Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.Litteratur. Der Bau des Flosses bei der Überschwemmung der Landenge, welche die beiden Zu keinerlei Bedenken, aber auch zu keinem tiefern und bleibenden Eindrucke Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig. Litteratur. Der Bau des Flosses bei der Überschwemmung der Landenge, welche die beiden Zu keinerlei Bedenken, aber auch zu keinem tiefern und bleibenden Eindrucke Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0644" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204079"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1719" prev="#ID_1718"> Der Bau des Flosses bei der Überschwemmung der Landenge, welche die beiden<lb/> Teile des Eilands mit einander verbindet, der erste Besuch Tedas und Aweh im<lb/> Hause Walmot Tjemens, der Gang der Kinder über die Matten zu der kleinen<lb/> Insel, die nur von Möven bewohnt wird, und das Kinderspiel ans diesem Robinson¬<lb/> eilande, der gefährliche Rückweg bei der heranschwellcnden Flut, das erste leise Zer¬<lb/> würfnis zwischen Teta und Freda nach dem Vorzüge, den Uwe der letztem bei<lb/> diesem Rückwege gegeben, das alles ist mit sichern und feinen Zügen und mit der<lb/> vollen poetischen Stimmung wiedergegeben, die Imsen zu Gebote steht. Die leise<lb/> Schürzung der Fäden ist vortrefflich, die spätere Lösung der Knoten hie und da<lb/> etwas gewaltsam. Die Uebergänge nicht sowohl der Handlung als vielmehr der<lb/> psychologischen Entwicklung bekommen gegen den Schluß der Erzählung hin etwas<lb/> sprunghaftes. Die äußern Ereignisse steigern den längst dumpf empfundenen leiden¬<lb/> schaftlichen Haß Tedas gegen Freda in jäher Weise und verhcißlichcn ihren Charakter<lb/> bis zur Rohheit. Daneben erscheinen die Vorgänge zu gedrängt und nicht mehr<lb/> in dem Maße überzeugend, wie im Beginn des Romanes. Ein phantastisch aben¬<lb/> teuerliches Element, das gewisse Teile der Handlung mehr wirren Träumen als<lb/> thatsächlichen Begebnissen gleichen läßt, ein Element übrigens, das beinahe in keinem<lb/> der größern Romane Jcnsens ganz fehlt, drängt sich auch in die Erzählung „Runen-<lb/> steine" hinein. Die gut erfundene Schlußkatastrophe gelangt nicht zu so anschaulicher<lb/> Ausgestaltung wie das Frühere, der Dichter fällt in deu prosaischen Berichtston,<lb/> über den er sich allerdings wieder in schönen Einzelheiten erhebt. Die Einkleidung<lb/> des Ganzen in die Begegnung mit Holting Terborg (ehedem Uwe Folmars) und<lb/> der Kenntnisnahme von dessen Aufzeichnungen hat eben auch nur den Vorteil zum<lb/> Schlüsse, über manches berichten und Betrachtungen anstellen zu können, was den<lb/> Gang objektiver Darstellung wesentlich verlängert haben würde. Die Leserwelt,<lb/> die wenig gewöhnt ist, im Romane ein dichterisches Kunstwerk zu erblicken, die<lb/> im Grunde nur darnach fragt, ob der Schriftsteller spannend und interessant zu<lb/> erzählen wisse, wird alle diese Bemerkungen überflüssig finden und in ihrem Hunger<lb/> nach Neuem für das neueste Buch dankbar sein. Aber die Mehrzahl von Jensens<lb/> Schöpfungen und unter ihnen auch wieder die „Runensteine" haben ein Recht, mit<lb/> anderm Maßstabe gemessen zu werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1720"> Zu keinerlei Bedenken, aber auch zu keinem tiefern und bleibenden Eindrucke<lb/> geben die „Vier Weihnachtserzählungen" Anlaß. Sie sind alle ans jener Stimmung<lb/> der deutschen Volksseele geboren, die an die fröhliche Weihnachtszeit gern das<lb/> Beste des Lebens: glückliche Schicksalswendungen, versöhnende Begegnungen, heil¬<lb/> same Selbsterkenntnisse und Entschlüsse anknüpft und im Strahle der Christbaum-<lb/> kerzcn einen Abglanz göttlichen Lichtes erblickt. Die besten unter ihnen, die echt<lb/> weihnachtlichen Hauch und Duft haben, sind „Eine Weihnachtsfahrt" und „Ein<lb/> weißes Haar," Erzählungen, über die der pessimistische Naturalist ein Hohngelächter<lb/> aufschlagen wird, die aber im Grund und Kern ihrer Empfindung und Erfindung<lb/> vollkommen lebenswahr und lebenswarm sind. Etwas gespenstig und ein wenig an<lb/> die verhallte Weise E. T. A. Hoffmanns anklingend ist die Schlußerzählung „Eine<lb/> Schachpartie," während die Erzählung „Droben im Wald" hart an der Grenze<lb/> des Möglichen steht. Im Vortrag zeichnen sich alle durch eine liebenswürdige Ein¬<lb/> fachheit aus. Diese Einfachheit ist uns eine Bürgschaft, daß auch in größeren<lb/> Schöpfungen Imsen sein letztes Wort noch nicht gesprochen hat.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.<lb/> Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0644]
Litteratur.
Der Bau des Flosses bei der Überschwemmung der Landenge, welche die beiden
Teile des Eilands mit einander verbindet, der erste Besuch Tedas und Aweh im
Hause Walmot Tjemens, der Gang der Kinder über die Matten zu der kleinen
Insel, die nur von Möven bewohnt wird, und das Kinderspiel ans diesem Robinson¬
eilande, der gefährliche Rückweg bei der heranschwellcnden Flut, das erste leise Zer¬
würfnis zwischen Teta und Freda nach dem Vorzüge, den Uwe der letztem bei
diesem Rückwege gegeben, das alles ist mit sichern und feinen Zügen und mit der
vollen poetischen Stimmung wiedergegeben, die Imsen zu Gebote steht. Die leise
Schürzung der Fäden ist vortrefflich, die spätere Lösung der Knoten hie und da
etwas gewaltsam. Die Uebergänge nicht sowohl der Handlung als vielmehr der
psychologischen Entwicklung bekommen gegen den Schluß der Erzählung hin etwas
sprunghaftes. Die äußern Ereignisse steigern den längst dumpf empfundenen leiden¬
schaftlichen Haß Tedas gegen Freda in jäher Weise und verhcißlichcn ihren Charakter
bis zur Rohheit. Daneben erscheinen die Vorgänge zu gedrängt und nicht mehr
in dem Maße überzeugend, wie im Beginn des Romanes. Ein phantastisch aben¬
teuerliches Element, das gewisse Teile der Handlung mehr wirren Träumen als
thatsächlichen Begebnissen gleichen läßt, ein Element übrigens, das beinahe in keinem
der größern Romane Jcnsens ganz fehlt, drängt sich auch in die Erzählung „Runen-
steine" hinein. Die gut erfundene Schlußkatastrophe gelangt nicht zu so anschaulicher
Ausgestaltung wie das Frühere, der Dichter fällt in deu prosaischen Berichtston,
über den er sich allerdings wieder in schönen Einzelheiten erhebt. Die Einkleidung
des Ganzen in die Begegnung mit Holting Terborg (ehedem Uwe Folmars) und
der Kenntnisnahme von dessen Aufzeichnungen hat eben auch nur den Vorteil zum
Schlüsse, über manches berichten und Betrachtungen anstellen zu können, was den
Gang objektiver Darstellung wesentlich verlängert haben würde. Die Leserwelt,
die wenig gewöhnt ist, im Romane ein dichterisches Kunstwerk zu erblicken, die
im Grunde nur darnach fragt, ob der Schriftsteller spannend und interessant zu
erzählen wisse, wird alle diese Bemerkungen überflüssig finden und in ihrem Hunger
nach Neuem für das neueste Buch dankbar sein. Aber die Mehrzahl von Jensens
Schöpfungen und unter ihnen auch wieder die „Runensteine" haben ein Recht, mit
anderm Maßstabe gemessen zu werden.
Zu keinerlei Bedenken, aber auch zu keinem tiefern und bleibenden Eindrucke
geben die „Vier Weihnachtserzählungen" Anlaß. Sie sind alle ans jener Stimmung
der deutschen Volksseele geboren, die an die fröhliche Weihnachtszeit gern das
Beste des Lebens: glückliche Schicksalswendungen, versöhnende Begegnungen, heil¬
same Selbsterkenntnisse und Entschlüsse anknüpft und im Strahle der Christbaum-
kerzcn einen Abglanz göttlichen Lichtes erblickt. Die besten unter ihnen, die echt
weihnachtlichen Hauch und Duft haben, sind „Eine Weihnachtsfahrt" und „Ein
weißes Haar," Erzählungen, über die der pessimistische Naturalist ein Hohngelächter
aufschlagen wird, die aber im Grund und Kern ihrer Empfindung und Erfindung
vollkommen lebenswahr und lebenswarm sind. Etwas gespenstig und ein wenig an
die verhallte Weise E. T. A. Hoffmanns anklingend ist die Schlußerzählung „Eine
Schachpartie," während die Erzählung „Droben im Wald" hart an der Grenze
des Möglichen steht. Im Vortrag zeichnen sich alle durch eine liebenswürdige Ein¬
fachheit aus. Diese Einfachheit ist uns eine Bürgschaft, daß auch in größeren
Schöpfungen Imsen sein letztes Wort noch nicht gesprochen hat.
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Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.
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