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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Zur Geschichte der niederdeutschen Staaten Südafrikas.

dus bedeutendste Blatt in Pretoria, der Hauptstadt der Republik, erklärt im
Hinblick auf die neue Bahn von der Delagoa-Bucht nach dem Innern und den
von ihr zu hoffenden starken Zuzug europäischer Elemente, daß es ganz ent¬
schieden besser sei, wenn sich die deutsche Einwanderung vermehre, als wenn
viele Engländer und Jrländer sich dem Staate zuwendeten, und wenn sie dafür
nur geltend macht, daß man überall, wo deutscher Fleiß sich niedergelassen hat,
den Wert des Landes steigen sehe, und daß die englischen Einwanderer nur
Handelsleute unsteter Art oder Abenteurer seien, welche die Entdeckung von
Gold- und Diamantenfeldern herbeigeführt habe, so hat sie unzweifelhaft noch
andere Gründe, die sie vorläufig verschweigen zu müssen glaubt. Wie das
Land dnrch seine Natur, namentlich durch sein Klima zur Einwanderung von
deutschen Landleuten einladet, und wie anderseits unser Handel dahin sich be¬
trächtlich heben kann, soll später einmal gezeigt werden. Für jetzt nur den Schluß
der Skizzen, mit denen wir den mit einigen Unterbrechungen Jahrzehnte lang
währenden Kampf des Hauptstaates der Boers, der südafrikanischen Republik,
mit der Tyrannei Großbritanniens und den endlichen Sieg des ersteren früher
darzustellen versucht haben.

Der Friede von Pretoria, in den England 1881 willigen mußte, nachdem
die aufständischen Boers seinen Truppen drei schwere Niederlagen (bei Laings
Reck, Dcede Poort und am Majubaberge) beigebracht hatten, verschaffte der
südafrikanischen Republik das uneingeschränkte Recht, sich unter britischer
Oberhoheit selbst zu regieren; dagegen behielt sich Großbritannien in dem
betreffenden Vertrage die Befugnis vor, in Pretoria einen Residenten zu halten,
die Beziehungen des Staates zu andern Mächten zu beaufsichtigen und zu
beeinflussen und im Osten ein Gebiet abzulösen, welches das Transvaalland
von den Kaffernstämmen der Zulus und der Swazies trennen sollte.

Unter den Ereignissen, die sich seit jenem Frieden zugetragen haben, nimmt
die Entstehung des Afrikanerbundes, eines Vereins, den die England feindlich
gesinnte Partei der Kapkolonie gegründet hat, die erste Stelle ein. Er soll
alle nach voller Unabhängigkeit von Großbritannien strebenden in der Kolonie
und in den Nachbarländern, besonders in Natal, dem Oranje-Freistaat und der
südafrikanischen Republik in sich aufnehmen und verfolgt bis auf weiteres den
Zweck, den Wünschen des "afrikanischen" Elements, d. h. der niederdeutschen
Patrioten in diesen Gemeinwesen, in deren gesetzgebenden Körperschaften, namentlich
im Kap-Parlament, Nachdruck zu geben und Geltung zu verschaffen; als letztes
Ziel aber strebt er die Errichtung eines Bundesstaates, gleich dem der nord¬
amerikanischen Union an. Die Vereinigung des Oranje-Freistaates mit der
südafrikanischen Republik wird sich trotz der Umtriebe, mit denen die Engländer
sie zu verhindern suchen, in wenigen Jahren vollziehen, und dann wird der
Anschluß der britischen Kolonien Südafrikas nicht lange mehr auf sich warten
lassen. Und nun kommen wir zu den Vorgängen, die in den letzten fünf oder


Zur Geschichte der niederdeutschen Staaten Südafrikas.

dus bedeutendste Blatt in Pretoria, der Hauptstadt der Republik, erklärt im
Hinblick auf die neue Bahn von der Delagoa-Bucht nach dem Innern und den
von ihr zu hoffenden starken Zuzug europäischer Elemente, daß es ganz ent¬
schieden besser sei, wenn sich die deutsche Einwanderung vermehre, als wenn
viele Engländer und Jrländer sich dem Staate zuwendeten, und wenn sie dafür
nur geltend macht, daß man überall, wo deutscher Fleiß sich niedergelassen hat,
den Wert des Landes steigen sehe, und daß die englischen Einwanderer nur
Handelsleute unsteter Art oder Abenteurer seien, welche die Entdeckung von
Gold- und Diamantenfeldern herbeigeführt habe, so hat sie unzweifelhaft noch
andere Gründe, die sie vorläufig verschweigen zu müssen glaubt. Wie das
Land dnrch seine Natur, namentlich durch sein Klima zur Einwanderung von
deutschen Landleuten einladet, und wie anderseits unser Handel dahin sich be¬
trächtlich heben kann, soll später einmal gezeigt werden. Für jetzt nur den Schluß
der Skizzen, mit denen wir den mit einigen Unterbrechungen Jahrzehnte lang
währenden Kampf des Hauptstaates der Boers, der südafrikanischen Republik,
mit der Tyrannei Großbritanniens und den endlichen Sieg des ersteren früher
darzustellen versucht haben.

Der Friede von Pretoria, in den England 1881 willigen mußte, nachdem
die aufständischen Boers seinen Truppen drei schwere Niederlagen (bei Laings
Reck, Dcede Poort und am Majubaberge) beigebracht hatten, verschaffte der
südafrikanischen Republik das uneingeschränkte Recht, sich unter britischer
Oberhoheit selbst zu regieren; dagegen behielt sich Großbritannien in dem
betreffenden Vertrage die Befugnis vor, in Pretoria einen Residenten zu halten,
die Beziehungen des Staates zu andern Mächten zu beaufsichtigen und zu
beeinflussen und im Osten ein Gebiet abzulösen, welches das Transvaalland
von den Kaffernstämmen der Zulus und der Swazies trennen sollte.

Unter den Ereignissen, die sich seit jenem Frieden zugetragen haben, nimmt
die Entstehung des Afrikanerbundes, eines Vereins, den die England feindlich
gesinnte Partei der Kapkolonie gegründet hat, die erste Stelle ein. Er soll
alle nach voller Unabhängigkeit von Großbritannien strebenden in der Kolonie
und in den Nachbarländern, besonders in Natal, dem Oranje-Freistaat und der
südafrikanischen Republik in sich aufnehmen und verfolgt bis auf weiteres den
Zweck, den Wünschen des „afrikanischen" Elements, d. h. der niederdeutschen
Patrioten in diesen Gemeinwesen, in deren gesetzgebenden Körperschaften, namentlich
im Kap-Parlament, Nachdruck zu geben und Geltung zu verschaffen; als letztes
Ziel aber strebt er die Errichtung eines Bundesstaates, gleich dem der nord¬
amerikanischen Union an. Die Vereinigung des Oranje-Freistaates mit der
südafrikanischen Republik wird sich trotz der Umtriebe, mit denen die Engländer
sie zu verhindern suchen, in wenigen Jahren vollziehen, und dann wird der
Anschluß der britischen Kolonien Südafrikas nicht lange mehr auf sich warten
lassen. Und nun kommen wir zu den Vorgängen, die in den letzten fünf oder


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[0490] Zur Geschichte der niederdeutschen Staaten Südafrikas. dus bedeutendste Blatt in Pretoria, der Hauptstadt der Republik, erklärt im Hinblick auf die neue Bahn von der Delagoa-Bucht nach dem Innern und den von ihr zu hoffenden starken Zuzug europäischer Elemente, daß es ganz ent¬ schieden besser sei, wenn sich die deutsche Einwanderung vermehre, als wenn viele Engländer und Jrländer sich dem Staate zuwendeten, und wenn sie dafür nur geltend macht, daß man überall, wo deutscher Fleiß sich niedergelassen hat, den Wert des Landes steigen sehe, und daß die englischen Einwanderer nur Handelsleute unsteter Art oder Abenteurer seien, welche die Entdeckung von Gold- und Diamantenfeldern herbeigeführt habe, so hat sie unzweifelhaft noch andere Gründe, die sie vorläufig verschweigen zu müssen glaubt. Wie das Land dnrch seine Natur, namentlich durch sein Klima zur Einwanderung von deutschen Landleuten einladet, und wie anderseits unser Handel dahin sich be¬ trächtlich heben kann, soll später einmal gezeigt werden. Für jetzt nur den Schluß der Skizzen, mit denen wir den mit einigen Unterbrechungen Jahrzehnte lang währenden Kampf des Hauptstaates der Boers, der südafrikanischen Republik, mit der Tyrannei Großbritanniens und den endlichen Sieg des ersteren früher darzustellen versucht haben. Der Friede von Pretoria, in den England 1881 willigen mußte, nachdem die aufständischen Boers seinen Truppen drei schwere Niederlagen (bei Laings Reck, Dcede Poort und am Majubaberge) beigebracht hatten, verschaffte der südafrikanischen Republik das uneingeschränkte Recht, sich unter britischer Oberhoheit selbst zu regieren; dagegen behielt sich Großbritannien in dem betreffenden Vertrage die Befugnis vor, in Pretoria einen Residenten zu halten, die Beziehungen des Staates zu andern Mächten zu beaufsichtigen und zu beeinflussen und im Osten ein Gebiet abzulösen, welches das Transvaalland von den Kaffernstämmen der Zulus und der Swazies trennen sollte. Unter den Ereignissen, die sich seit jenem Frieden zugetragen haben, nimmt die Entstehung des Afrikanerbundes, eines Vereins, den die England feindlich gesinnte Partei der Kapkolonie gegründet hat, die erste Stelle ein. Er soll alle nach voller Unabhängigkeit von Großbritannien strebenden in der Kolonie und in den Nachbarländern, besonders in Natal, dem Oranje-Freistaat und der südafrikanischen Republik in sich aufnehmen und verfolgt bis auf weiteres den Zweck, den Wünschen des „afrikanischen" Elements, d. h. der niederdeutschen Patrioten in diesen Gemeinwesen, in deren gesetzgebenden Körperschaften, namentlich im Kap-Parlament, Nachdruck zu geben und Geltung zu verschaffen; als letztes Ziel aber strebt er die Errichtung eines Bundesstaates, gleich dem der nord¬ amerikanischen Union an. Die Vereinigung des Oranje-Freistaates mit der südafrikanischen Republik wird sich trotz der Umtriebe, mit denen die Engländer sie zu verhindern suchen, in wenigen Jahren vollziehen, und dann wird der Anschluß der britischen Kolonien Südafrikas nicht lange mehr auf sich warten lassen. Und nun kommen wir zu den Vorgängen, die in den letzten fünf oder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/490>, abgerufen am 30.06.2024.