Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.Kaiser Max und seine Jäger. Beim Johannisfmer in der Sonnwendnacht treffen dann die Liebenden zu¬ Kaiser Max und seine Jäger. Beim Johannisfmer in der Sonnwendnacht treffen dann die Liebenden zu¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0480" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203915"/> <fw type="header" place="top"> Kaiser Max und seine Jäger.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1230" next="#ID_1231"> Beim Johannisfmer in der Sonnwendnacht treffen dann die Liebenden zu¬<lb/> sammen, Hans Sachs hat es übernommen, ihre alte Tugcndwächterin zu be¬<lb/> schäftigen. Sixt und Mariken wagen als das schönste Paar vor allen andern<lb/> den Sprung über den brennenden Holzstoß; er mißlingt jedoch, da Sixt beim<lb/> Erreichen der andern Seite ausrutscht und darob ausgelacht wird. Er ärgert<lb/> sich darüber und zieht sich grollend zurück, und er wird kindischcrweise noch<lb/> mehr erbittert, als gleich darauf Haus Sachs Mariken umfaßt und den Sprung<lb/> glücklich ausführt. Nun erscheinen ihm Freund und Geliebte treulos. Sixt wird<lb/> geradezu menschenscheu, während Hans sich eine Weitem Mariken verliebt und dafür<lb/> die ihn mit Liebesanträgen verfolgende Cilli herb zurückweist. Da zeigt ihm diese<lb/> ein seltsames Bild, sie läßt ihn Mariken zu Füßen des Kaiser Max belauschen und<lb/> sehen, wie der sie liebkost. Hauswcißabernicht, daß es Vaterund Tochter sind, sondern<lb/> hält beide sür ein Liebespaar. Auch er wird darüber schwermütig. Ans einer<lb/> Jagd tritt an Sixt sogar die Versuchung heran, seinen Nebenbuhler Hans<lb/> Sachs, den er jetzt eifersüchtig haßt, ans Leben zu gehen. Aber dieser schwört<lb/> ihm, daß er Mariken nicht liebe, und der verstörte Sixt leistet ihm Abbitte.<lb/> Es kommt aber dann doch zu einem Streit zwischen beiden. Sixt lauert<lb/> dem Kaiser Max auf, der ihm sein Liebchen geraubt hat, Hans Sachs will<lb/> ihm die Waffe entreißen, darob eine Rauferei zwischen beiden, bei der Sixt<lb/> den jüngeren Freund scheinbar tot auf dem Platze läßt und nun, wie von deu<lb/> Furien gepeischt, ziellos, friedlos in den Bergen herumirrt. Hans wird aber<lb/> zum Glück von den Leuten des Schlosses Ambras, vor dessen Eingang die<lb/> Rauferei geschehen ist, rechtzeitig aufgefunden und von der Verblutung gerettet.<lb/> Als der Kaiser davon erfährt, läßt er ihn ohne weitere Untersuchung einsperren<lb/> und auf Sixt fahnden; daß Sixt dem Kaiser nach dem Leben trachtete, will<lb/> Sachs niemals verraten. Endlich durch das Geständnis Marileus von ihrer<lb/> Liebe zu dem Flüchtling Sixt wird die Schuldlosigkeit des andern klar, und<lb/> Hans Sachs erhält seine Freiheit wieder. Sixt Thurnwalter aber, der unstät,<lb/> hungernd und frierend, von Gewissensqualeu gefoltert in den Bergen herumirrt,<lb/> hat das Glück, den auf der Martinswand verirrten Kaiser, der schon für ver¬<lb/> loren gehalten wird, für den das am Fuße der Wand angesammelte treue Volk<lb/> schon die letzte Messe lesen läßt, zu errette«. Sixt führt den Kaiser bis ins<lb/> Thal. Aber während nun die älteren Dichter fein und klug berichten, der Er¬<lb/> retter Maxens hätte sich im Gewühl der Volksmenge absichtlich verloren, um<lb/> sich nicht danken lassen zu müssen, und daraus sei die Vermutung entstanden,<lb/> der Retter wäre ein Engel Gottes selbst gewesen, läßt Baumbach, mit einem<lb/> in die sonst nur zu absichtlich festgehaltene Naivität seines ganzen Gedichtes<lb/> schrill hineintönenden Hiebe auf den tirolischen Klerus, unmittelbar vor unsern<lb/> Augen den Messe lesenden Geistlichen die offenbare Lüge schaffen, daß nicht<lb/> Sixt, sondern daß ein Engel Gottes den Kaiser gerettet habe. Den Kern der<lb/> Sage, die Vergöttlichung eines Menschen, der sich jeglichem Danke für eine</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0480]
Kaiser Max und seine Jäger.
Beim Johannisfmer in der Sonnwendnacht treffen dann die Liebenden zu¬
sammen, Hans Sachs hat es übernommen, ihre alte Tugcndwächterin zu be¬
schäftigen. Sixt und Mariken wagen als das schönste Paar vor allen andern
den Sprung über den brennenden Holzstoß; er mißlingt jedoch, da Sixt beim
Erreichen der andern Seite ausrutscht und darob ausgelacht wird. Er ärgert
sich darüber und zieht sich grollend zurück, und er wird kindischcrweise noch
mehr erbittert, als gleich darauf Haus Sachs Mariken umfaßt und den Sprung
glücklich ausführt. Nun erscheinen ihm Freund und Geliebte treulos. Sixt wird
geradezu menschenscheu, während Hans sich eine Weitem Mariken verliebt und dafür
die ihn mit Liebesanträgen verfolgende Cilli herb zurückweist. Da zeigt ihm diese
ein seltsames Bild, sie läßt ihn Mariken zu Füßen des Kaiser Max belauschen und
sehen, wie der sie liebkost. Hauswcißabernicht, daß es Vaterund Tochter sind, sondern
hält beide sür ein Liebespaar. Auch er wird darüber schwermütig. Ans einer
Jagd tritt an Sixt sogar die Versuchung heran, seinen Nebenbuhler Hans
Sachs, den er jetzt eifersüchtig haßt, ans Leben zu gehen. Aber dieser schwört
ihm, daß er Mariken nicht liebe, und der verstörte Sixt leistet ihm Abbitte.
Es kommt aber dann doch zu einem Streit zwischen beiden. Sixt lauert
dem Kaiser Max auf, der ihm sein Liebchen geraubt hat, Hans Sachs will
ihm die Waffe entreißen, darob eine Rauferei zwischen beiden, bei der Sixt
den jüngeren Freund scheinbar tot auf dem Platze läßt und nun, wie von deu
Furien gepeischt, ziellos, friedlos in den Bergen herumirrt. Hans wird aber
zum Glück von den Leuten des Schlosses Ambras, vor dessen Eingang die
Rauferei geschehen ist, rechtzeitig aufgefunden und von der Verblutung gerettet.
Als der Kaiser davon erfährt, läßt er ihn ohne weitere Untersuchung einsperren
und auf Sixt fahnden; daß Sixt dem Kaiser nach dem Leben trachtete, will
Sachs niemals verraten. Endlich durch das Geständnis Marileus von ihrer
Liebe zu dem Flüchtling Sixt wird die Schuldlosigkeit des andern klar, und
Hans Sachs erhält seine Freiheit wieder. Sixt Thurnwalter aber, der unstät,
hungernd und frierend, von Gewissensqualeu gefoltert in den Bergen herumirrt,
hat das Glück, den auf der Martinswand verirrten Kaiser, der schon für ver¬
loren gehalten wird, für den das am Fuße der Wand angesammelte treue Volk
schon die letzte Messe lesen läßt, zu errette«. Sixt führt den Kaiser bis ins
Thal. Aber während nun die älteren Dichter fein und klug berichten, der Er¬
retter Maxens hätte sich im Gewühl der Volksmenge absichtlich verloren, um
sich nicht danken lassen zu müssen, und daraus sei die Vermutung entstanden,
der Retter wäre ein Engel Gottes selbst gewesen, läßt Baumbach, mit einem
in die sonst nur zu absichtlich festgehaltene Naivität seines ganzen Gedichtes
schrill hineintönenden Hiebe auf den tirolischen Klerus, unmittelbar vor unsern
Augen den Messe lesenden Geistlichen die offenbare Lüge schaffen, daß nicht
Sixt, sondern daß ein Engel Gottes den Kaiser gerettet habe. Den Kern der
Sage, die Vergöttlichung eines Menschen, der sich jeglichem Danke für eine
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