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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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noch vorhanden ist. In Schweden und Norwegen, wo derartige Formen be¬
stehen behilft, man sich damit, daß die Inhaber des Geschäfts persönlich ga-
rantiren, wenn die Gesellschaften Kredit in Anspruch nehmen/'

Nun könnte man vielleicht sagen, es sei ja Sache der Gläubiger, ob sie
solchen Gesellschaften mit beschränkter Haftbarkeit Kredit schenken wollten. Von
feiten des Staates sei aber nicht dem entgegenzutreten, daß Gesellschaften
der Art geschaffen würden. Indessen muß es doch bedenklich erscheinen, wenn
der Staat zu Schöpfungen die Hand bietet, die einer mißbräuchlichen Benutzung
so leicht fähig sind. Es würde mehr als manchesterlicher Grundsatz sein, in
dieser Beziehung volle Freiheit zu gewähren. Es würde damit auch für den
einzelnen mittels einer überaus leichten Umgehung des Gesetzes (Annahme eines
Scheingesellschafters) beschränkte Haftbarkeit zu erlangen sein. Auch würde mit
der gesetzlichen Zulassung solcher Gesellschaften der Staat seine ganze Aktien-
gcsetzgebung untergraben. Jede Gesellschaft, die keine Lust hätte, sich den strengen
Formen des Aktienrechts zu unterwerfen, thäte sich als einfache Gesellschaft "mit
beschränkter Haftbarkeit" auf. Gegenwärtig bildet der Vorzug beschränkter Haft¬
barkeit den Preis dafür daß Gesellschaften sich den Formen der Mtiengesctz-
gebung unterwerfen. Giebt man diesen Preis ohne weiteres hinweg, wozu
dann noch Aktiengesellschaften gründen? Sollte bei uns die von Ochelhüuser
und Hcimmacher bezeugte englische Sitte aufkommen, unter der Form von Aktien¬
gesellschaften Gesellschaften ganz andrer Art zu schaffen, lediglich um die be¬
schränkte Haftbarkeit zu gewinnen, so müßte unsers Erachtens der Staat einen:
solchen Mißbräuche entgegentreten; gerade so, wie wir es für einen nicht zu
duldenden Mißbrauch erachten, wenn, nach den Anführungen Hammachers,
"Gewerkschaften" geschaffen werden, die nur zum Scheine ein Bergwerk erwerben,
um ganz andre Gewerbe mit dem Vorzug beschränkter Haftbarkeit zu betreiben.

Die ganze Frage ist übrigens schon einmal Gegenstand öffentlicher Ver¬
handlung gewesen. Im norddeutschen Reichstage (1869) hatte der Abgeordnete
Schulze einen Gesetzentwurf eingebracht, wonach allen Vereinigungen von nicht
geschlossener Mitgliederzahl, insofern sie nicht unter die bereits bestehenden ge¬
setzlichen Vorschriften fallen, unter gewissen Normativbedingungen eine selbständige
Persönlichkeit verliehen werden sollte. Unter den Bestimmungen des Entwurfes
fand sich auch der Satz: "Für alle Verbindlichkeiten des Vereins haftet nur
das Vereinsmögen." Gerade über diesen Satz erhob sich in der Kommission,
der der Entwurf überwiesen war, lebhafter Streit. Es wurde dem Satze ein
Antrag gegenübergestellt, der dahin ging, daß die Mitglieder des Vereins ver¬
pflichtet sein sollten, die in Vetretung des Vereins gemachten Schulden durch
Beiträge zu decken. Allerdings blieb dieser Antrag mit vier gegen fünf Stimmen
in der Minderheit. Auch im Reichstage, wo die gegensätzlichen Anschauungen
wieder zum Ausdruck kamen, wurde der Paragraph nach dem Antrag Schutzes
angenommen. Das ganze Gesetz erhielt aber nicht die Zustimmung des Bundes-


noch vorhanden ist. In Schweden und Norwegen, wo derartige Formen be¬
stehen behilft, man sich damit, daß die Inhaber des Geschäfts persönlich ga-
rantiren, wenn die Gesellschaften Kredit in Anspruch nehmen/'

Nun könnte man vielleicht sagen, es sei ja Sache der Gläubiger, ob sie
solchen Gesellschaften mit beschränkter Haftbarkeit Kredit schenken wollten. Von
feiten des Staates sei aber nicht dem entgegenzutreten, daß Gesellschaften
der Art geschaffen würden. Indessen muß es doch bedenklich erscheinen, wenn
der Staat zu Schöpfungen die Hand bietet, die einer mißbräuchlichen Benutzung
so leicht fähig sind. Es würde mehr als manchesterlicher Grundsatz sein, in
dieser Beziehung volle Freiheit zu gewähren. Es würde damit auch für den
einzelnen mittels einer überaus leichten Umgehung des Gesetzes (Annahme eines
Scheingesellschafters) beschränkte Haftbarkeit zu erlangen sein. Auch würde mit
der gesetzlichen Zulassung solcher Gesellschaften der Staat seine ganze Aktien-
gcsetzgebung untergraben. Jede Gesellschaft, die keine Lust hätte, sich den strengen
Formen des Aktienrechts zu unterwerfen, thäte sich als einfache Gesellschaft „mit
beschränkter Haftbarkeit" auf. Gegenwärtig bildet der Vorzug beschränkter Haft¬
barkeit den Preis dafür daß Gesellschaften sich den Formen der Mtiengesctz-
gebung unterwerfen. Giebt man diesen Preis ohne weiteres hinweg, wozu
dann noch Aktiengesellschaften gründen? Sollte bei uns die von Ochelhüuser
und Hcimmacher bezeugte englische Sitte aufkommen, unter der Form von Aktien¬
gesellschaften Gesellschaften ganz andrer Art zu schaffen, lediglich um die be¬
schränkte Haftbarkeit zu gewinnen, so müßte unsers Erachtens der Staat einen:
solchen Mißbräuche entgegentreten; gerade so, wie wir es für einen nicht zu
duldenden Mißbrauch erachten, wenn, nach den Anführungen Hammachers,
„Gewerkschaften" geschaffen werden, die nur zum Scheine ein Bergwerk erwerben,
um ganz andre Gewerbe mit dem Vorzug beschränkter Haftbarkeit zu betreiben.

Die ganze Frage ist übrigens schon einmal Gegenstand öffentlicher Ver¬
handlung gewesen. Im norddeutschen Reichstage (1869) hatte der Abgeordnete
Schulze einen Gesetzentwurf eingebracht, wonach allen Vereinigungen von nicht
geschlossener Mitgliederzahl, insofern sie nicht unter die bereits bestehenden ge¬
setzlichen Vorschriften fallen, unter gewissen Normativbedingungen eine selbständige
Persönlichkeit verliehen werden sollte. Unter den Bestimmungen des Entwurfes
fand sich auch der Satz: „Für alle Verbindlichkeiten des Vereins haftet nur
das Vereinsmögen." Gerade über diesen Satz erhob sich in der Kommission,
der der Entwurf überwiesen war, lebhafter Streit. Es wurde dem Satze ein
Antrag gegenübergestellt, der dahin ging, daß die Mitglieder des Vereins ver¬
pflichtet sein sollten, die in Vetretung des Vereins gemachten Schulden durch
Beiträge zu decken. Allerdings blieb dieser Antrag mit vier gegen fünf Stimmen
in der Minderheit. Auch im Reichstage, wo die gegensätzlichen Anschauungen
wieder zum Ausdruck kamen, wurde der Paragraph nach dem Antrag Schutzes
angenommen. Das ganze Gesetz erhielt aber nicht die Zustimmung des Bundes-


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[0356] noch vorhanden ist. In Schweden und Norwegen, wo derartige Formen be¬ stehen behilft, man sich damit, daß die Inhaber des Geschäfts persönlich ga- rantiren, wenn die Gesellschaften Kredit in Anspruch nehmen/' Nun könnte man vielleicht sagen, es sei ja Sache der Gläubiger, ob sie solchen Gesellschaften mit beschränkter Haftbarkeit Kredit schenken wollten. Von feiten des Staates sei aber nicht dem entgegenzutreten, daß Gesellschaften der Art geschaffen würden. Indessen muß es doch bedenklich erscheinen, wenn der Staat zu Schöpfungen die Hand bietet, die einer mißbräuchlichen Benutzung so leicht fähig sind. Es würde mehr als manchesterlicher Grundsatz sein, in dieser Beziehung volle Freiheit zu gewähren. Es würde damit auch für den einzelnen mittels einer überaus leichten Umgehung des Gesetzes (Annahme eines Scheingesellschafters) beschränkte Haftbarkeit zu erlangen sein. Auch würde mit der gesetzlichen Zulassung solcher Gesellschaften der Staat seine ganze Aktien- gcsetzgebung untergraben. Jede Gesellschaft, die keine Lust hätte, sich den strengen Formen des Aktienrechts zu unterwerfen, thäte sich als einfache Gesellschaft „mit beschränkter Haftbarkeit" auf. Gegenwärtig bildet der Vorzug beschränkter Haft¬ barkeit den Preis dafür daß Gesellschaften sich den Formen der Mtiengesctz- gebung unterwerfen. Giebt man diesen Preis ohne weiteres hinweg, wozu dann noch Aktiengesellschaften gründen? Sollte bei uns die von Ochelhüuser und Hcimmacher bezeugte englische Sitte aufkommen, unter der Form von Aktien¬ gesellschaften Gesellschaften ganz andrer Art zu schaffen, lediglich um die be¬ schränkte Haftbarkeit zu gewinnen, so müßte unsers Erachtens der Staat einen: solchen Mißbräuche entgegentreten; gerade so, wie wir es für einen nicht zu duldenden Mißbrauch erachten, wenn, nach den Anführungen Hammachers, „Gewerkschaften" geschaffen werden, die nur zum Scheine ein Bergwerk erwerben, um ganz andre Gewerbe mit dem Vorzug beschränkter Haftbarkeit zu betreiben. Die ganze Frage ist übrigens schon einmal Gegenstand öffentlicher Ver¬ handlung gewesen. Im norddeutschen Reichstage (1869) hatte der Abgeordnete Schulze einen Gesetzentwurf eingebracht, wonach allen Vereinigungen von nicht geschlossener Mitgliederzahl, insofern sie nicht unter die bereits bestehenden ge¬ setzlichen Vorschriften fallen, unter gewissen Normativbedingungen eine selbständige Persönlichkeit verliehen werden sollte. Unter den Bestimmungen des Entwurfes fand sich auch der Satz: „Für alle Verbindlichkeiten des Vereins haftet nur das Vereinsmögen." Gerade über diesen Satz erhob sich in der Kommission, der der Entwurf überwiesen war, lebhafter Streit. Es wurde dem Satze ein Antrag gegenübergestellt, der dahin ging, daß die Mitglieder des Vereins ver¬ pflichtet sein sollten, die in Vetretung des Vereins gemachten Schulden durch Beiträge zu decken. Allerdings blieb dieser Antrag mit vier gegen fünf Stimmen in der Minderheit. Auch im Reichstage, wo die gegensätzlichen Anschauungen wieder zum Ausdruck kamen, wurde der Paragraph nach dem Antrag Schutzes angenommen. Das ganze Gesetz erhielt aber nicht die Zustimmung des Bundes-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/356>, abgerufen am 22.07.2024.