht, das Anklagemvnopol steht, obwohl es grundsätzlich durchgeführt ist, in seiner Ausübung unter richterlicher Aufsicht, ja noch mehr, es unterliegt der richterlichen Entscheidung, es ist alle nur mögliche Bürgschaft gegen eine mißbräuchliche Anwendung desselben gegeben. Wenn trotzdem die Ausdehnung der Privatklage, und zwar der Prinzipalen, auf noch andre Strafthaten als Beleidigungen und leichte Körperverletzungen, insbesondre auf Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und gar auf die sogenannte gefährliche Körperverletzung des Z 223 a, angestrebt wird, so kann das nur auf einer vollständigen Verkennunq Grenzboten IV. 1888. 9

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/73
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/73>, abgerufen am 24.08.2024.