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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die Universitäten im Mittelalter.

durch seine möglicherweise ausschlaggebende Bedeutung viel gefährlichern Kampf
zu bestehen. Die grosze, in ihren Anfängen sehr segensreiche Macht der Bettel¬
orden (der Dominikaner und Franziskaner) im wissenschaftlichen Leben des
Mittelalters ist allgemein bekannt. Ebenso aber auch die haßerfüllte Opposition,
die starre Negation, die sie schließlich dem Fortgange der Wissenschaften ent¬
gegensetzten. Aus der löblichen Erkenntnis der Verrottnng des durch die gre¬
gorianischen Siege grenzenlos übermütigen Klerus hervorgegangen, hatten diese
Orden von Anfang an ihre besondre Pflege der von ihm vernachlässigten
Wissenschaft zugewandt. Die Universität Paris ermunterte sie in diesem Be¬
streben und schenkt ihnen ihr erstes Ordenshaus, das in der Weltgeschichte
noch später so traurig berühmte Kloster Se. Jakob, das ihnen ihren Namen
gab. Aber die mittelalterlichen Jakobitcn oder Jakobiner waren nicht minder
gefährliche Freunde der akademischen Freiheit, als die neuzeitlichen Freunde
der politischen. Aus den freundlich geförderten Mitarbeitern wurden sehr
bald gefährliche und erdrückende Konkurrenten. Wenn es auch hier mit
Hilfe der sich bald den Machtgelüsten der Orden entgegenwerfenden Strö¬
mung gelang, ihrer Herr zu bleiben und das Aufgehen der Universität in
Ordenscmstaltcn zu verhüten, ein wichtiger Faktor im Universitätsleben blieben
sie doch. Man muß die Vorteile berücksichtigen, welche die Orden im
Universitätsleben doch unzweifelhaft auch boten. Der freie Student und
Magister stand für sich allein, den Stürmen des Lebens preisgegeben, bei
wissenschaftlichen Angriffen auf sich selbst angewiesen. Der kongregirte Ordens¬
mann fand sich schon als Schüler in einer gesicherten Stellung, in einer
Umgebung, die allerdings für ihn dachte, die sich aber auch für ihn interes-
sirte, ihn vor Not und Sorgen und als Lehrer vor Mißerfolgen möglichst
sicherte, auf deren Deckung er, wissenschaftlich angegriffen, rechnen konnte, und
was der Vorteile mehr sind, die sich jede Zeit aus ihrem eignen wissenschaft¬
lichen Leben wird abziehen können. "Alles das macht keinen großen Gelehrten,
aber es hilft dem, der sonst dazu beanlagt ist, über die größten Schwierig¬
keiten hinweg, es befreit die Seele von demjenigen Druck, dem nicht selten
gerade die tiefer angelegten Naturen erliegen, weil sie neben dem treibenden
Gefühlen ihrer Gaben und ihrer Kraft auch die Unruhe empfinden, welche die
unlösbaren Rätsel erwecken, an die die Forschung hinführt." Diese Vor¬
teile, welche die Magister und Scholaren der Ordenshäuser vor den übrigen
hatten, traten zu deutlich hervor, als daß man sich dem hätte verschließen
können, und um ihnen entgegen zu wirken, griff man nach dem besten Mitttel,
das sich bot, indem man ähnliche Einrichtungen ohne Ordenscharakter für die
freien Scholaren traf. Es sind die Kollegien, von denen manche so bedeutungs¬
voll werden sollten. Die erste und zugleich berühmteste Stiftung dieser Art ging
von einem Privatmanne, dem Kanonikus Robert von Sorbon, aus; es war
die durch ihre Einrichtung, ihre Bibliothek, den Eifer und die Erfolge ihrer


Grenzboten IV. 1833. 5
Die Universitäten im Mittelalter.

durch seine möglicherweise ausschlaggebende Bedeutung viel gefährlichern Kampf
zu bestehen. Die grosze, in ihren Anfängen sehr segensreiche Macht der Bettel¬
orden (der Dominikaner und Franziskaner) im wissenschaftlichen Leben des
Mittelalters ist allgemein bekannt. Ebenso aber auch die haßerfüllte Opposition,
die starre Negation, die sie schließlich dem Fortgange der Wissenschaften ent¬
gegensetzten. Aus der löblichen Erkenntnis der Verrottnng des durch die gre¬
gorianischen Siege grenzenlos übermütigen Klerus hervorgegangen, hatten diese
Orden von Anfang an ihre besondre Pflege der von ihm vernachlässigten
Wissenschaft zugewandt. Die Universität Paris ermunterte sie in diesem Be¬
streben und schenkt ihnen ihr erstes Ordenshaus, das in der Weltgeschichte
noch später so traurig berühmte Kloster Se. Jakob, das ihnen ihren Namen
gab. Aber die mittelalterlichen Jakobitcn oder Jakobiner waren nicht minder
gefährliche Freunde der akademischen Freiheit, als die neuzeitlichen Freunde
der politischen. Aus den freundlich geförderten Mitarbeitern wurden sehr
bald gefährliche und erdrückende Konkurrenten. Wenn es auch hier mit
Hilfe der sich bald den Machtgelüsten der Orden entgegenwerfenden Strö¬
mung gelang, ihrer Herr zu bleiben und das Aufgehen der Universität in
Ordenscmstaltcn zu verhüten, ein wichtiger Faktor im Universitätsleben blieben
sie doch. Man muß die Vorteile berücksichtigen, welche die Orden im
Universitätsleben doch unzweifelhaft auch boten. Der freie Student und
Magister stand für sich allein, den Stürmen des Lebens preisgegeben, bei
wissenschaftlichen Angriffen auf sich selbst angewiesen. Der kongregirte Ordens¬
mann fand sich schon als Schüler in einer gesicherten Stellung, in einer
Umgebung, die allerdings für ihn dachte, die sich aber auch für ihn interes-
sirte, ihn vor Not und Sorgen und als Lehrer vor Mißerfolgen möglichst
sicherte, auf deren Deckung er, wissenschaftlich angegriffen, rechnen konnte, und
was der Vorteile mehr sind, die sich jede Zeit aus ihrem eignen wissenschaft¬
lichen Leben wird abziehen können. „Alles das macht keinen großen Gelehrten,
aber es hilft dem, der sonst dazu beanlagt ist, über die größten Schwierig¬
keiten hinweg, es befreit die Seele von demjenigen Druck, dem nicht selten
gerade die tiefer angelegten Naturen erliegen, weil sie neben dem treibenden
Gefühlen ihrer Gaben und ihrer Kraft auch die Unruhe empfinden, welche die
unlösbaren Rätsel erwecken, an die die Forschung hinführt." Diese Vor¬
teile, welche die Magister und Scholaren der Ordenshäuser vor den übrigen
hatten, traten zu deutlich hervor, als daß man sich dem hätte verschließen
können, und um ihnen entgegen zu wirken, griff man nach dem besten Mitttel,
das sich bot, indem man ähnliche Einrichtungen ohne Ordenscharakter für die
freien Scholaren traf. Es sind die Kollegien, von denen manche so bedeutungs¬
voll werden sollten. Die erste und zugleich berühmteste Stiftung dieser Art ging
von einem Privatmanne, dem Kanonikus Robert von Sorbon, aus; es war
die durch ihre Einrichtung, ihre Bibliothek, den Eifer und die Erfolge ihrer


Grenzboten IV. 1833. 5
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[0041] Die Universitäten im Mittelalter. durch seine möglicherweise ausschlaggebende Bedeutung viel gefährlichern Kampf zu bestehen. Die grosze, in ihren Anfängen sehr segensreiche Macht der Bettel¬ orden (der Dominikaner und Franziskaner) im wissenschaftlichen Leben des Mittelalters ist allgemein bekannt. Ebenso aber auch die haßerfüllte Opposition, die starre Negation, die sie schließlich dem Fortgange der Wissenschaften ent¬ gegensetzten. Aus der löblichen Erkenntnis der Verrottnng des durch die gre¬ gorianischen Siege grenzenlos übermütigen Klerus hervorgegangen, hatten diese Orden von Anfang an ihre besondre Pflege der von ihm vernachlässigten Wissenschaft zugewandt. Die Universität Paris ermunterte sie in diesem Be¬ streben und schenkt ihnen ihr erstes Ordenshaus, das in der Weltgeschichte noch später so traurig berühmte Kloster Se. Jakob, das ihnen ihren Namen gab. Aber die mittelalterlichen Jakobitcn oder Jakobiner waren nicht minder gefährliche Freunde der akademischen Freiheit, als die neuzeitlichen Freunde der politischen. Aus den freundlich geförderten Mitarbeitern wurden sehr bald gefährliche und erdrückende Konkurrenten. Wenn es auch hier mit Hilfe der sich bald den Machtgelüsten der Orden entgegenwerfenden Strö¬ mung gelang, ihrer Herr zu bleiben und das Aufgehen der Universität in Ordenscmstaltcn zu verhüten, ein wichtiger Faktor im Universitätsleben blieben sie doch. Man muß die Vorteile berücksichtigen, welche die Orden im Universitätsleben doch unzweifelhaft auch boten. Der freie Student und Magister stand für sich allein, den Stürmen des Lebens preisgegeben, bei wissenschaftlichen Angriffen auf sich selbst angewiesen. Der kongregirte Ordens¬ mann fand sich schon als Schüler in einer gesicherten Stellung, in einer Umgebung, die allerdings für ihn dachte, die sich aber auch für ihn interes- sirte, ihn vor Not und Sorgen und als Lehrer vor Mißerfolgen möglichst sicherte, auf deren Deckung er, wissenschaftlich angegriffen, rechnen konnte, und was der Vorteile mehr sind, die sich jede Zeit aus ihrem eignen wissenschaft¬ lichen Leben wird abziehen können. „Alles das macht keinen großen Gelehrten, aber es hilft dem, der sonst dazu beanlagt ist, über die größten Schwierig¬ keiten hinweg, es befreit die Seele von demjenigen Druck, dem nicht selten gerade die tiefer angelegten Naturen erliegen, weil sie neben dem treibenden Gefühlen ihrer Gaben und ihrer Kraft auch die Unruhe empfinden, welche die unlösbaren Rätsel erwecken, an die die Forschung hinführt." Diese Vor¬ teile, welche die Magister und Scholaren der Ordenshäuser vor den übrigen hatten, traten zu deutlich hervor, als daß man sich dem hätte verschließen können, und um ihnen entgegen zu wirken, griff man nach dem besten Mitttel, das sich bot, indem man ähnliche Einrichtungen ohne Ordenscharakter für die freien Scholaren traf. Es sind die Kollegien, von denen manche so bedeutungs¬ voll werden sollten. Die erste und zugleich berühmteste Stiftung dieser Art ging von einem Privatmanne, dem Kanonikus Robert von Sorbon, aus; es war die durch ihre Einrichtung, ihre Bibliothek, den Eifer und die Erfolge ihrer Grenzboten IV. 1833. 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/41>, abgerufen am 25.07.2024.