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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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den Fall einer wirksamen Blockade französische Schiffe wegen Verdachts von
Waffenschmuggcl durchsuchen lassen will, aber auf offner See und in Bezug auf
den Handel mit Sklaven räumt sie dieses Durchsuchungsrecht nur den eignen
Fahrzeugen ein lind beschränkt es auf Schiffe unter französischer Flagge . . . .
Nun wird die Frage erlaubt sein, ob wir wohl daran thun, Deutschland und
England unsern Beistand angedeihen zu lassen? Wir erblicken hier keinerlei
Bedenken. Es handelt sich um ein Unternehmen, das unsern edelsten Gefühlen
entspricht. Warum sollten wir beiseite bleiben? Es ist allerdings wahr, daß
Deutschland sich in seinen ostafrikanischen Besitzungen befestigen wird. Aber
um so besser für Deutschland. Welches Interesse hätten wir daran, es zu
hindern? Möge eS doch ebenfalls die Erfahrungen überseeischer Eroberungen
^Algerien, Senegambien und vor allem das mörderische und kostspielige Tonkingl
durchmachen. Das alles kann uns keinen Schaden bringen. Wir haben seine
Besitzungen anerkannt und empfinden keinen Verdruß, wenn es sich in der
Weise darin fester setzt, in der es ihm beliebt. Für uns beschränkt sich die ganze
Angelegenheit auf sorgfältigere Überwachung der Sklavenhändler, und diese
Aufgabe ehrt uns, und wir haben keinen Beweggrund, uns ihr zu entziehen."

Was die Aufgaben des Deutschen Reichs in der Sache betrifft, so hat sie
vor kurzem ein Vortrag zu bezeichnen versucht, den der Major Liebert vom
großen Generalstabe in der militärischen Gesellschaft zu Berlin über Deutsch-Ost¬
afrika gehalten hat. Hiernach bestünden diese Aufgaben und Ziele ungefähr in
folgendem. Zuvörderst wäre volle Genugthuung für die Ermordung deutscher
Unterthanen und für die vielfache Zerstörung deutschen Eigentums, sowie strenge
Bestrafung der Verbrecher anzustreben; in zweiter Reihe wäre sodann auf Unter¬
drückung deS Handels mit Sklaven hinzuwirken, der in diesen Gegenden ge¬
trieben wird. Weiter dürfte sich das Reich nicht einmischen. Die Ausführung
der so beschränkten Aufgaben hätte man sich aber folgendermaßen vorzustellen.
Das kaiserliche Blockadegeschwader bemächtigt sich wieder der uns von den Re¬
bellen entrissenen fünf Vertragshäfen und setzt die Beamten der Ostafrikanischen
Gesellschaft, soweit sie nicht tot sind, von neuem ein. Die Schuldigen werden,
soweit man ihrer habhaft werden kann, gezüchtigt, und an dem Besitz der meu¬
terischen Bevölkerung werden Repressalien geübt, nicht aus Rache, sondern zu
dem Zwecke, sie von künftigen Gewaltthaten abzuschrecken. Die Gesellschaft er¬
hält volle Entschädigung für ihre vernichteten Stationen, Plantagen und Ernten
und zwar durch den Sultan von Sansibar, da er erstens der Landesherr ist
und zweitens die Bürgschaft für den Vertrag übernommen hat, welcher der
Gesellschaft die Verwaltung der Küstenländer und namentlich die Erhebung der
Zölle in den dortigen Hafenplätzen übertrug. Später haben die kaiserlichen
Kriegsschiffe nnr die Küste zu überwachen und zu verhüten, daß von da Sklaven
ausgeführt und dorthin Waffen und Munition verschifft werden. Das Weitere
hat die Deutsch ostafrikanische Gesellschaft selbst in die Hand zu nehmen. Sie


den Fall einer wirksamen Blockade französische Schiffe wegen Verdachts von
Waffenschmuggcl durchsuchen lassen will, aber auf offner See und in Bezug auf
den Handel mit Sklaven räumt sie dieses Durchsuchungsrecht nur den eignen
Fahrzeugen ein lind beschränkt es auf Schiffe unter französischer Flagge . . . .
Nun wird die Frage erlaubt sein, ob wir wohl daran thun, Deutschland und
England unsern Beistand angedeihen zu lassen? Wir erblicken hier keinerlei
Bedenken. Es handelt sich um ein Unternehmen, das unsern edelsten Gefühlen
entspricht. Warum sollten wir beiseite bleiben? Es ist allerdings wahr, daß
Deutschland sich in seinen ostafrikanischen Besitzungen befestigen wird. Aber
um so besser für Deutschland. Welches Interesse hätten wir daran, es zu
hindern? Möge eS doch ebenfalls die Erfahrungen überseeischer Eroberungen
^Algerien, Senegambien und vor allem das mörderische und kostspielige Tonkingl
durchmachen. Das alles kann uns keinen Schaden bringen. Wir haben seine
Besitzungen anerkannt und empfinden keinen Verdruß, wenn es sich in der
Weise darin fester setzt, in der es ihm beliebt. Für uns beschränkt sich die ganze
Angelegenheit auf sorgfältigere Überwachung der Sklavenhändler, und diese
Aufgabe ehrt uns, und wir haben keinen Beweggrund, uns ihr zu entziehen."

Was die Aufgaben des Deutschen Reichs in der Sache betrifft, so hat sie
vor kurzem ein Vortrag zu bezeichnen versucht, den der Major Liebert vom
großen Generalstabe in der militärischen Gesellschaft zu Berlin über Deutsch-Ost¬
afrika gehalten hat. Hiernach bestünden diese Aufgaben und Ziele ungefähr in
folgendem. Zuvörderst wäre volle Genugthuung für die Ermordung deutscher
Unterthanen und für die vielfache Zerstörung deutschen Eigentums, sowie strenge
Bestrafung der Verbrecher anzustreben; in zweiter Reihe wäre sodann auf Unter¬
drückung deS Handels mit Sklaven hinzuwirken, der in diesen Gegenden ge¬
trieben wird. Weiter dürfte sich das Reich nicht einmischen. Die Ausführung
der so beschränkten Aufgaben hätte man sich aber folgendermaßen vorzustellen.
Das kaiserliche Blockadegeschwader bemächtigt sich wieder der uns von den Re¬
bellen entrissenen fünf Vertragshäfen und setzt die Beamten der Ostafrikanischen
Gesellschaft, soweit sie nicht tot sind, von neuem ein. Die Schuldigen werden,
soweit man ihrer habhaft werden kann, gezüchtigt, und an dem Besitz der meu¬
terischen Bevölkerung werden Repressalien geübt, nicht aus Rache, sondern zu
dem Zwecke, sie von künftigen Gewaltthaten abzuschrecken. Die Gesellschaft er¬
hält volle Entschädigung für ihre vernichteten Stationen, Plantagen und Ernten
und zwar durch den Sultan von Sansibar, da er erstens der Landesherr ist
und zweitens die Bürgschaft für den Vertrag übernommen hat, welcher der
Gesellschaft die Verwaltung der Küstenländer und namentlich die Erhebung der
Zölle in den dortigen Hafenplätzen übertrug. Später haben die kaiserlichen
Kriegsschiffe nnr die Küste zu überwachen und zu verhüten, daß von da Sklaven
ausgeführt und dorthin Waffen und Munition verschifft werden. Das Weitere
hat die Deutsch ostafrikanische Gesellschaft selbst in die Hand zu nehmen. Sie


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[0542] den Fall einer wirksamen Blockade französische Schiffe wegen Verdachts von Waffenschmuggcl durchsuchen lassen will, aber auf offner See und in Bezug auf den Handel mit Sklaven räumt sie dieses Durchsuchungsrecht nur den eignen Fahrzeugen ein lind beschränkt es auf Schiffe unter französischer Flagge . . . . Nun wird die Frage erlaubt sein, ob wir wohl daran thun, Deutschland und England unsern Beistand angedeihen zu lassen? Wir erblicken hier keinerlei Bedenken. Es handelt sich um ein Unternehmen, das unsern edelsten Gefühlen entspricht. Warum sollten wir beiseite bleiben? Es ist allerdings wahr, daß Deutschland sich in seinen ostafrikanischen Besitzungen befestigen wird. Aber um so besser für Deutschland. Welches Interesse hätten wir daran, es zu hindern? Möge eS doch ebenfalls die Erfahrungen überseeischer Eroberungen ^Algerien, Senegambien und vor allem das mörderische und kostspielige Tonkingl durchmachen. Das alles kann uns keinen Schaden bringen. Wir haben seine Besitzungen anerkannt und empfinden keinen Verdruß, wenn es sich in der Weise darin fester setzt, in der es ihm beliebt. Für uns beschränkt sich die ganze Angelegenheit auf sorgfältigere Überwachung der Sklavenhändler, und diese Aufgabe ehrt uns, und wir haben keinen Beweggrund, uns ihr zu entziehen." Was die Aufgaben des Deutschen Reichs in der Sache betrifft, so hat sie vor kurzem ein Vortrag zu bezeichnen versucht, den der Major Liebert vom großen Generalstabe in der militärischen Gesellschaft zu Berlin über Deutsch-Ost¬ afrika gehalten hat. Hiernach bestünden diese Aufgaben und Ziele ungefähr in folgendem. Zuvörderst wäre volle Genugthuung für die Ermordung deutscher Unterthanen und für die vielfache Zerstörung deutschen Eigentums, sowie strenge Bestrafung der Verbrecher anzustreben; in zweiter Reihe wäre sodann auf Unter¬ drückung deS Handels mit Sklaven hinzuwirken, der in diesen Gegenden ge¬ trieben wird. Weiter dürfte sich das Reich nicht einmischen. Die Ausführung der so beschränkten Aufgaben hätte man sich aber folgendermaßen vorzustellen. Das kaiserliche Blockadegeschwader bemächtigt sich wieder der uns von den Re¬ bellen entrissenen fünf Vertragshäfen und setzt die Beamten der Ostafrikanischen Gesellschaft, soweit sie nicht tot sind, von neuem ein. Die Schuldigen werden, soweit man ihrer habhaft werden kann, gezüchtigt, und an dem Besitz der meu¬ terischen Bevölkerung werden Repressalien geübt, nicht aus Rache, sondern zu dem Zwecke, sie von künftigen Gewaltthaten abzuschrecken. Die Gesellschaft er¬ hält volle Entschädigung für ihre vernichteten Stationen, Plantagen und Ernten und zwar durch den Sultan von Sansibar, da er erstens der Landesherr ist und zweitens die Bürgschaft für den Vertrag übernommen hat, welcher der Gesellschaft die Verwaltung der Küstenländer und namentlich die Erhebung der Zölle in den dortigen Hafenplätzen übertrug. Später haben die kaiserlichen Kriegsschiffe nnr die Küste zu überwachen und zu verhüten, daß von da Sklaven ausgeführt und dorthin Waffen und Munition verschifft werden. Das Weitere hat die Deutsch ostafrikanische Gesellschaft selbst in die Hand zu nehmen. Sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/542>, abgerufen am 26.06.2024.