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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens.

Wenn in der alten Rangordnung, welche die drei Hansestädte beibehalten
hatten, Lübeck obenan, Bremen in der Mitte, Hamburg zuletzt stand, so sollte
doch gerade die Hafenstadt an der Elbe sich nicht nur zum ersten Handelsplätze
des europäischen Festlandes vom Finnischen Meerbusen bis zur Straße von
Gibraltar und von Gibraltar bis zum Schwarzen Meer, sondern zum dritten
Handelsplatze der Welt erheben. Während die übrigen Hansestädte die vor
Alba flüchtenden reformirten Niederländer mit doppelter Steuer bis zum Enkel
belegten und vom Eintritt in die Zünfte ausschlossen, ward Hamburg das gast¬
freundliche Asyl sowohl für sie, als auch für die Engländer, für französische
Hugenotten, spanische und portugiesische Juden, für alle die Verlornen, welche
die Brandung der Religionskriege an den Strand warf. Weit mehr noch als
die beiden Schwesterstädte hatte Hamburg der Neutralität zu danken, die ihm
der Pariser Vertrag von 1717 während etwaiger deutsch-französischer Kriege
zugesichert, und die der Neichsdeputations-Hauptschluß im Jahre 1803 noch
einmal ausdrücklich bestätigt hatte. Unvergessen sind noch heute in Hamburg
die glücklichen Tage der Revolutionskriege, wo der Ertrag der Zölle sich ver¬
vierfacht, die Häusermiete sich versechsfacht hatte, und die Zahl der einlaufenden
Schiffe in acht Jahren von 1504 auf 1960 gestiegen war. Freilich wurden
dann dem Hamburger Handel durch die Kontinentalsperre, durch die Einver¬
leibung in das französische Kaiserreich, durch die unbarmherzige Hand Davoust's
schwere Wunden geschlagen. Aber unmittelbar darauf sollte es sich in den vom
Mutterlande abgefallenen spanischen Kolonien in Mittel- und Südamerika und
in dem von Portugal sich lösenden neuen Kaisertum Brasilien sein eigenstes
Handelsgebiet erwerben, wie Bremen das seinige in den Vereinigten Staaten
von Amerika gefunden hatte. Als der große Brand von 1842 ein Drittel der
Stadt in Schutt und Asche legte, bauten sie die Hamburger in Windeseile
wieder auf. Obwohl das welfische Hannover den Staber Zoll von allen ein¬
gehenden Seeschiffen erhob, übernahmen sie freiwillig die Sorge und die Kosten
für das Fahrwasser der Niederelbe und schufen allein mit ihren Mitteln jene
viel bewunderten Hafenbassins, Quais und Docks, die erst in unsern Tagen
durch das Riesenwerk der Zollanschlußbauten überholt werden sollten. Aus
eigenen Kräften errichteten sie ihre zahlreichen Dampferlinien, die nicht das
wenigste dazu beitrugen, daß heute die deutsche Handelsmarine die dritte, wenn
nicht die zweite der Welt ist. Während dessen zogen alljährlich Hunderte von
jungen Kaufleuten aus, um alle Küsten der bewohnten Erdteile mit einem Netz
von Faktoreien zu bedecken, die dem deutschen Namen überall Ehre bringen.
Nur indem von diesen Hamburger msroliWts iuIvMtui-Ms ein nicht geringerer
Prozentsatz den klimatischen Verhältnissen, den Elementen und den Nachstellungen
barbarischer Feinde erlag, als von Preußens unbesiegbaren Bataillonen und
unwiderstehlichen Reiterscharen den Tod für das Vaterland gestorben ist,
konnten die Grundlagen gewonnen werden, auf denen sich gegenwärtig die


Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens.

Wenn in der alten Rangordnung, welche die drei Hansestädte beibehalten
hatten, Lübeck obenan, Bremen in der Mitte, Hamburg zuletzt stand, so sollte
doch gerade die Hafenstadt an der Elbe sich nicht nur zum ersten Handelsplätze
des europäischen Festlandes vom Finnischen Meerbusen bis zur Straße von
Gibraltar und von Gibraltar bis zum Schwarzen Meer, sondern zum dritten
Handelsplatze der Welt erheben. Während die übrigen Hansestädte die vor
Alba flüchtenden reformirten Niederländer mit doppelter Steuer bis zum Enkel
belegten und vom Eintritt in die Zünfte ausschlossen, ward Hamburg das gast¬
freundliche Asyl sowohl für sie, als auch für die Engländer, für französische
Hugenotten, spanische und portugiesische Juden, für alle die Verlornen, welche
die Brandung der Religionskriege an den Strand warf. Weit mehr noch als
die beiden Schwesterstädte hatte Hamburg der Neutralität zu danken, die ihm
der Pariser Vertrag von 1717 während etwaiger deutsch-französischer Kriege
zugesichert, und die der Neichsdeputations-Hauptschluß im Jahre 1803 noch
einmal ausdrücklich bestätigt hatte. Unvergessen sind noch heute in Hamburg
die glücklichen Tage der Revolutionskriege, wo der Ertrag der Zölle sich ver¬
vierfacht, die Häusermiete sich versechsfacht hatte, und die Zahl der einlaufenden
Schiffe in acht Jahren von 1504 auf 1960 gestiegen war. Freilich wurden
dann dem Hamburger Handel durch die Kontinentalsperre, durch die Einver¬
leibung in das französische Kaiserreich, durch die unbarmherzige Hand Davoust's
schwere Wunden geschlagen. Aber unmittelbar darauf sollte es sich in den vom
Mutterlande abgefallenen spanischen Kolonien in Mittel- und Südamerika und
in dem von Portugal sich lösenden neuen Kaisertum Brasilien sein eigenstes
Handelsgebiet erwerben, wie Bremen das seinige in den Vereinigten Staaten
von Amerika gefunden hatte. Als der große Brand von 1842 ein Drittel der
Stadt in Schutt und Asche legte, bauten sie die Hamburger in Windeseile
wieder auf. Obwohl das welfische Hannover den Staber Zoll von allen ein¬
gehenden Seeschiffen erhob, übernahmen sie freiwillig die Sorge und die Kosten
für das Fahrwasser der Niederelbe und schufen allein mit ihren Mitteln jene
viel bewunderten Hafenbassins, Quais und Docks, die erst in unsern Tagen
durch das Riesenwerk der Zollanschlußbauten überholt werden sollten. Aus
eigenen Kräften errichteten sie ihre zahlreichen Dampferlinien, die nicht das
wenigste dazu beitrugen, daß heute die deutsche Handelsmarine die dritte, wenn
nicht die zweite der Welt ist. Während dessen zogen alljährlich Hunderte von
jungen Kaufleuten aus, um alle Küsten der bewohnten Erdteile mit einem Netz
von Faktoreien zu bedecken, die dem deutschen Namen überall Ehre bringen.
Nur indem von diesen Hamburger msroliWts iuIvMtui-Ms ein nicht geringerer
Prozentsatz den klimatischen Verhältnissen, den Elementen und den Nachstellungen
barbarischer Feinde erlag, als von Preußens unbesiegbaren Bataillonen und
unwiderstehlichen Reiterscharen den Tod für das Vaterland gestorben ist,
konnten die Grundlagen gewonnen werden, auf denen sich gegenwärtig die


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[0395] Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens. Wenn in der alten Rangordnung, welche die drei Hansestädte beibehalten hatten, Lübeck obenan, Bremen in der Mitte, Hamburg zuletzt stand, so sollte doch gerade die Hafenstadt an der Elbe sich nicht nur zum ersten Handelsplätze des europäischen Festlandes vom Finnischen Meerbusen bis zur Straße von Gibraltar und von Gibraltar bis zum Schwarzen Meer, sondern zum dritten Handelsplatze der Welt erheben. Während die übrigen Hansestädte die vor Alba flüchtenden reformirten Niederländer mit doppelter Steuer bis zum Enkel belegten und vom Eintritt in die Zünfte ausschlossen, ward Hamburg das gast¬ freundliche Asyl sowohl für sie, als auch für die Engländer, für französische Hugenotten, spanische und portugiesische Juden, für alle die Verlornen, welche die Brandung der Religionskriege an den Strand warf. Weit mehr noch als die beiden Schwesterstädte hatte Hamburg der Neutralität zu danken, die ihm der Pariser Vertrag von 1717 während etwaiger deutsch-französischer Kriege zugesichert, und die der Neichsdeputations-Hauptschluß im Jahre 1803 noch einmal ausdrücklich bestätigt hatte. Unvergessen sind noch heute in Hamburg die glücklichen Tage der Revolutionskriege, wo der Ertrag der Zölle sich ver¬ vierfacht, die Häusermiete sich versechsfacht hatte, und die Zahl der einlaufenden Schiffe in acht Jahren von 1504 auf 1960 gestiegen war. Freilich wurden dann dem Hamburger Handel durch die Kontinentalsperre, durch die Einver¬ leibung in das französische Kaiserreich, durch die unbarmherzige Hand Davoust's schwere Wunden geschlagen. Aber unmittelbar darauf sollte es sich in den vom Mutterlande abgefallenen spanischen Kolonien in Mittel- und Südamerika und in dem von Portugal sich lösenden neuen Kaisertum Brasilien sein eigenstes Handelsgebiet erwerben, wie Bremen das seinige in den Vereinigten Staaten von Amerika gefunden hatte. Als der große Brand von 1842 ein Drittel der Stadt in Schutt und Asche legte, bauten sie die Hamburger in Windeseile wieder auf. Obwohl das welfische Hannover den Staber Zoll von allen ein¬ gehenden Seeschiffen erhob, übernahmen sie freiwillig die Sorge und die Kosten für das Fahrwasser der Niederelbe und schufen allein mit ihren Mitteln jene viel bewunderten Hafenbassins, Quais und Docks, die erst in unsern Tagen durch das Riesenwerk der Zollanschlußbauten überholt werden sollten. Aus eigenen Kräften errichteten sie ihre zahlreichen Dampferlinien, die nicht das wenigste dazu beitrugen, daß heute die deutsche Handelsmarine die dritte, wenn nicht die zweite der Welt ist. Während dessen zogen alljährlich Hunderte von jungen Kaufleuten aus, um alle Küsten der bewohnten Erdteile mit einem Netz von Faktoreien zu bedecken, die dem deutschen Namen überall Ehre bringen. Nur indem von diesen Hamburger msroliWts iuIvMtui-Ms ein nicht geringerer Prozentsatz den klimatischen Verhältnissen, den Elementen und den Nachstellungen barbarischer Feinde erlag, als von Preußens unbesiegbaren Bataillonen und unwiderstehlichen Reiterscharen den Tod für das Vaterland gestorben ist, konnten die Grundlagen gewonnen werden, auf denen sich gegenwärtig die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/395>, abgerufen am 24.08.2024.