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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die Berechtigungen.

Das böte aber zugleich eine vortreffliche Gelegenheit, auch für den mili¬
tärischen Dienst etwas höchst wertvolles zu erreichen: man könnte für die vou
der Bürgerschule kommenden die Berechtigung zum Dienst als Einjährig-Frei¬
willige an die Bedingung des einigermaßen fertigen Sprechens einer fremden
modernen Sprache knüpfen. Von wie großer Wichtigkeit es ist, sich mit Freund
und Feind verständigen zu können, weiß jeder, der im Felde gestanden hat.
Für den Dienst als Ordonnanz, als Quartiermacher, bei Fomagirnngen und
Requisitionen, im Vorposten- und Patrouillendienstc, in den Lazarcten u. s. w.
ist die Kenntnis der Sprache des feindlichen oder des verbündeten Landes ganz
unschätzbar. Aber auch für die jungen Leute selbst wäre das Sprechen einer
fremden Sprache eine äußerst wertvolle Mitgabe für ihr ganzes Leben; denn
unsre Zeit wirft die Menschen bunt durch einander. Den Gymnasien endlich
dürfte eine solche Einrichtung als Sporn dienen, auch ihrerseits in dieser Hin¬
sicht dasjenige zu leisten, was die Gegenwart fordert.

Ist meine Idee schwer durchführbar? Ich glaube nicht. Fast in jeder
kleineren Stadt Deutschlands wird sich irgend eine Persönlichkeit finden, ein
Lehrer, ein Kaufmann u. s. w., der des Französischen oder des Englischen soweit
mächtig ist, um den Unterricht in dieser Sprache zu übernehmen.*) Im Not¬
falle ließe man jemand ein paar Mal in der Woche von auswärts kommen,
wie den Tanzlehrer. Das Italienische, Spanische, Holländische, Dänische, Rus¬
sische müßte natürlich den Bürgerschulen der größer" Städte vorbehalten blei¬
ben. Sollten aber meinem Vorschlage wirklich unüberwindliche Hindernisse ent¬
gegenstehen, dann würde ich mich entschieden dafür erklären, unter zwei Übeln
das kleinere zu wählen, und auch diejenigen zum Dienste als Einjährig-Frei¬
willige zuzulassen, welche die oberste Klasse der Bürgerschule mit guten Zeug¬
nissen verlassen haben.

Den Grundsatz, von der Reserve und Landwehr etwas mehr zu verlangen
als von der aktiven Truppe, würde ich aber auch auf die Offiziere ausdehnen.
Die für die aktiven Offiziere jetzt vorgeschriebene allgemein wissenschaftliche
Prüfung (Fähndrichsprüfnng) verlangt weniger als die Reifeprüfung der Gym¬
nasien. Daher gebe man den Anspruch auf Beförderung zum Reserve- oder
Landwehrvfsizier ausschließlich denjenigen Einjährig-Freiwilligen, die die Reife¬
prüfung auf einem humanistischen oder Realgymnasium bestanden haben. In
Baiern besteht diese Einrichtung sogar für die aktiven Offiziere seit längerer
Zeit, und sein Offizierkorps ist stets vollzählig. Nach dem Gleichen trachtete
schon vor 40 Jahren der um das Unterrichtswesen der preußischen Armee so
hochverdiente General v. Peuckcr. In einer Unterredung mit ihm äußerte ich
meine Bedenken in Betreff der Durchführbarkeit einer solchen Forderung. "Mer-



*) Schwerlich. An guten Lehrern in den modernen Sprachen ist Mangel, die meisten
D. Red. können eben die fremde Sprache nicht sprechen-
Die Berechtigungen.

Das böte aber zugleich eine vortreffliche Gelegenheit, auch für den mili¬
tärischen Dienst etwas höchst wertvolles zu erreichen: man könnte für die vou
der Bürgerschule kommenden die Berechtigung zum Dienst als Einjährig-Frei¬
willige an die Bedingung des einigermaßen fertigen Sprechens einer fremden
modernen Sprache knüpfen. Von wie großer Wichtigkeit es ist, sich mit Freund
und Feind verständigen zu können, weiß jeder, der im Felde gestanden hat.
Für den Dienst als Ordonnanz, als Quartiermacher, bei Fomagirnngen und
Requisitionen, im Vorposten- und Patrouillendienstc, in den Lazarcten u. s. w.
ist die Kenntnis der Sprache des feindlichen oder des verbündeten Landes ganz
unschätzbar. Aber auch für die jungen Leute selbst wäre das Sprechen einer
fremden Sprache eine äußerst wertvolle Mitgabe für ihr ganzes Leben; denn
unsre Zeit wirft die Menschen bunt durch einander. Den Gymnasien endlich
dürfte eine solche Einrichtung als Sporn dienen, auch ihrerseits in dieser Hin¬
sicht dasjenige zu leisten, was die Gegenwart fordert.

Ist meine Idee schwer durchführbar? Ich glaube nicht. Fast in jeder
kleineren Stadt Deutschlands wird sich irgend eine Persönlichkeit finden, ein
Lehrer, ein Kaufmann u. s. w., der des Französischen oder des Englischen soweit
mächtig ist, um den Unterricht in dieser Sprache zu übernehmen.*) Im Not¬
falle ließe man jemand ein paar Mal in der Woche von auswärts kommen,
wie den Tanzlehrer. Das Italienische, Spanische, Holländische, Dänische, Rus¬
sische müßte natürlich den Bürgerschulen der größer» Städte vorbehalten blei¬
ben. Sollten aber meinem Vorschlage wirklich unüberwindliche Hindernisse ent¬
gegenstehen, dann würde ich mich entschieden dafür erklären, unter zwei Übeln
das kleinere zu wählen, und auch diejenigen zum Dienste als Einjährig-Frei¬
willige zuzulassen, welche die oberste Klasse der Bürgerschule mit guten Zeug¬
nissen verlassen haben.

Den Grundsatz, von der Reserve und Landwehr etwas mehr zu verlangen
als von der aktiven Truppe, würde ich aber auch auf die Offiziere ausdehnen.
Die für die aktiven Offiziere jetzt vorgeschriebene allgemein wissenschaftliche
Prüfung (Fähndrichsprüfnng) verlangt weniger als die Reifeprüfung der Gym¬
nasien. Daher gebe man den Anspruch auf Beförderung zum Reserve- oder
Landwehrvfsizier ausschließlich denjenigen Einjährig-Freiwilligen, die die Reife¬
prüfung auf einem humanistischen oder Realgymnasium bestanden haben. In
Baiern besteht diese Einrichtung sogar für die aktiven Offiziere seit längerer
Zeit, und sein Offizierkorps ist stets vollzählig. Nach dem Gleichen trachtete
schon vor 40 Jahren der um das Unterrichtswesen der preußischen Armee so
hochverdiente General v. Peuckcr. In einer Unterredung mit ihm äußerte ich
meine Bedenken in Betreff der Durchführbarkeit einer solchen Forderung. „Mer-



*) Schwerlich. An guten Lehrern in den modernen Sprachen ist Mangel, die meisten
D. Red. können eben die fremde Sprache nicht sprechen-
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[0464] Die Berechtigungen. Das böte aber zugleich eine vortreffliche Gelegenheit, auch für den mili¬ tärischen Dienst etwas höchst wertvolles zu erreichen: man könnte für die vou der Bürgerschule kommenden die Berechtigung zum Dienst als Einjährig-Frei¬ willige an die Bedingung des einigermaßen fertigen Sprechens einer fremden modernen Sprache knüpfen. Von wie großer Wichtigkeit es ist, sich mit Freund und Feind verständigen zu können, weiß jeder, der im Felde gestanden hat. Für den Dienst als Ordonnanz, als Quartiermacher, bei Fomagirnngen und Requisitionen, im Vorposten- und Patrouillendienstc, in den Lazarcten u. s. w. ist die Kenntnis der Sprache des feindlichen oder des verbündeten Landes ganz unschätzbar. Aber auch für die jungen Leute selbst wäre das Sprechen einer fremden Sprache eine äußerst wertvolle Mitgabe für ihr ganzes Leben; denn unsre Zeit wirft die Menschen bunt durch einander. Den Gymnasien endlich dürfte eine solche Einrichtung als Sporn dienen, auch ihrerseits in dieser Hin¬ sicht dasjenige zu leisten, was die Gegenwart fordert. Ist meine Idee schwer durchführbar? Ich glaube nicht. Fast in jeder kleineren Stadt Deutschlands wird sich irgend eine Persönlichkeit finden, ein Lehrer, ein Kaufmann u. s. w., der des Französischen oder des Englischen soweit mächtig ist, um den Unterricht in dieser Sprache zu übernehmen.*) Im Not¬ falle ließe man jemand ein paar Mal in der Woche von auswärts kommen, wie den Tanzlehrer. Das Italienische, Spanische, Holländische, Dänische, Rus¬ sische müßte natürlich den Bürgerschulen der größer» Städte vorbehalten blei¬ ben. Sollten aber meinem Vorschlage wirklich unüberwindliche Hindernisse ent¬ gegenstehen, dann würde ich mich entschieden dafür erklären, unter zwei Übeln das kleinere zu wählen, und auch diejenigen zum Dienste als Einjährig-Frei¬ willige zuzulassen, welche die oberste Klasse der Bürgerschule mit guten Zeug¬ nissen verlassen haben. Den Grundsatz, von der Reserve und Landwehr etwas mehr zu verlangen als von der aktiven Truppe, würde ich aber auch auf die Offiziere ausdehnen. Die für die aktiven Offiziere jetzt vorgeschriebene allgemein wissenschaftliche Prüfung (Fähndrichsprüfnng) verlangt weniger als die Reifeprüfung der Gym¬ nasien. Daher gebe man den Anspruch auf Beförderung zum Reserve- oder Landwehrvfsizier ausschließlich denjenigen Einjährig-Freiwilligen, die die Reife¬ prüfung auf einem humanistischen oder Realgymnasium bestanden haben. In Baiern besteht diese Einrichtung sogar für die aktiven Offiziere seit längerer Zeit, und sein Offizierkorps ist stets vollzählig. Nach dem Gleichen trachtete schon vor 40 Jahren der um das Unterrichtswesen der preußischen Armee so hochverdiente General v. Peuckcr. In einer Unterredung mit ihm äußerte ich meine Bedenken in Betreff der Durchführbarkeit einer solchen Forderung. „Mer- *) Schwerlich. An guten Lehrern in den modernen Sprachen ist Mangel, die meisten D. Red. können eben die fremde Sprache nicht sprechen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/464>, abgerufen am 22.07.2024.