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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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unverhehlter Abneigung entgegen. Während der Papst seine hohe Befriedigung
aussprach und in dem Breve an den Erzbischof von Köln verkündete, daß
nunmehr den Katholiken Preußens die Ausübung der Religion wieder in
befriedigender Weise gesichert sei, ferner in der Ansprache an das Kardinals-
kollcgium vom 23. Mai verkündete: oorts ii-sxsrriino M vertiimini lois iiu-
positus, .... proptores^us Oco sinZuIg-roh Zr^tiÄ" se gAinius se naveinus,
sahen diejenigen Katholiken, die dem Papste ihren Dank darbringen wollten,
in der Zcntrumspresse sich aufs heftigste geschmäht und angegriffen; es genügt
in dieser Beziehung an die Erklärung des Grafen Brühl vom 14. Mai v. I.
zu erinnern. Die Elemente, die im Frühling 1871 ohne, ja gegen den Willen
des damaligen Papstes in so überraschender Weise den Kampf gegen Reich und
Staat begonnen und sechzehn Jahre lang durchgeführt hatten, wollten in ihren
Plänen nicht durch seinen Nachfolger gestört sein.

Man wende nicht ein, die Zentrumsführerschaft habe durch ihr Verhalten
in der Zollfrage der Regierung ein Entgegenkommen und eine Bereitwilligkeit
zu friedlicher Mitarbeit bethätigt; ein andres Verhalten hätte einfach die
Existenz der Partei und ihrer Parlamentsfraktion in Frage gestellt. Überwiegend
aus ländlichen Wahlkreisen hervorgegangen, konnte sie sich nicht in geraden
Gegensatz zu deren materiellen Bedürfnissen stellen. Die Stärkung des Staates
durch Bewilligung der Zölle war daher für Herrn Windhorst ein unausweich¬
liches Gebot der Lage gewesen, die damit verbundene Herstellung einer konser¬
vativ-klerikalen Mehrheit sollte ihm weitere günstige Aussichten eröffnen. Ebenso
konnte die Partei ihre Mitwirkung auf dem Gebiete der Sozialgesetzgebung nicht
versagen. Dagegen hatte ihr Verhalten in der Septennatsfrage bewiesen, wie
wenig ihr an der Förderung des innern Friedens gelegen und wie gering die
Widerstandskraft der einsichtigeren Elemente gegen die Windthorstsche Politik
und deren Ziele war. Dieselbe Unbotmäßigkeit, welche die Zentrumsführerschaft
hierbei dem Papste gegenüber an den Tag gelegt hatte, bekundete sie auch an¬
gesichts des Friedensschlusses. Konnte sich das Zentrum der Annahme des
Kirchengesetzes füglich nicht entgegenstellen, so ließ dagegen die Sprache der Zen-
trumspresfe niemanden im Zweifel, mit welchen Gesinnungen der Friede ange¬
nommen wurde. Ging doch ein schlesisches Blatt so weit, zu erklären, daß
"der Papst das Zentrum verleugnet habe." Im August versammelten sich
die Bischöfe zwar in Fulda und gaben nach Beratung der Huldigungsadresse
ihrem Dank in einem gemeinsamen Hirtenbriefe Ausdruck, worin sie die Gläu¬
bigen aufforderten, "beim Anblick bessrer Zeiten freudigen Gefühlen Raum zu
geben," aber im September folgte die Trierer Katholikenversammlung, die eine
derartige Dankeskundgebung nicht für erforderlich erachtete, auf der dagegen
Herr Windthorst den Kampf um die Schule von neuem ankündigte. Ein in
Schlesien gemachter Versuch, die katholischen Pfarrer zu verpflichten, eine Stelle,
an der das staatliche Einspruchsrecht geübt worden sei, überhaupt nicht arm-


unverhehlter Abneigung entgegen. Während der Papst seine hohe Befriedigung
aussprach und in dem Breve an den Erzbischof von Köln verkündete, daß
nunmehr den Katholiken Preußens die Ausübung der Religion wieder in
befriedigender Weise gesichert sei, ferner in der Ansprache an das Kardinals-
kollcgium vom 23. Mai verkündete: oorts ii-sxsrriino M vertiimini lois iiu-
positus, .... proptores^us Oco sinZuIg-roh Zr^tiī se gAinius se naveinus,
sahen diejenigen Katholiken, die dem Papste ihren Dank darbringen wollten,
in der Zcntrumspresse sich aufs heftigste geschmäht und angegriffen; es genügt
in dieser Beziehung an die Erklärung des Grafen Brühl vom 14. Mai v. I.
zu erinnern. Die Elemente, die im Frühling 1871 ohne, ja gegen den Willen
des damaligen Papstes in so überraschender Weise den Kampf gegen Reich und
Staat begonnen und sechzehn Jahre lang durchgeführt hatten, wollten in ihren
Plänen nicht durch seinen Nachfolger gestört sein.

Man wende nicht ein, die Zentrumsführerschaft habe durch ihr Verhalten
in der Zollfrage der Regierung ein Entgegenkommen und eine Bereitwilligkeit
zu friedlicher Mitarbeit bethätigt; ein andres Verhalten hätte einfach die
Existenz der Partei und ihrer Parlamentsfraktion in Frage gestellt. Überwiegend
aus ländlichen Wahlkreisen hervorgegangen, konnte sie sich nicht in geraden
Gegensatz zu deren materiellen Bedürfnissen stellen. Die Stärkung des Staates
durch Bewilligung der Zölle war daher für Herrn Windhorst ein unausweich¬
liches Gebot der Lage gewesen, die damit verbundene Herstellung einer konser¬
vativ-klerikalen Mehrheit sollte ihm weitere günstige Aussichten eröffnen. Ebenso
konnte die Partei ihre Mitwirkung auf dem Gebiete der Sozialgesetzgebung nicht
versagen. Dagegen hatte ihr Verhalten in der Septennatsfrage bewiesen, wie
wenig ihr an der Förderung des innern Friedens gelegen und wie gering die
Widerstandskraft der einsichtigeren Elemente gegen die Windthorstsche Politik
und deren Ziele war. Dieselbe Unbotmäßigkeit, welche die Zentrumsführerschaft
hierbei dem Papste gegenüber an den Tag gelegt hatte, bekundete sie auch an¬
gesichts des Friedensschlusses. Konnte sich das Zentrum der Annahme des
Kirchengesetzes füglich nicht entgegenstellen, so ließ dagegen die Sprache der Zen-
trumspresfe niemanden im Zweifel, mit welchen Gesinnungen der Friede ange¬
nommen wurde. Ging doch ein schlesisches Blatt so weit, zu erklären, daß
„der Papst das Zentrum verleugnet habe." Im August versammelten sich
die Bischöfe zwar in Fulda und gaben nach Beratung der Huldigungsadresse
ihrem Dank in einem gemeinsamen Hirtenbriefe Ausdruck, worin sie die Gläu¬
bigen aufforderten, „beim Anblick bessrer Zeiten freudigen Gefühlen Raum zu
geben," aber im September folgte die Trierer Katholikenversammlung, die eine
derartige Dankeskundgebung nicht für erforderlich erachtete, auf der dagegen
Herr Windthorst den Kampf um die Schule von neuem ankündigte. Ein in
Schlesien gemachter Versuch, die katholischen Pfarrer zu verpflichten, eine Stelle,
an der das staatliche Einspruchsrecht geübt worden sei, überhaupt nicht arm-


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[0382] unverhehlter Abneigung entgegen. Während der Papst seine hohe Befriedigung aussprach und in dem Breve an den Erzbischof von Köln verkündete, daß nunmehr den Katholiken Preußens die Ausübung der Religion wieder in befriedigender Weise gesichert sei, ferner in der Ansprache an das Kardinals- kollcgium vom 23. Mai verkündete: oorts ii-sxsrriino M vertiimini lois iiu- positus, .... proptores^us Oco sinZuIg-roh Zr^tiÄ« se gAinius se naveinus, sahen diejenigen Katholiken, die dem Papste ihren Dank darbringen wollten, in der Zcntrumspresse sich aufs heftigste geschmäht und angegriffen; es genügt in dieser Beziehung an die Erklärung des Grafen Brühl vom 14. Mai v. I. zu erinnern. Die Elemente, die im Frühling 1871 ohne, ja gegen den Willen des damaligen Papstes in so überraschender Weise den Kampf gegen Reich und Staat begonnen und sechzehn Jahre lang durchgeführt hatten, wollten in ihren Plänen nicht durch seinen Nachfolger gestört sein. Man wende nicht ein, die Zentrumsführerschaft habe durch ihr Verhalten in der Zollfrage der Regierung ein Entgegenkommen und eine Bereitwilligkeit zu friedlicher Mitarbeit bethätigt; ein andres Verhalten hätte einfach die Existenz der Partei und ihrer Parlamentsfraktion in Frage gestellt. Überwiegend aus ländlichen Wahlkreisen hervorgegangen, konnte sie sich nicht in geraden Gegensatz zu deren materiellen Bedürfnissen stellen. Die Stärkung des Staates durch Bewilligung der Zölle war daher für Herrn Windhorst ein unausweich¬ liches Gebot der Lage gewesen, die damit verbundene Herstellung einer konser¬ vativ-klerikalen Mehrheit sollte ihm weitere günstige Aussichten eröffnen. Ebenso konnte die Partei ihre Mitwirkung auf dem Gebiete der Sozialgesetzgebung nicht versagen. Dagegen hatte ihr Verhalten in der Septennatsfrage bewiesen, wie wenig ihr an der Förderung des innern Friedens gelegen und wie gering die Widerstandskraft der einsichtigeren Elemente gegen die Windthorstsche Politik und deren Ziele war. Dieselbe Unbotmäßigkeit, welche die Zentrumsführerschaft hierbei dem Papste gegenüber an den Tag gelegt hatte, bekundete sie auch an¬ gesichts des Friedensschlusses. Konnte sich das Zentrum der Annahme des Kirchengesetzes füglich nicht entgegenstellen, so ließ dagegen die Sprache der Zen- trumspresfe niemanden im Zweifel, mit welchen Gesinnungen der Friede ange¬ nommen wurde. Ging doch ein schlesisches Blatt so weit, zu erklären, daß „der Papst das Zentrum verleugnet habe." Im August versammelten sich die Bischöfe zwar in Fulda und gaben nach Beratung der Huldigungsadresse ihrem Dank in einem gemeinsamen Hirtenbriefe Ausdruck, worin sie die Gläu¬ bigen aufforderten, „beim Anblick bessrer Zeiten freudigen Gefühlen Raum zu geben," aber im September folgte die Trierer Katholikenversammlung, die eine derartige Dankeskundgebung nicht für erforderlich erachtete, auf der dagegen Herr Windthorst den Kampf um die Schule von neuem ankündigte. Ein in Schlesien gemachter Versuch, die katholischen Pfarrer zu verpflichten, eine Stelle, an der das staatliche Einspruchsrecht geübt worden sei, überhaupt nicht arm-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/382>, abgerufen am 02.07.2024.