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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Zur Geschichte der niederdeutschen Staaten Südafrikas.

sechs Jahren zu weiterer Ausbreitung des niederdeutschen Volksstammes im
Westen und Osten des Boersstaates nördlich vom Vcmlflusfe führten.

Unzufrieden mit gewissen Plänen des Präsidenten Burgers waren bereits 1876
Anhänger der alten Einrichtungen in der Ostafrikanischen Republik zu dem Beschlusse
gelangt, auszuwandern und sich auf den schönen Weideplätzen der Damaras eine
neue Heimat zu suchen. Am linken Ufer des mittlern Krokodilflusses bezogen
die von dem Boer van Zyl geführten Emigranten ein Lager, um sich zu dem
großen Zuge nach Nordwesten zu sammeln. Khama jedoch, der König der
Bamangwcitos, dessen Gebiet sie zu durchziehen hatten, zögerte, ihnen dies zu
gestatten, und so waren sie zu längerem Aufenthalte in jenen sehr ungesunden
Gegenden genötigt. Krankheiten lichteten ihre Reihen, und schon wollten sie
ohne Erlaubnis des Königs ihren Zug fortsetzen, als diese endlich erfolgte.
Sie wanderten nun in nordwestlicher Richtung, durch das Dorstland, einen
sandigen Wald, nach dem Zugaflusse und von da nach dem Ngamisee, wo sie
durch Strapatzen aller Art an Zahl sehr geschwächt eintrafen. Von da zogen
sie unter fortwährenden Gefahren und Entbehrungen nach dem Damaralande
weiter, wo sie in so kläglicher Verfassung ankamen, daß sie von der Bevölkerung
der Heimat unterstützt werden mußten, was auf dem Wege über die Walfischbai
geschah. Im Damaralande begannen sie sich nach Gegenden mit Wasser und
Weidegründen umzusehen, einige ließen sich in Humpata im portugiesischen
Gebiete von Mossamedes nieder, andre im Ovambolande an einer Quelle bei
Otcwi, die sie Grootfontein nannten. Endlich trat ihnen der Häuptling
Kambondi größere Landstriche unter dem 18. und 20. Breiten- und dem
6. Längengrade ab, und sie gründeten hier, 200 Meilen von der Walfischbai,
ein neues Gemeinwesen, das sie zu Ehren Upingtons, des die Sache der Boers
vielfach fördernden Ministers der Kapregierung, Upingtonia nannten.

Bald darauf jedoch bestritt die englische Regierung den Boers ihren dortigen
Landbesitz, und daraufhin räumten sie zum Teil das Gebiet von Upingtonia
und erwarben vom Hererohciuptliug Manasse das Recht, sich in Waterberg,
einer früheren Station der rheinischen Missionsgesellschaft, niederzulassen. Der
Nest blieb unter der Führung des englischen Kolonisten Jordan bei Groot¬
fontein, wollte aber, als Jordan von den durch englische Sendlinge aufgesetzten
Ovambos ermordet worden war, ebenfalls wieder abziehen. Vorher suchte man
jedoch durch den Kommissar des deutschen Reiches den Schutz des letztern nach
und gab, als dieser Schutz im Jahre 1887 zugesagt wurde, den Abzug auf.
So hat Deutschland seine Schutzherrschaft über diesen Teil Südwestafrikas um
400 Quadratkilometer ausgedehnt und hat dem Lande zugleich einen für die
Zukunft sehr wertvollen Stamm mit dessen Verhältnissen vertrauter und ab¬
gehärteter weißer Bewohner erhalten, von. denen überdies ins Gewicht fällt,
daß sie mit dem Volke der östlichen Republiken und im weitern Sinne mit uns
verwandt sind und die Engländer als Feinde betrachten. -


Zur Geschichte der niederdeutschen Staaten Südafrikas.

sechs Jahren zu weiterer Ausbreitung des niederdeutschen Volksstammes im
Westen und Osten des Boersstaates nördlich vom Vcmlflusfe führten.

Unzufrieden mit gewissen Plänen des Präsidenten Burgers waren bereits 1876
Anhänger der alten Einrichtungen in der Ostafrikanischen Republik zu dem Beschlusse
gelangt, auszuwandern und sich auf den schönen Weideplätzen der Damaras eine
neue Heimat zu suchen. Am linken Ufer des mittlern Krokodilflusses bezogen
die von dem Boer van Zyl geführten Emigranten ein Lager, um sich zu dem
großen Zuge nach Nordwesten zu sammeln. Khama jedoch, der König der
Bamangwcitos, dessen Gebiet sie zu durchziehen hatten, zögerte, ihnen dies zu
gestatten, und so waren sie zu längerem Aufenthalte in jenen sehr ungesunden
Gegenden genötigt. Krankheiten lichteten ihre Reihen, und schon wollten sie
ohne Erlaubnis des Königs ihren Zug fortsetzen, als diese endlich erfolgte.
Sie wanderten nun in nordwestlicher Richtung, durch das Dorstland, einen
sandigen Wald, nach dem Zugaflusse und von da nach dem Ngamisee, wo sie
durch Strapatzen aller Art an Zahl sehr geschwächt eintrafen. Von da zogen
sie unter fortwährenden Gefahren und Entbehrungen nach dem Damaralande
weiter, wo sie in so kläglicher Verfassung ankamen, daß sie von der Bevölkerung
der Heimat unterstützt werden mußten, was auf dem Wege über die Walfischbai
geschah. Im Damaralande begannen sie sich nach Gegenden mit Wasser und
Weidegründen umzusehen, einige ließen sich in Humpata im portugiesischen
Gebiete von Mossamedes nieder, andre im Ovambolande an einer Quelle bei
Otcwi, die sie Grootfontein nannten. Endlich trat ihnen der Häuptling
Kambondi größere Landstriche unter dem 18. und 20. Breiten- und dem
6. Längengrade ab, und sie gründeten hier, 200 Meilen von der Walfischbai,
ein neues Gemeinwesen, das sie zu Ehren Upingtons, des die Sache der Boers
vielfach fördernden Ministers der Kapregierung, Upingtonia nannten.

Bald darauf jedoch bestritt die englische Regierung den Boers ihren dortigen
Landbesitz, und daraufhin räumten sie zum Teil das Gebiet von Upingtonia
und erwarben vom Hererohciuptliug Manasse das Recht, sich in Waterberg,
einer früheren Station der rheinischen Missionsgesellschaft, niederzulassen. Der
Nest blieb unter der Führung des englischen Kolonisten Jordan bei Groot¬
fontein, wollte aber, als Jordan von den durch englische Sendlinge aufgesetzten
Ovambos ermordet worden war, ebenfalls wieder abziehen. Vorher suchte man
jedoch durch den Kommissar des deutschen Reiches den Schutz des letztern nach
und gab, als dieser Schutz im Jahre 1887 zugesagt wurde, den Abzug auf.
So hat Deutschland seine Schutzherrschaft über diesen Teil Südwestafrikas um
400 Quadratkilometer ausgedehnt und hat dem Lande zugleich einen für die
Zukunft sehr wertvollen Stamm mit dessen Verhältnissen vertrauter und ab¬
gehärteter weißer Bewohner erhalten, von. denen überdies ins Gewicht fällt,
daß sie mit dem Volke der östlichen Republiken und im weitern Sinne mit uns
verwandt sind und die Engländer als Feinde betrachten. -


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[0491] Zur Geschichte der niederdeutschen Staaten Südafrikas. sechs Jahren zu weiterer Ausbreitung des niederdeutschen Volksstammes im Westen und Osten des Boersstaates nördlich vom Vcmlflusfe führten. Unzufrieden mit gewissen Plänen des Präsidenten Burgers waren bereits 1876 Anhänger der alten Einrichtungen in der Ostafrikanischen Republik zu dem Beschlusse gelangt, auszuwandern und sich auf den schönen Weideplätzen der Damaras eine neue Heimat zu suchen. Am linken Ufer des mittlern Krokodilflusses bezogen die von dem Boer van Zyl geführten Emigranten ein Lager, um sich zu dem großen Zuge nach Nordwesten zu sammeln. Khama jedoch, der König der Bamangwcitos, dessen Gebiet sie zu durchziehen hatten, zögerte, ihnen dies zu gestatten, und so waren sie zu längerem Aufenthalte in jenen sehr ungesunden Gegenden genötigt. Krankheiten lichteten ihre Reihen, und schon wollten sie ohne Erlaubnis des Königs ihren Zug fortsetzen, als diese endlich erfolgte. Sie wanderten nun in nordwestlicher Richtung, durch das Dorstland, einen sandigen Wald, nach dem Zugaflusse und von da nach dem Ngamisee, wo sie durch Strapatzen aller Art an Zahl sehr geschwächt eintrafen. Von da zogen sie unter fortwährenden Gefahren und Entbehrungen nach dem Damaralande weiter, wo sie in so kläglicher Verfassung ankamen, daß sie von der Bevölkerung der Heimat unterstützt werden mußten, was auf dem Wege über die Walfischbai geschah. Im Damaralande begannen sie sich nach Gegenden mit Wasser und Weidegründen umzusehen, einige ließen sich in Humpata im portugiesischen Gebiete von Mossamedes nieder, andre im Ovambolande an einer Quelle bei Otcwi, die sie Grootfontein nannten. Endlich trat ihnen der Häuptling Kambondi größere Landstriche unter dem 18. und 20. Breiten- und dem 6. Längengrade ab, und sie gründeten hier, 200 Meilen von der Walfischbai, ein neues Gemeinwesen, das sie zu Ehren Upingtons, des die Sache der Boers vielfach fördernden Ministers der Kapregierung, Upingtonia nannten. Bald darauf jedoch bestritt die englische Regierung den Boers ihren dortigen Landbesitz, und daraufhin räumten sie zum Teil das Gebiet von Upingtonia und erwarben vom Hererohciuptliug Manasse das Recht, sich in Waterberg, einer früheren Station der rheinischen Missionsgesellschaft, niederzulassen. Der Nest blieb unter der Führung des englischen Kolonisten Jordan bei Groot¬ fontein, wollte aber, als Jordan von den durch englische Sendlinge aufgesetzten Ovambos ermordet worden war, ebenfalls wieder abziehen. Vorher suchte man jedoch durch den Kommissar des deutschen Reiches den Schutz des letztern nach und gab, als dieser Schutz im Jahre 1887 zugesagt wurde, den Abzug auf. So hat Deutschland seine Schutzherrschaft über diesen Teil Südwestafrikas um 400 Quadratkilometer ausgedehnt und hat dem Lande zugleich einen für die Zukunft sehr wertvollen Stamm mit dessen Verhältnissen vertrauter und ab¬ gehärteter weißer Bewohner erhalten, von. denen überdies ins Gewicht fällt, daß sie mit dem Volke der östlichen Republiken und im weitern Sinne mit uns verwandt sind und die Engländer als Feinde betrachten. -

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/491>, abgerufen am 02.07.2024.