Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.Halle in der Litteratur. Halle zog sich dann um 1831 der greise Dichter der "Undine" und des "Zauber¬ Da die 1814 uach den napoleonischen Gewaltmaßregeln nen hergestellte Halle in der Litteratur. Halle zog sich dann um 1831 der greise Dichter der „Undine" und des „Zauber¬ Da die 1814 uach den napoleonischen Gewaltmaßregeln nen hergestellte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0565" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204000"/> <fw type="header" place="top"> Halle in der Litteratur.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1446" prev="#ID_1445"> Halle zog sich dann um 1831 der greise Dichter der „Undine" und des „Zauber¬<lb/> rings", der aus übergroßer Geltung in übergroße Geringschätzung und Ver¬<lb/> gessenheit gefallene de la Motte Fouquö zurück und mußte dort freilich erleben,<lb/> daß er als eine Art poetisch-litterarischer Don Quixote, als traurige Ruine<lb/> einer längst vergangenen Zeit betrachtet wurde. In demselben Jahrzehnt, in<lb/> welchem der alte Romantiker seine fadenscheinig gewordene Ritterlichkeit, seine<lb/> künstliche Naivität und seine verblassende Phantasie an den Ufern der Saale<lb/> spazieren führte, entstanden die „Hallischen Jahrbücher" von Rüge und Echtcr¬<lb/> meyer, das kritische Organ der radikalen Jugend, ward von Halle aus die<lb/> freiheitatmende Tendenzdichtung in allen Tonarten gepriesen und gefördert.<lb/> Der Kreis, der sich um Arnold Rüge unmittelbar vereinigt hatte und der die<lb/> Jahrbücher vorzugsweise beseelte, erfuhr viele Jahre später in der Selbst¬<lb/> biographie Ruges „Aus früherer Zeit", in den Erinnerungen von Ad. Stahr<lb/> und anderen Schriften eine lebendige Charakteristik, und es würde nicht schwer<lb/> sein, das Litteraturbild Haltes in den letzten zwanziger und den dreißiger<lb/> Jahren unsers Jahrhunderts mit einer ganzen Reihe von fesselnden Zügen<lb/> auszustatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1447" next="#ID_1448"> Da die 1814 uach den napoleonischen Gewaltmaßregeln nen hergestellte<lb/> Universität einen mächtigen Aufschwung nahm, so hatte auch in diesem Zeitraum<lb/> das gelehrte Halle einen bedeutenden Anteil am Litteraturlebcn, und eine Ge¬<lb/> schichtsentwicklung, in deren Anfang die Hallische Litteraturzeitung und in deren<lb/> Ausgang die Hallischen Jahrbücher standen, hätte ganze Reihen hervorragender<lb/> Universitätslehrer zu verzeichnen. An die Stelle zahlreicher früherer Zeitschriften,<lb/> die in Halle erschienen, suchte nach der achtundvierziger Revolution das „Deutsche<lb/> Museum" zu treten, das zwar in Leipzig gedruckt und verlegt, aber in Halle<lb/> von Robert Prutz redigirt wurde. Die poetischen Stndenteuvereinigungen, die<lb/> der Hallischen Universität von Pyra und Gleim an eigentümlich gewesen waren,<lb/> setzten sich bis in die neueste Zeit fort, und noch im fünften Jahrzehnt sammelte<lb/> sich eine solche, der u. a. Otto Roquette, Julius Grosse, August Förster, (der<lb/> gegenwärtige Direktor des Wiener Hofburgtheaters) angehörten, um den liebens¬<lb/> würdigen, feinsinnigen Shakespeareforscher Julius Thümmel, der nachmals der<lb/> Hochschule Jahrzehnte lang als Universitätsrichter und den geselligen Kreisen<lb/> der Stadt als eine litterarisch und künstlerisch vielseitig gebildete Persönlichkeit<lb/> treu blieb. Ein bleibendes poetisches Zeugnis der Bestrebungen dieses Kreises<lb/> ist Otto Noquettes weitverbreitetes Märchen „Waldmeisters Brautfahrt", während<lb/> noch zwei Jahrzehnte später die reizenden „Träumereien an französischen Kaminen"<lb/> von Richard Leander erwiesen, daß der Hallische Boden der feinen Märchenpoesie<lb/> fortdauernd günstig blieb. Neben den litterarischen Überlieferungen, die aus<lb/> den Kreisen der Anakreontikcr bis auf unsre Tage gelangten, wurden natürlich<lb/> anch diejenigen weiter gebildet, die aus den Kreisen des Hallischen Waisenhauses<lb/> und der mit ihm verbundnen Anstalten stammten. Litterarische Denkmale der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0565]
Halle in der Litteratur.
Halle zog sich dann um 1831 der greise Dichter der „Undine" und des „Zauber¬
rings", der aus übergroßer Geltung in übergroße Geringschätzung und Ver¬
gessenheit gefallene de la Motte Fouquö zurück und mußte dort freilich erleben,
daß er als eine Art poetisch-litterarischer Don Quixote, als traurige Ruine
einer längst vergangenen Zeit betrachtet wurde. In demselben Jahrzehnt, in
welchem der alte Romantiker seine fadenscheinig gewordene Ritterlichkeit, seine
künstliche Naivität und seine verblassende Phantasie an den Ufern der Saale
spazieren führte, entstanden die „Hallischen Jahrbücher" von Rüge und Echtcr¬
meyer, das kritische Organ der radikalen Jugend, ward von Halle aus die
freiheitatmende Tendenzdichtung in allen Tonarten gepriesen und gefördert.
Der Kreis, der sich um Arnold Rüge unmittelbar vereinigt hatte und der die
Jahrbücher vorzugsweise beseelte, erfuhr viele Jahre später in der Selbst¬
biographie Ruges „Aus früherer Zeit", in den Erinnerungen von Ad. Stahr
und anderen Schriften eine lebendige Charakteristik, und es würde nicht schwer
sein, das Litteraturbild Haltes in den letzten zwanziger und den dreißiger
Jahren unsers Jahrhunderts mit einer ganzen Reihe von fesselnden Zügen
auszustatten.
Da die 1814 uach den napoleonischen Gewaltmaßregeln nen hergestellte
Universität einen mächtigen Aufschwung nahm, so hatte auch in diesem Zeitraum
das gelehrte Halle einen bedeutenden Anteil am Litteraturlebcn, und eine Ge¬
schichtsentwicklung, in deren Anfang die Hallische Litteraturzeitung und in deren
Ausgang die Hallischen Jahrbücher standen, hätte ganze Reihen hervorragender
Universitätslehrer zu verzeichnen. An die Stelle zahlreicher früherer Zeitschriften,
die in Halle erschienen, suchte nach der achtundvierziger Revolution das „Deutsche
Museum" zu treten, das zwar in Leipzig gedruckt und verlegt, aber in Halle
von Robert Prutz redigirt wurde. Die poetischen Stndenteuvereinigungen, die
der Hallischen Universität von Pyra und Gleim an eigentümlich gewesen waren,
setzten sich bis in die neueste Zeit fort, und noch im fünften Jahrzehnt sammelte
sich eine solche, der u. a. Otto Roquette, Julius Grosse, August Förster, (der
gegenwärtige Direktor des Wiener Hofburgtheaters) angehörten, um den liebens¬
würdigen, feinsinnigen Shakespeareforscher Julius Thümmel, der nachmals der
Hochschule Jahrzehnte lang als Universitätsrichter und den geselligen Kreisen
der Stadt als eine litterarisch und künstlerisch vielseitig gebildete Persönlichkeit
treu blieb. Ein bleibendes poetisches Zeugnis der Bestrebungen dieses Kreises
ist Otto Noquettes weitverbreitetes Märchen „Waldmeisters Brautfahrt", während
noch zwei Jahrzehnte später die reizenden „Träumereien an französischen Kaminen"
von Richard Leander erwiesen, daß der Hallische Boden der feinen Märchenpoesie
fortdauernd günstig blieb. Neben den litterarischen Überlieferungen, die aus
den Kreisen der Anakreontikcr bis auf unsre Tage gelangten, wurden natürlich
anch diejenigen weiter gebildet, die aus den Kreisen des Hallischen Waisenhauses
und der mit ihm verbundnen Anstalten stammten. Litterarische Denkmale der
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