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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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mit der Zeit zu einer großen und reichen Kolonie heranzuwachsen verhieß, wenn
nicht unerwartete Unistände hindernd dazwischentraten und Mißgriffe begangen
wurden. Beides ließ leider nicht lange auf sich warten. Von Anfang an herrschte
ein schroffer Gegensatz zwischen der Gesellschaft und jenem arabischen Elemente,
da die Gesellschaft rationelle Bewirtschaftung des Landes zur Erzeugung
von Austauschwerten für die Einfuhr von Waren aus Europa im Auge hatte,
die Araber dagegen gewissermaßen nur Raubbau trieben, indem sie das Gebiet
durch ihre Sklavenjagden entvölkerten und verwüsteten. Der Sultan von San"
sibar war von Alters her der Hauptabnehmer und Wiederverkäufer ihrer schwarzen
Ware und im Zusammenhange hiermit der eifrige Beschützer und Förderer
ihres Treibens, das wie eine Schreckensherrschaft auf den eingebornen Völker¬
schaften lastete. Dazu kam, daß er aus der Verzollung des Elfenbeins, zu
dessen Transport aus dem Innern nach den Küstenplätzen die erjagten Slaven¬
herden zunächst verwendet wurden, einen persönlichen Vorteil zog, der mehrere
Millionen Mark jährlich betrug. England sah diesen Mißständen, gegen die es
an der afrikanischen Westküste seit dem Jahre 1316 energisch, ausdauernd und
erfolgreich ankämpfte, hier im Osten gelassen zu, und so blühte der Sklaven¬
handel unter den Augen seines Generalkonsuls Kirke in Sansibar ungestört
fort, bis die Ostafrikanische Gesellschaft kam und nach einiger Zeit mit dem
Sultan Said Bargasch einen Vertrag abschloß, kraft dessen sie für diesen die
Zölle in den festländischen Hafenplätzen seines Gebietes erheben sollte, und
durch den die Interessen der Sklavenhändler und ihres Anhangs wesentlich
beeinträchtigt wurden. Für den Sultan war es nur ein Scheinvertrag, auf
den er aus gewissen Rücksichten eingegangen war, und dessen Wirksamkeit er
sofort durch offnen und versteckten Widerstand zu hemmen versuchte, während
die Gesellschaft die ihr dadurch auferlegten Verpflichtungen treu erfüllte. Sie
hätte sich, wenn sie kurzsichtig nur an die nächsten Interessen ihrer Mit¬
glieder gedacht hätte, über die Zollerhebung mit den arabischen Häuptlingen
verständigen können, und wir loben sie, daß sie das nicht that. Dagegen ist
als Unterlassungssünde zu tadeln, daß sie in unvorsichtigem Vertrauen es
unterließ, eine Truppe zu bilden, mit der sie ihr Recht und ihren Besitz ver¬
teidigen konnte, wenn diese bedroht und angegriffen wurden. Zunächst freilich
half ihr der Reichskanzler durch die bekannte Flottendemonstration vor San¬
sibar, infolge deren der Sultan Bargasch andre Saiten aufzog, und das An¬
sehen, das dieser Herrscher bei seinen Namen- und Glaubensgenossen genoß,
genügte, um ein erträgliches Verhältnis zwischen den arabischen Sklavenhänd¬
lern des Festlandes und der Gesellschaft herzustellen und zu erhalten. Anders
wurde dies unter Bargaschs Nachfolger, dem Sultan Said Chalifa. Er kam
dem gedachten Vertrage nicht nach, vielleicht weil er nicht konnte, wahrschein¬
licher weil er nicht wollte, und die Araber erhoben sich, entweder auf seine
Schwäche oder auf sein Übelwollen gegenüber den^ihn und sie schädigenden


mit der Zeit zu einer großen und reichen Kolonie heranzuwachsen verhieß, wenn
nicht unerwartete Unistände hindernd dazwischentraten und Mißgriffe begangen
wurden. Beides ließ leider nicht lange auf sich warten. Von Anfang an herrschte
ein schroffer Gegensatz zwischen der Gesellschaft und jenem arabischen Elemente,
da die Gesellschaft rationelle Bewirtschaftung des Landes zur Erzeugung
von Austauschwerten für die Einfuhr von Waren aus Europa im Auge hatte,
die Araber dagegen gewissermaßen nur Raubbau trieben, indem sie das Gebiet
durch ihre Sklavenjagden entvölkerten und verwüsteten. Der Sultan von San»
sibar war von Alters her der Hauptabnehmer und Wiederverkäufer ihrer schwarzen
Ware und im Zusammenhange hiermit der eifrige Beschützer und Förderer
ihres Treibens, das wie eine Schreckensherrschaft auf den eingebornen Völker¬
schaften lastete. Dazu kam, daß er aus der Verzollung des Elfenbeins, zu
dessen Transport aus dem Innern nach den Küstenplätzen die erjagten Slaven¬
herden zunächst verwendet wurden, einen persönlichen Vorteil zog, der mehrere
Millionen Mark jährlich betrug. England sah diesen Mißständen, gegen die es
an der afrikanischen Westküste seit dem Jahre 1316 energisch, ausdauernd und
erfolgreich ankämpfte, hier im Osten gelassen zu, und so blühte der Sklaven¬
handel unter den Augen seines Generalkonsuls Kirke in Sansibar ungestört
fort, bis die Ostafrikanische Gesellschaft kam und nach einiger Zeit mit dem
Sultan Said Bargasch einen Vertrag abschloß, kraft dessen sie für diesen die
Zölle in den festländischen Hafenplätzen seines Gebietes erheben sollte, und
durch den die Interessen der Sklavenhändler und ihres Anhangs wesentlich
beeinträchtigt wurden. Für den Sultan war es nur ein Scheinvertrag, auf
den er aus gewissen Rücksichten eingegangen war, und dessen Wirksamkeit er
sofort durch offnen und versteckten Widerstand zu hemmen versuchte, während
die Gesellschaft die ihr dadurch auferlegten Verpflichtungen treu erfüllte. Sie
hätte sich, wenn sie kurzsichtig nur an die nächsten Interessen ihrer Mit¬
glieder gedacht hätte, über die Zollerhebung mit den arabischen Häuptlingen
verständigen können, und wir loben sie, daß sie das nicht that. Dagegen ist
als Unterlassungssünde zu tadeln, daß sie in unvorsichtigem Vertrauen es
unterließ, eine Truppe zu bilden, mit der sie ihr Recht und ihren Besitz ver¬
teidigen konnte, wenn diese bedroht und angegriffen wurden. Zunächst freilich
half ihr der Reichskanzler durch die bekannte Flottendemonstration vor San¬
sibar, infolge deren der Sultan Bargasch andre Saiten aufzog, und das An¬
sehen, das dieser Herrscher bei seinen Namen- und Glaubensgenossen genoß,
genügte, um ein erträgliches Verhältnis zwischen den arabischen Sklavenhänd¬
lern des Festlandes und der Gesellschaft herzustellen und zu erhalten. Anders
wurde dies unter Bargaschs Nachfolger, dem Sultan Said Chalifa. Er kam
dem gedachten Vertrage nicht nach, vielleicht weil er nicht konnte, wahrschein¬
licher weil er nicht wollte, und die Araber erhoben sich, entweder auf seine
Schwäche oder auf sein Übelwollen gegenüber den^ihn und sie schädigenden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/538>, abgerufen am 24.08.2024.