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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die Entwicklung des Gesellschaftsrechts für wirtschaftliche Zweckl?,

ja tausende solcher liinitsä oonixMies. Ein großer Teil derselben ist wirklich
nichts als eine individuelle Handelsgesellschaft; man nimmt xro donna, ein paar
Personen auf, die mit je 1 Lstrl. beteiligt sind und arbeitet nun auf den Grund¬
lage der beschränkten Haftbarkeit. Etwas ähnliches ist auch in Deutschland
möglich. Zu einer Aktiengesellschaft sind nur fünf Personen erforderlich. Nimmt
man beispielsweise an, daß eine Familie die Absicht hat, das Geschäft ihres
Erblassers nur mit beschränkter Haftbarkeit fortzusetzen. Weshalb soll alsdann
der schwerfällige Weg der Aktien- oder Kommanditgesellschaft der allein zu¬
lässige sein?"

Weiter führte dann Redner aus, das für die neu zu schaffende Gesell¬
schaftsform neben der beschränkten Haftbarkeit der Mitglieder auch die Möglichkeit
zu gewähren sei, das Gesellschaftskapital nicht (wie bei der Aktiengesellschaft)
von vornherein festzusetzen, vielmehr je nach eintretendem Bedürfnisse jeden
Anteiler anzuhalten, Zuschüsse zu dem Gesellschaftskapital zu leisten, dergestalt
jedoch, daß er sich jederzeit durch Aufgeben seines Anteiles zu Gunsten der
Gesellschaft von weitern Zuschüssen befreien könne, so wie dies bei den Berg¬
gewerkschaften schon jetzt Rechtens sei.

An diese Rede schloß sich dann eine Verhandlung, deren Inhalt
ebenfalls kurz in dem Bericht wiedergegeben ist. Nach derselben wurde ein¬
stimmig folgender Beschluß gefaßt: "Der Ausschuß des Deutschen Handelstagcs
beschließt sich dahin auszusprechen: 1) In den Kreisen des Handels und der
Industrie wird eine Ergänzung des bestehenden Rechts durch Einfügung neuer
Rechtsformen für gesellschaftliche Privatunternehmungen als ein dringendes
Bedürfnis anerkannt. 2) Diesem Bedürfnis ist eine Gesetzgebung abzuhelfen
geeignet, welche die Errichtung von individualistischen und kollektivistischen Er¬
werbsgesellschaften auf der Grundlage der in Anteile zerlegten Mitgliedschaft
und der beschränkten Haftbarkeit der Mitglieder zuläßt."

So weit die über den Gegenstand neuerdings gepflogenen Verhandlungen.
Es ist nicht zu bestreiten, daß in der heutigen Zeit, die man Wohl recht eigentlich
die Zeit der Vereine nennen könnte, vielfach Vereinigungen geschaffen werden,
für die, obgleich sie für ihre Zwecke wirtschaftlich zu operiren genötigt sind,
keine der bestehenden Gesellschaftsformen paßt, und die daher, insofern sie nicht
etwa durch besondern Staatsakt die Rechte einer juristischen Person erlangen,
in ihrem wirtschaftlichen Handeln durchaus beengt sind. Es sind dies namentlich
Vereinigungen, die in erster Linie soziale oder Kulturzwecke verfolgen. Wenn
auch das Bedürfnis eines Studentenkorps, sich ein Stammhaus zu verschaffen,
nicht so hoch anzuschlagen sein sollte, um die Gesetzgebung dafür besonders in
Thätigkeit zu setzen, so kann es doch noch andre Vereinigungen geben, bei denen
die Unfähigkeit, selbständig Vermögen zu erwerben, schmerzlich empfunden wird.
So z. B. wenn Bürger einer Stadt sich zusammenthun, um eine Volksküche
ins Leben zu rufen, wozu die nötigen Räumlichkeiten beschafft. Vorräte angekauft,


Die Entwicklung des Gesellschaftsrechts für wirtschaftliche Zweckl?,

ja tausende solcher liinitsä oonixMies. Ein großer Teil derselben ist wirklich
nichts als eine individuelle Handelsgesellschaft; man nimmt xro donna, ein paar
Personen auf, die mit je 1 Lstrl. beteiligt sind und arbeitet nun auf den Grund¬
lage der beschränkten Haftbarkeit. Etwas ähnliches ist auch in Deutschland
möglich. Zu einer Aktiengesellschaft sind nur fünf Personen erforderlich. Nimmt
man beispielsweise an, daß eine Familie die Absicht hat, das Geschäft ihres
Erblassers nur mit beschränkter Haftbarkeit fortzusetzen. Weshalb soll alsdann
der schwerfällige Weg der Aktien- oder Kommanditgesellschaft der allein zu¬
lässige sein?"

Weiter führte dann Redner aus, das für die neu zu schaffende Gesell¬
schaftsform neben der beschränkten Haftbarkeit der Mitglieder auch die Möglichkeit
zu gewähren sei, das Gesellschaftskapital nicht (wie bei der Aktiengesellschaft)
von vornherein festzusetzen, vielmehr je nach eintretendem Bedürfnisse jeden
Anteiler anzuhalten, Zuschüsse zu dem Gesellschaftskapital zu leisten, dergestalt
jedoch, daß er sich jederzeit durch Aufgeben seines Anteiles zu Gunsten der
Gesellschaft von weitern Zuschüssen befreien könne, so wie dies bei den Berg¬
gewerkschaften schon jetzt Rechtens sei.

An diese Rede schloß sich dann eine Verhandlung, deren Inhalt
ebenfalls kurz in dem Bericht wiedergegeben ist. Nach derselben wurde ein¬
stimmig folgender Beschluß gefaßt: „Der Ausschuß des Deutschen Handelstagcs
beschließt sich dahin auszusprechen: 1) In den Kreisen des Handels und der
Industrie wird eine Ergänzung des bestehenden Rechts durch Einfügung neuer
Rechtsformen für gesellschaftliche Privatunternehmungen als ein dringendes
Bedürfnis anerkannt. 2) Diesem Bedürfnis ist eine Gesetzgebung abzuhelfen
geeignet, welche die Errichtung von individualistischen und kollektivistischen Er¬
werbsgesellschaften auf der Grundlage der in Anteile zerlegten Mitgliedschaft
und der beschränkten Haftbarkeit der Mitglieder zuläßt."

So weit die über den Gegenstand neuerdings gepflogenen Verhandlungen.
Es ist nicht zu bestreiten, daß in der heutigen Zeit, die man Wohl recht eigentlich
die Zeit der Vereine nennen könnte, vielfach Vereinigungen geschaffen werden,
für die, obgleich sie für ihre Zwecke wirtschaftlich zu operiren genötigt sind,
keine der bestehenden Gesellschaftsformen paßt, und die daher, insofern sie nicht
etwa durch besondern Staatsakt die Rechte einer juristischen Person erlangen,
in ihrem wirtschaftlichen Handeln durchaus beengt sind. Es sind dies namentlich
Vereinigungen, die in erster Linie soziale oder Kulturzwecke verfolgen. Wenn
auch das Bedürfnis eines Studentenkorps, sich ein Stammhaus zu verschaffen,
nicht so hoch anzuschlagen sein sollte, um die Gesetzgebung dafür besonders in
Thätigkeit zu setzen, so kann es doch noch andre Vereinigungen geben, bei denen
die Unfähigkeit, selbständig Vermögen zu erwerben, schmerzlich empfunden wird.
So z. B. wenn Bürger einer Stadt sich zusammenthun, um eine Volksküche
ins Leben zu rufen, wozu die nötigen Räumlichkeiten beschafft. Vorräte angekauft,


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[0352] Die Entwicklung des Gesellschaftsrechts für wirtschaftliche Zweckl?, ja tausende solcher liinitsä oonixMies. Ein großer Teil derselben ist wirklich nichts als eine individuelle Handelsgesellschaft; man nimmt xro donna, ein paar Personen auf, die mit je 1 Lstrl. beteiligt sind und arbeitet nun auf den Grund¬ lage der beschränkten Haftbarkeit. Etwas ähnliches ist auch in Deutschland möglich. Zu einer Aktiengesellschaft sind nur fünf Personen erforderlich. Nimmt man beispielsweise an, daß eine Familie die Absicht hat, das Geschäft ihres Erblassers nur mit beschränkter Haftbarkeit fortzusetzen. Weshalb soll alsdann der schwerfällige Weg der Aktien- oder Kommanditgesellschaft der allein zu¬ lässige sein?" Weiter führte dann Redner aus, das für die neu zu schaffende Gesell¬ schaftsform neben der beschränkten Haftbarkeit der Mitglieder auch die Möglichkeit zu gewähren sei, das Gesellschaftskapital nicht (wie bei der Aktiengesellschaft) von vornherein festzusetzen, vielmehr je nach eintretendem Bedürfnisse jeden Anteiler anzuhalten, Zuschüsse zu dem Gesellschaftskapital zu leisten, dergestalt jedoch, daß er sich jederzeit durch Aufgeben seines Anteiles zu Gunsten der Gesellschaft von weitern Zuschüssen befreien könne, so wie dies bei den Berg¬ gewerkschaften schon jetzt Rechtens sei. An diese Rede schloß sich dann eine Verhandlung, deren Inhalt ebenfalls kurz in dem Bericht wiedergegeben ist. Nach derselben wurde ein¬ stimmig folgender Beschluß gefaßt: „Der Ausschuß des Deutschen Handelstagcs beschließt sich dahin auszusprechen: 1) In den Kreisen des Handels und der Industrie wird eine Ergänzung des bestehenden Rechts durch Einfügung neuer Rechtsformen für gesellschaftliche Privatunternehmungen als ein dringendes Bedürfnis anerkannt. 2) Diesem Bedürfnis ist eine Gesetzgebung abzuhelfen geeignet, welche die Errichtung von individualistischen und kollektivistischen Er¬ werbsgesellschaften auf der Grundlage der in Anteile zerlegten Mitgliedschaft und der beschränkten Haftbarkeit der Mitglieder zuläßt." So weit die über den Gegenstand neuerdings gepflogenen Verhandlungen. Es ist nicht zu bestreiten, daß in der heutigen Zeit, die man Wohl recht eigentlich die Zeit der Vereine nennen könnte, vielfach Vereinigungen geschaffen werden, für die, obgleich sie für ihre Zwecke wirtschaftlich zu operiren genötigt sind, keine der bestehenden Gesellschaftsformen paßt, und die daher, insofern sie nicht etwa durch besondern Staatsakt die Rechte einer juristischen Person erlangen, in ihrem wirtschaftlichen Handeln durchaus beengt sind. Es sind dies namentlich Vereinigungen, die in erster Linie soziale oder Kulturzwecke verfolgen. Wenn auch das Bedürfnis eines Studentenkorps, sich ein Stammhaus zu verschaffen, nicht so hoch anzuschlagen sein sollte, um die Gesetzgebung dafür besonders in Thätigkeit zu setzen, so kann es doch noch andre Vereinigungen geben, bei denen die Unfähigkeit, selbständig Vermögen zu erwerben, schmerzlich empfunden wird. So z. B. wenn Bürger einer Stadt sich zusammenthun, um eine Volksküche ins Leben zu rufen, wozu die nötigen Räumlichkeiten beschafft. Vorräte angekauft,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/352>, abgerufen am 22.07.2024.