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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Von der Romfahrt bis zu den preußischen Laudtcigswahlen.

wetteiferten mit einander in dem Bestreben, die Verbrüderung des apenni¬
nischen Königreichs und des deutschen Kaiserreichs glanzvoll zu feiern. Denn
das war es, dem aller Glanz und alle Herrlichkeit gelten sollte, die Ver¬
brüderung der beiden Reiche, wie sie sich im Angesichte des Vatikans vollzog.
So sehr auch jegliche Demonstration, mit der der Vatikan getroffen werden
konnte, wie sich von selbst versteht, vermieden werden sollte, so wenig konnte
doch durch die ganze Halbinsel hin die Freude erstickt werden, die der patrio¬
tische Italiener bei jedem Ereignis empfindet, das die Unmöglichkeit der ihm
bis in den Tod verhaßten politischen Papstwirtschaft der Welt deutlich aufweist.
Und das that die Begrüßung des italienischen Königs durch den deutschen Kaiser
in seinem Palaste zu Rom.

Während der Reise des Kaisers kamen schlimme Nachrichten aus Ostafrika.
Aber jedes eine koloniale Politik befolgende Land hat die Erfahrung von
schweren Opfern an Geld und Menschen machen müssen, und es gehört nur
etwas patriotischer Sinn dazu, zu wissen und zu verlangen, daß, je größer
die Vergewaltigung ist, desto größer die Sühne sein muß. Wer freilich denkt,
daß unsre Freisinnigen diesen patriotischen Sinn hätten, der den deutschen
Namen nicht beschimpfen läßt, der irrt sich. Die gehässigsten englischen Berichte
wurden mit Freuden von diesen Blättern abgedruckt; je mehr der Unglücks¬
botschaften kamen, desto lauter jubelten die freisinnigen Heuchler, daß ihre
Warnungen sich jetzt erfüllten; ja sie brachten die Schmach zu stände, der
ostafrikanischen Gesellschaft zu raten, ihre Besitzungen aufzugeben und damit
auch diese für Deutschland verloren gehen zu lassen. Diese Jammerseelcn werden
ja hoffentlich erfahren, daß, wenn die deutsche Regierung einen Schutzbrief
ausstellt, sie diesem auch Kraft und Wirkung zu geben vermag. Und so glauben
wir, daß die Kooperation Deutschlands und Englands gegen den afrikanischen
Sklavenhandel, zu der jetzt auch Portugal beigetreten ist, und die zunächst in einer
großartig ausgedehnten Blokade besteht, doch nicht die einzige und letzte Ma߬
regel sein wird, mit der sich Deutschland zur Erfüllung seiner kolonisatorischen
Aufgaben in Afrika begnügt. Endlich ist auch England auf den Vorschlag
Deutschlands, zugleich mit der Blokade ein Einfuhrverbot von Waffen und Pulver
nach dem innern Afrika eintreten zu lassen, eingegangen. Damit ist die Kultur¬
arbeit in Afrika für die europäischen Nationen unendlich viel leichter geworden;
eine energische Unterdrückung des Sklavenhandels, die bisher vielfach unter dem
Einfluß der englischen Handelshäuser in Sansibar selbst und unter der Benutzung
der französischen Flagge nicht möglich war, ist in Zukunft zu hoffen. Wenn
aber der Sklavenhandel für die Araber nicht mehr möglich ist, so wird auch
die Sklavenjagd aufhören, und damit schwindet die bis jetzt über dem unglück¬
lichen Erdteil stehende Gefahr, daß seine Eingebornen allmählich ausgerottet
und so die Kräfte für die Kultivirung des Bodens vernichtet werden. Zwar
weisen Kenner afrikanischer Verhältnisse darauf hin, daß bei den steten innern


Von der Romfahrt bis zu den preußischen Laudtcigswahlen.

wetteiferten mit einander in dem Bestreben, die Verbrüderung des apenni¬
nischen Königreichs und des deutschen Kaiserreichs glanzvoll zu feiern. Denn
das war es, dem aller Glanz und alle Herrlichkeit gelten sollte, die Ver¬
brüderung der beiden Reiche, wie sie sich im Angesichte des Vatikans vollzog.
So sehr auch jegliche Demonstration, mit der der Vatikan getroffen werden
konnte, wie sich von selbst versteht, vermieden werden sollte, so wenig konnte
doch durch die ganze Halbinsel hin die Freude erstickt werden, die der patrio¬
tische Italiener bei jedem Ereignis empfindet, das die Unmöglichkeit der ihm
bis in den Tod verhaßten politischen Papstwirtschaft der Welt deutlich aufweist.
Und das that die Begrüßung des italienischen Königs durch den deutschen Kaiser
in seinem Palaste zu Rom.

Während der Reise des Kaisers kamen schlimme Nachrichten aus Ostafrika.
Aber jedes eine koloniale Politik befolgende Land hat die Erfahrung von
schweren Opfern an Geld und Menschen machen müssen, und es gehört nur
etwas patriotischer Sinn dazu, zu wissen und zu verlangen, daß, je größer
die Vergewaltigung ist, desto größer die Sühne sein muß. Wer freilich denkt,
daß unsre Freisinnigen diesen patriotischen Sinn hätten, der den deutschen
Namen nicht beschimpfen läßt, der irrt sich. Die gehässigsten englischen Berichte
wurden mit Freuden von diesen Blättern abgedruckt; je mehr der Unglücks¬
botschaften kamen, desto lauter jubelten die freisinnigen Heuchler, daß ihre
Warnungen sich jetzt erfüllten; ja sie brachten die Schmach zu stände, der
ostafrikanischen Gesellschaft zu raten, ihre Besitzungen aufzugeben und damit
auch diese für Deutschland verloren gehen zu lassen. Diese Jammerseelcn werden
ja hoffentlich erfahren, daß, wenn die deutsche Regierung einen Schutzbrief
ausstellt, sie diesem auch Kraft und Wirkung zu geben vermag. Und so glauben
wir, daß die Kooperation Deutschlands und Englands gegen den afrikanischen
Sklavenhandel, zu der jetzt auch Portugal beigetreten ist, und die zunächst in einer
großartig ausgedehnten Blokade besteht, doch nicht die einzige und letzte Ma߬
regel sein wird, mit der sich Deutschland zur Erfüllung seiner kolonisatorischen
Aufgaben in Afrika begnügt. Endlich ist auch England auf den Vorschlag
Deutschlands, zugleich mit der Blokade ein Einfuhrverbot von Waffen und Pulver
nach dem innern Afrika eintreten zu lassen, eingegangen. Damit ist die Kultur¬
arbeit in Afrika für die europäischen Nationen unendlich viel leichter geworden;
eine energische Unterdrückung des Sklavenhandels, die bisher vielfach unter dem
Einfluß der englischen Handelshäuser in Sansibar selbst und unter der Benutzung
der französischen Flagge nicht möglich war, ist in Zukunft zu hoffen. Wenn
aber der Sklavenhandel für die Araber nicht mehr möglich ist, so wird auch
die Sklavenjagd aufhören, und damit schwindet die bis jetzt über dem unglück¬
lichen Erdteil stehende Gefahr, daß seine Eingebornen allmählich ausgerottet
und so die Kräfte für die Kultivirung des Bodens vernichtet werden. Zwar
weisen Kenner afrikanischer Verhältnisse darauf hin, daß bei den steten innern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/442>, abgerufen am 30.06.2024.