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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die Gobietsentwicklung der Linzelstaaten Deutschlands.

die der Preis des schmählichen Bündnisses mit Frankreich gewesen waren, oder
es hatte ihm doch für alle etwaigen Abtretungen gleichwertige Entschädigungen
zugesichert. Nach diesem Muster waren auch die Verträge mit den meisten
übrigen Rheinbundsstaaten abgeschlossen worden. Hierdurch hatte Österreich
zwar schon im voraus eine wirkliche Einigung Deutschlands verhindert, wie
das in dem Buche, auf das eben hingewiesen ist, näher dargelegt ist; aber
hierdurch hatte es den Fürsten der Mittel- und Kleinstaaten das Kleinod
gerettet, um deswillen so viel Treulosigkeit, so schwarzer Verrat am Vater-
lande, so beschämende Niederträchtigkeiten, so rechtswidrige Vergewaltigungen
vorgekommen waren, nämlich die unbeschränkte Souveränität. Noch größere
Verdienste hatte es sich um die Erhaltung der albertinischen Wettiner in dem
frühern Kurfürstentums, dem jetzigen Königreiche Sachsen erworben. Es ver¬
hinderte auf die Gefahr eines großen Krieges hin (Kaiser Franz wollte ja
lieber schießen lassen, als die Entsetzung dieser Dynastie zugebe"), daß an dem
Könige von Sachsen die gerechte Strafe vollzogen wurde, die der Aufruf von
Kalisch den Nheinbundsfürsten angedroht hatte, welche noch fernerhin auf
feiten des Erbfeindes kämpfen würden. Darin, daß der sächsische König wenig¬
stens mit dem Verluste etwa der Hälfte seines Landes gestraft wurde, willigte
Kaiser Franz auch nur in der festen, allerdings fehlgeschlagenen Erwartung,
daß die getrennten Teile dieses Landes bald wieder vereinigt werden würden.
Gegenüber einem auswärtigen Diplomaten, der mit der Teilung nicht einver¬
standen war, that er ja den Ausspruch in seinem "gemütlichen" Deutsch: "Nu,
was bruddeln S' mit'in Kopp? Wird es getrennt, kommt es halt zuerst wieder
z'sammt"

Den Dank, auf den das ErzHaus dafür Anspruch machen konnte, daß es
ihr Bestehen und ihre Souveränität gerettet hatte, bewiesen die deutschen Fürsten
durch eine unbedingte Nachgiebigkeit, Willfährigkeit und Gefolgschaft, unbedingt
natürlich nur so weit, wie ihre Sonderinteresscn, namentlich die unbeschränkten
Rechte ihrer Kronen, nicht angetastet wurden. Von Übergriffen Österreichs in
dieser Beziehung hatten sie nicht viel zu fürchten; die Zeiten des vorigen Jahr¬
hunderts, in denen die unruhige, ländergierige Politik Kaiser Josefs II. alles
aufgeboten hatte, um namentlich Baiern, wo möglich auch noch Württemberg
dem Kaiserstaate einzuverleiben, waren vorüber, und es war nicht so leicht zu
befürchten, daß sie jemals wiederkehren würden.

Die Kreise der klein- und mittelstaatlichen Beamten folgten dem An¬
triebe, der von feiten der Höfe gegeben wurde, und zeigten meist eine aus¬
gesprochene Vorliebe für Österreich, schon um sich nach oben hin beliebt zu
machen, während es in den meisten dieser'Hof- und Regierungskreise geradezu
zum guten Tone gehörte, von Preußen möglichst geringschätzig und mißachtend
zu reden, es zu verkleinern und herabzusetzen und ihm überall entgegen¬
zuarbeiten, so weit die gewöhnlich ziemlich beschränkten Mittel es gestatteten.


Die Gobietsentwicklung der Linzelstaaten Deutschlands.

die der Preis des schmählichen Bündnisses mit Frankreich gewesen waren, oder
es hatte ihm doch für alle etwaigen Abtretungen gleichwertige Entschädigungen
zugesichert. Nach diesem Muster waren auch die Verträge mit den meisten
übrigen Rheinbundsstaaten abgeschlossen worden. Hierdurch hatte Österreich
zwar schon im voraus eine wirkliche Einigung Deutschlands verhindert, wie
das in dem Buche, auf das eben hingewiesen ist, näher dargelegt ist; aber
hierdurch hatte es den Fürsten der Mittel- und Kleinstaaten das Kleinod
gerettet, um deswillen so viel Treulosigkeit, so schwarzer Verrat am Vater-
lande, so beschämende Niederträchtigkeiten, so rechtswidrige Vergewaltigungen
vorgekommen waren, nämlich die unbeschränkte Souveränität. Noch größere
Verdienste hatte es sich um die Erhaltung der albertinischen Wettiner in dem
frühern Kurfürstentums, dem jetzigen Königreiche Sachsen erworben. Es ver¬
hinderte auf die Gefahr eines großen Krieges hin (Kaiser Franz wollte ja
lieber schießen lassen, als die Entsetzung dieser Dynastie zugebe«), daß an dem
Könige von Sachsen die gerechte Strafe vollzogen wurde, die der Aufruf von
Kalisch den Nheinbundsfürsten angedroht hatte, welche noch fernerhin auf
feiten des Erbfeindes kämpfen würden. Darin, daß der sächsische König wenig¬
stens mit dem Verluste etwa der Hälfte seines Landes gestraft wurde, willigte
Kaiser Franz auch nur in der festen, allerdings fehlgeschlagenen Erwartung,
daß die getrennten Teile dieses Landes bald wieder vereinigt werden würden.
Gegenüber einem auswärtigen Diplomaten, der mit der Teilung nicht einver¬
standen war, that er ja den Ausspruch in seinem „gemütlichen" Deutsch: „Nu,
was bruddeln S' mit'in Kopp? Wird es getrennt, kommt es halt zuerst wieder
z'sammt"

Den Dank, auf den das ErzHaus dafür Anspruch machen konnte, daß es
ihr Bestehen und ihre Souveränität gerettet hatte, bewiesen die deutschen Fürsten
durch eine unbedingte Nachgiebigkeit, Willfährigkeit und Gefolgschaft, unbedingt
natürlich nur so weit, wie ihre Sonderinteresscn, namentlich die unbeschränkten
Rechte ihrer Kronen, nicht angetastet wurden. Von Übergriffen Österreichs in
dieser Beziehung hatten sie nicht viel zu fürchten; die Zeiten des vorigen Jahr¬
hunderts, in denen die unruhige, ländergierige Politik Kaiser Josefs II. alles
aufgeboten hatte, um namentlich Baiern, wo möglich auch noch Württemberg
dem Kaiserstaate einzuverleiben, waren vorüber, und es war nicht so leicht zu
befürchten, daß sie jemals wiederkehren würden.

Die Kreise der klein- und mittelstaatlichen Beamten folgten dem An¬
triebe, der von feiten der Höfe gegeben wurde, und zeigten meist eine aus¬
gesprochene Vorliebe für Österreich, schon um sich nach oben hin beliebt zu
machen, während es in den meisten dieser'Hof- und Regierungskreise geradezu
zum guten Tone gehörte, von Preußen möglichst geringschätzig und mißachtend
zu reden, es zu verkleinern und herabzusetzen und ihm überall entgegen¬
zuarbeiten, so weit die gewöhnlich ziemlich beschränkten Mittel es gestatteten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/34>, abgerufen am 24.08.2024.