Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.Aaiser Max und seine Jäger. Auf diesen massigen Gebirgszug gewährt die Plattform des Schlosses Ambras Aaiser Max und seine Jäger. Auf diesen massigen Gebirgszug gewährt die Plattform des Schlosses Ambras <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0475" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203910"/> <fw type="header" place="top"> Aaiser Max und seine Jäger.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1219" prev="#ID_1218" next="#ID_1220"> Auf diesen massigen Gebirgszug gewährt die Plattform des Schlosses Ambras<lb/> einen umfassenden Ausblick; wie eine himmelhohe Mauer steigen die bewaldeten<lb/> Wände mit erdrückender Unmittelbarkeit vor unsern Augen auf und sperren<lb/> jede weitere Aussicht nach dem Norden ab. Weit im Osten, im magischen Blau<lb/> der Ferne, sieht man die nackten Felsen des unwirtlichen Kaisergebirges rötlich<lb/> weiß in der Sonne leuchten, und unten in der Nähe erheben sich die zahlreichen<lb/> Türme des uralten Städtchens Hall, gleich vorn aber die große weiße, kasernen¬<lb/> artige Mauer des Irrenhauses, welches die Romantik des verfallenden Städtchens<lb/> freilich sehr unpoetisch durchbricht. Hall war einst eine blühende Bergmanus-<lb/> stadt; der Jnn war vor wenigen Jahrhunderten noch bis da hinauf schiffbar, und<lb/> Hall war die letzte Haltestelle der Flößer. Kaiser Maximilian I. hatte für Hall,<lb/> wie mehrere seiner Vorgänger eine besondere Vorliebe. Jetzt ist Hall verarmt,<lb/> still wie ein Friedhof, vielleicht besuchen es zur Sommerzeit Brustleidende, um<lb/> sich bei den Salinendämpfen Heilung zu holen; sonst zieht es nur wenige<lb/> dichterisch fühlende Touristen an, die Sinn für mittelalterliche Städteromantik<lb/> haben. Aber unser Ausblick vom Schloß Ambras gleitet darüber hinweg längs<lb/> dem breite», flachen Flußbette hin, über die fruchtbaren Felder und saftigen<lb/> Auen, über die vielen schönen Wäldchen, über die Landstraße, die wie weiße,<lb/> zur Bleiche in die Sonne hingelegte Leinwand sich dahinschlängeln, und über<lb/> die merkwürdige Eisenbahn, die auf einem von zahllosen Bogen durchbrochenen<lb/> Viadukt die Thalebene überschreitet, um in die Landeshauptstadt einzufahren.<lb/> Auch Innsbruck ist dem Kaiser Max sehr viel schuldig, es verdankt ihm auch<lb/> sein bedeutendstes Denkmal: in der Hofkirche zu den Franziskanern steht das<lb/> berühmte Grabmal des Kaisers. Auch die Gegend von Innsbruck bietet Er¬<lb/> innerungen an Kaiser Max. Jenes Landschaftsbild von der Ambraser Plattform<lb/> wird im Westen durch die steile Martinswand abgeschlossen, auf der sich der<lb/> Sage nach Kaiser Max beim Jagen verirrt hatte, ohne den Niickweg finden<lb/> zu können; ein Engel rettete ihn. Gegen den Süden zu erweitert sich die<lb/> Landschaft in mehrere Thäler, die bei Innsbruck ausmünden: das Brennerthal,<lb/> das Stubai- und das Oberinnthal. Auch das Schloß Ambras selbst ist eine<lb/> Sehenswürdigkeit. Die Romantik aber, die es umgiebt, lenkt die Erinnerung<lb/> nicht auf Kaiser Maximilian, sondern ans den spätern, protestantcnfeindlichen<lb/> Erzherzog Ferdinand und seine schöne bürgerliche Frau Philippine Welser, mit<lb/> der er lange Jahre auf dem Schlosse in verliebter Einsamkeit lebte, bis die<lb/> Ehe vom Kaiser anerkannt wurde. Oskar von Redwitz hat die Geschichte in einem<lb/> thrünenseligen, aber wirksamen Schauspiele behandelt. Der Park des Schlosses<lb/> Ambras, der in eine tiefe Schlucht hinabführt, die ein schäumender Alpenbach<lb/> mit großem Lärm durchbraust, ist mit seiner schattigen Kühle und seinem<lb/> Tannenduft von unsagbarer Poesie und Schönheit, jedenfalls schöner als irgend<lb/> eine Redwitzsche Dichtung; wir wurden da immer an Jean Paulsche Garten¬<lb/> bilder gemahnt. In nächster Nähe des Schlosses, im Walde verborgen, liegt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0475]
Aaiser Max und seine Jäger.
Auf diesen massigen Gebirgszug gewährt die Plattform des Schlosses Ambras
einen umfassenden Ausblick; wie eine himmelhohe Mauer steigen die bewaldeten
Wände mit erdrückender Unmittelbarkeit vor unsern Augen auf und sperren
jede weitere Aussicht nach dem Norden ab. Weit im Osten, im magischen Blau
der Ferne, sieht man die nackten Felsen des unwirtlichen Kaisergebirges rötlich
weiß in der Sonne leuchten, und unten in der Nähe erheben sich die zahlreichen
Türme des uralten Städtchens Hall, gleich vorn aber die große weiße, kasernen¬
artige Mauer des Irrenhauses, welches die Romantik des verfallenden Städtchens
freilich sehr unpoetisch durchbricht. Hall war einst eine blühende Bergmanus-
stadt; der Jnn war vor wenigen Jahrhunderten noch bis da hinauf schiffbar, und
Hall war die letzte Haltestelle der Flößer. Kaiser Maximilian I. hatte für Hall,
wie mehrere seiner Vorgänger eine besondere Vorliebe. Jetzt ist Hall verarmt,
still wie ein Friedhof, vielleicht besuchen es zur Sommerzeit Brustleidende, um
sich bei den Salinendämpfen Heilung zu holen; sonst zieht es nur wenige
dichterisch fühlende Touristen an, die Sinn für mittelalterliche Städteromantik
haben. Aber unser Ausblick vom Schloß Ambras gleitet darüber hinweg längs
dem breite», flachen Flußbette hin, über die fruchtbaren Felder und saftigen
Auen, über die vielen schönen Wäldchen, über die Landstraße, die wie weiße,
zur Bleiche in die Sonne hingelegte Leinwand sich dahinschlängeln, und über
die merkwürdige Eisenbahn, die auf einem von zahllosen Bogen durchbrochenen
Viadukt die Thalebene überschreitet, um in die Landeshauptstadt einzufahren.
Auch Innsbruck ist dem Kaiser Max sehr viel schuldig, es verdankt ihm auch
sein bedeutendstes Denkmal: in der Hofkirche zu den Franziskanern steht das
berühmte Grabmal des Kaisers. Auch die Gegend von Innsbruck bietet Er¬
innerungen an Kaiser Max. Jenes Landschaftsbild von der Ambraser Plattform
wird im Westen durch die steile Martinswand abgeschlossen, auf der sich der
Sage nach Kaiser Max beim Jagen verirrt hatte, ohne den Niickweg finden
zu können; ein Engel rettete ihn. Gegen den Süden zu erweitert sich die
Landschaft in mehrere Thäler, die bei Innsbruck ausmünden: das Brennerthal,
das Stubai- und das Oberinnthal. Auch das Schloß Ambras selbst ist eine
Sehenswürdigkeit. Die Romantik aber, die es umgiebt, lenkt die Erinnerung
nicht auf Kaiser Maximilian, sondern ans den spätern, protestantcnfeindlichen
Erzherzog Ferdinand und seine schöne bürgerliche Frau Philippine Welser, mit
der er lange Jahre auf dem Schlosse in verliebter Einsamkeit lebte, bis die
Ehe vom Kaiser anerkannt wurde. Oskar von Redwitz hat die Geschichte in einem
thrünenseligen, aber wirksamen Schauspiele behandelt. Der Park des Schlosses
Ambras, der in eine tiefe Schlucht hinabführt, die ein schäumender Alpenbach
mit großem Lärm durchbraust, ist mit seiner schattigen Kühle und seinem
Tannenduft von unsagbarer Poesie und Schönheit, jedenfalls schöner als irgend
eine Redwitzsche Dichtung; wir wurden da immer an Jean Paulsche Garten¬
bilder gemahnt. In nächster Nähe des Schlosses, im Walde verborgen, liegt
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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