Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.Kaiser Max und seine Jäger, Hans Sachsens, eine der edelsten des deutschen Bürgertums, die Goethes
Worauf Hans Sachs, der schon bei Meister Nunnenbeck die Singekuust gelernt
Auch diese kecken Verse gefallen dem kaiserlichen Jäger, die beiden Trutz¬ Kaiser Max und seine Jäger, Hans Sachsens, eine der edelsten des deutschen Bürgertums, die Goethes
Worauf Hans Sachs, der schon bei Meister Nunnenbeck die Singekuust gelernt
Auch diese kecken Verse gefallen dem kaiserlichen Jäger, die beiden Trutz¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0478" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203913"/> <fw type="header" place="top"> Kaiser Max und seine Jäger,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1224" prev="#ID_1223" next="#ID_1225"> Hans Sachsens, eine der edelsten des deutschen Bürgertums, die Goethes<lb/> Gedicht der Nation für alle Zeit ans Herz gelegt hat, in so verkleinerten<lb/> Maßstabe vorführt; der liebgewordene Name Hans Sachs wird einer nicht<lb/> passenden Erscheinung beigelegt, eine oaMtio dsnsvolsntiÄo keckster Form; diese<lb/> Verkleinerung entspricht aber ganz dem Maßstabe, der an die Figur des ritter¬<lb/> lichen Kaisers angelegt worden ist. Die beiden treffen also zusammen, und<lb/> der Wanderbursche leistet dem fremden, unerkannten, zu Roß gar stattlich er¬<lb/> scheinende» hohen Herrn durch seine Geschicklichkeit, Leder zusammenzunähen,<lb/> einen kleinen Dienst, wofür er sich nicht bezahlt machen will. Das gefällt dein<lb/> Kaiser. Ein kecker Jäger aber, der Sixt Thurnwalter, schleudert dem stolzen<lb/> Schuster den Stachelreim zu:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_23" type="poem"> <l> Gott grüß' dich, fremder Waidgenoß!<lb/> Drcibeinig ist dein hölzern Roß,<lb/> Und Abt und Pfriem dein Waidgeschoß.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1225" prev="#ID_1224" next="#ID_1226"> Worauf Hans Sachs, der schon bei Meister Nunnenbeck die Singekuust gelernt<lb/> hat, schlagfertig erwidert:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_24" type="poem"> <l><cb type="start"/> Einst ging der Teufel schwarz einher<lb/> Mit Hörnern, Schweif und Klauen,<lb/> Und wer ihn sah, der forcht sich sehr<lb/> Und floh vor Angst und Grauen. Doch seit der böse Beltzebock<lb/> Geschlüpft ist in den Jägerrock<lb/> Gelingt's ihm, zu beschleichen<lb/> Die Armen und die Reichen. <cb/> Und seit der Liigengeist mit List<lb/> Jn's Jägcrwams gefahren,<lb/> Mag sich jedweder gute Christ<lb/> Auch vor den Jägern wahren.<lb/> Die Waldland' all' im ron'schen Reich<lb/> Thun's ihrem Herrn und Meister gleich;<lb/> Sie flunkern und sie lügen,<lb/> Daß sich die Balken biege». <cb type="end"/> </l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1226" prev="#ID_1225"> Auch diese kecken Verse gefallen dem kaiserlichen Jäger, die beiden Trutz¬<lb/> liedsänger müssen Freundschaft schließen, und Haus Sachs wird mit einem guten<lb/> Trunk Wein belohnt. Wer der stattliche Herr war, der so nachdenklich<lb/> wurde, als Hans Sachs sein Nürnberg rühmte, will dieser vom Wirte noch<lb/> erforschen. Der Wirt aber macht sich den Scherz und nennt den ihm wohl¬<lb/> bekannten Kaiser den „Wirt zum goldenen Dachl" in Innsbruck. Der naive<lb/> Wanderbursch muß sich darob in der Stadt von einem alten Weibe auslachen<lb/> lassen; denn er will im Hans mit dem goldenen Dachl einkehren, was ihm ein<lb/> Hellebardier verwehrt. Trotz dieser doch wohl nicht mißzuverstehender Aufklä¬<lb/> rung bleibt Hans Sachs — wegen eines sehr bescheidenen Effektes, den Baum¬<lb/> bach später gewinnen will — im Dunkeln über den Ritter. Überhaupt erscheint<lb/> Hans Sachs in der ganzen Dichtung Baumbachs als eine Art von Eichen-<lb/> dorffschem Taugenichts. Er schwärmt für eine ferne, in der Heimat hinter¬<lb/> lassene Schone, er gefällt allen Frauen, liebt den Wald und das freie un¬<lb/> gebundene Leben der Wandergesellen, und wie der Taugenichts aufs Geigenspiel,<lb/> so versteht er sich aufs Versemachen. Der Sixt Thurnwalter hingegen, der zweite<lb/> Jäger Kaiser Maximilians, ist mehr als Charakterfigur im modern romantischen<lb/> Stile gedacht; man kann sich aber anch für ihn nicht sonderlich erwärmen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0478]
Kaiser Max und seine Jäger,
Hans Sachsens, eine der edelsten des deutschen Bürgertums, die Goethes
Gedicht der Nation für alle Zeit ans Herz gelegt hat, in so verkleinerten
Maßstabe vorführt; der liebgewordene Name Hans Sachs wird einer nicht
passenden Erscheinung beigelegt, eine oaMtio dsnsvolsntiÄo keckster Form; diese
Verkleinerung entspricht aber ganz dem Maßstabe, der an die Figur des ritter¬
lichen Kaisers angelegt worden ist. Die beiden treffen also zusammen, und
der Wanderbursche leistet dem fremden, unerkannten, zu Roß gar stattlich er¬
scheinende» hohen Herrn durch seine Geschicklichkeit, Leder zusammenzunähen,
einen kleinen Dienst, wofür er sich nicht bezahlt machen will. Das gefällt dein
Kaiser. Ein kecker Jäger aber, der Sixt Thurnwalter, schleudert dem stolzen
Schuster den Stachelreim zu:
Gott grüß' dich, fremder Waidgenoß!
Drcibeinig ist dein hölzern Roß,
Und Abt und Pfriem dein Waidgeschoß.
Worauf Hans Sachs, der schon bei Meister Nunnenbeck die Singekuust gelernt
hat, schlagfertig erwidert:
Einst ging der Teufel schwarz einher
Mit Hörnern, Schweif und Klauen,
Und wer ihn sah, der forcht sich sehr
Und floh vor Angst und Grauen. Doch seit der böse Beltzebock
Geschlüpft ist in den Jägerrock
Gelingt's ihm, zu beschleichen
Die Armen und die Reichen.
Und seit der Liigengeist mit List
Jn's Jägcrwams gefahren,
Mag sich jedweder gute Christ
Auch vor den Jägern wahren.
Die Waldland' all' im ron'schen Reich
Thun's ihrem Herrn und Meister gleich;
Sie flunkern und sie lügen,
Daß sich die Balken biege».
Auch diese kecken Verse gefallen dem kaiserlichen Jäger, die beiden Trutz¬
liedsänger müssen Freundschaft schließen, und Haus Sachs wird mit einem guten
Trunk Wein belohnt. Wer der stattliche Herr war, der so nachdenklich
wurde, als Hans Sachs sein Nürnberg rühmte, will dieser vom Wirte noch
erforschen. Der Wirt aber macht sich den Scherz und nennt den ihm wohl¬
bekannten Kaiser den „Wirt zum goldenen Dachl" in Innsbruck. Der naive
Wanderbursch muß sich darob in der Stadt von einem alten Weibe auslachen
lassen; denn er will im Hans mit dem goldenen Dachl einkehren, was ihm ein
Hellebardier verwehrt. Trotz dieser doch wohl nicht mißzuverstehender Aufklä¬
rung bleibt Hans Sachs — wegen eines sehr bescheidenen Effektes, den Baum¬
bach später gewinnen will — im Dunkeln über den Ritter. Überhaupt erscheint
Hans Sachs in der ganzen Dichtung Baumbachs als eine Art von Eichen-
dorffschem Taugenichts. Er schwärmt für eine ferne, in der Heimat hinter¬
lassene Schone, er gefällt allen Frauen, liebt den Wald und das freie un¬
gebundene Leben der Wandergesellen, und wie der Taugenichts aufs Geigenspiel,
so versteht er sich aufs Versemachen. Der Sixt Thurnwalter hingegen, der zweite
Jäger Kaiser Maximilians, ist mehr als Charakterfigur im modern romantischen
Stile gedacht; man kann sich aber anch für ihn nicht sonderlich erwärmen.
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