Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.Das neue Burgtheater. blematische Naturen derberer Art gehören ebenfalls in sein Fach, und er berührt Und nun noch die jüngsten, hoffnungsvollen, unentwickelten: Fräulein Die wenigen Vorstellungen, die bis jetzt im neuen Hause gegeben worden
Das neue Burgtheater. blematische Naturen derberer Art gehören ebenfalls in sein Fach, und er berührt Und nun noch die jüngsten, hoffnungsvollen, unentwickelten: Fräulein Die wenigen Vorstellungen, die bis jetzt im neuen Hause gegeben worden
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0336" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203771"/> <fw type="header" place="top"> Das neue Burgtheater.</fw><lb/> <p xml:id="ID_829" prev="#ID_828"> blematische Naturen derberer Art gehören ebenfalls in sein Fach, und er berührt<lb/> sich da mit dem Rollengebiete Mitterwurzers; so spielt er den Buchjäger in<lb/> Otto Ludwigs „Erbförster." Arrau endlich, der sich im Stadttheater als<lb/> Heldenvater und selbst als schlichter, biedermännischer Held (Rudolf in „König<lb/> Ottokars Glück und Ende") eines guten Rufes erfreute, spielt nur Rollen<lb/> zweiten und dritten Ranges, doch diese immer tüchtig; wir nennen den Kammer¬<lb/> diener in „Kabale und Liebe," auch ist er ein guter Sprecher und kann da bis¬<lb/> weilen für Lewinsky einspringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_830"> Und nun noch die jüngsten, hoffnungsvollen, unentwickelten: Fräulein<lb/> Barschen, deren Julia ein starkes, aber uuausgegohrenes und etwas exotisches<lb/> Talent verräth, Fräulein Formcs, eine zweite Liebhaberin von einnehmender<lb/> Erscheinung, Reimers und Wagner, die im Helden- und Heldenliebhaberfach,<lb/> Hübner und Devrient, die in Charakterrollen und in Chargen bereits manches<lb/> geleistet haben, was mit guten Hoffnungen für ihre künstlerische Zukunft erfüllt.</p><lb/> <p xml:id="ID_831"> Die wenigen Vorstellungen, die bis jetzt im neuen Hause gegeben worden<lb/> sind, haben nicht alle die Sorgen zerstreuen können, mit denen man der Über¬<lb/> siedlung entgegensah, aber sie haben auch nicht die Befürchtungen erfüllt, die<lb/> Schwarzseher schon ausgesprochen hatten. Es wird ohne Zweifel Zeit brauchen,<lb/> bis sich die Schauspieler an die Akustik des größern Saales gewöhnen, aber<lb/> sie werden sich gewöhnen, denn zu groß — dies wissen wir jetzt — ist der Saal<lb/> keineswegs. Bedenklicher ist die große, heitere, sinnliche Pracht, die überall im<lb/> Zuschauerraum, auf den Gängen, im Foyer und auf der Bühne, in den Deko¬<lb/> rationen, herrscht. Sie wäre wohl im Stande, Publikum und Schauspieler<lb/> äußerlicher, oberflächlicher, weniger ernst zu machen. Nicht mit Unrecht hat<lb/> man gesagt, dieser Bau passe in seinem Innern mehr zu einer komischen Oper,<lb/> als zu einem Schauspielhause, wo doch die Tragödie und das ernste Schauspiel<lb/> den Kern des Repertoires bilden sollen. Es fällt uns das warnende Wort<lb/> eines jungen Dichters ein, der das Haus schon vor einigen Monaten mit den<lb/> Versen begrüßte:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_22" type="poem"> <l> Du stolzer Bau, in deinem Marmorbusen<lb/> Bewahre, was Dir Größe gibt und Glanz!<lb/> Ein Mausoleum wärst Du ohne Musen,<lb/> Und ohne Kunst ein Zirkus von Byzanz!</l> </lg> </quote><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0336]
Das neue Burgtheater.
blematische Naturen derberer Art gehören ebenfalls in sein Fach, und er berührt
sich da mit dem Rollengebiete Mitterwurzers; so spielt er den Buchjäger in
Otto Ludwigs „Erbförster." Arrau endlich, der sich im Stadttheater als
Heldenvater und selbst als schlichter, biedermännischer Held (Rudolf in „König
Ottokars Glück und Ende") eines guten Rufes erfreute, spielt nur Rollen
zweiten und dritten Ranges, doch diese immer tüchtig; wir nennen den Kammer¬
diener in „Kabale und Liebe," auch ist er ein guter Sprecher und kann da bis¬
weilen für Lewinsky einspringen.
Und nun noch die jüngsten, hoffnungsvollen, unentwickelten: Fräulein
Barschen, deren Julia ein starkes, aber uuausgegohrenes und etwas exotisches
Talent verräth, Fräulein Formcs, eine zweite Liebhaberin von einnehmender
Erscheinung, Reimers und Wagner, die im Helden- und Heldenliebhaberfach,
Hübner und Devrient, die in Charakterrollen und in Chargen bereits manches
geleistet haben, was mit guten Hoffnungen für ihre künstlerische Zukunft erfüllt.
Die wenigen Vorstellungen, die bis jetzt im neuen Hause gegeben worden
sind, haben nicht alle die Sorgen zerstreuen können, mit denen man der Über¬
siedlung entgegensah, aber sie haben auch nicht die Befürchtungen erfüllt, die
Schwarzseher schon ausgesprochen hatten. Es wird ohne Zweifel Zeit brauchen,
bis sich die Schauspieler an die Akustik des größern Saales gewöhnen, aber
sie werden sich gewöhnen, denn zu groß — dies wissen wir jetzt — ist der Saal
keineswegs. Bedenklicher ist die große, heitere, sinnliche Pracht, die überall im
Zuschauerraum, auf den Gängen, im Foyer und auf der Bühne, in den Deko¬
rationen, herrscht. Sie wäre wohl im Stande, Publikum und Schauspieler
äußerlicher, oberflächlicher, weniger ernst zu machen. Nicht mit Unrecht hat
man gesagt, dieser Bau passe in seinem Innern mehr zu einer komischen Oper,
als zu einem Schauspielhause, wo doch die Tragödie und das ernste Schauspiel
den Kern des Repertoires bilden sollen. Es fällt uns das warnende Wort
eines jungen Dichters ein, der das Haus schon vor einigen Monaten mit den
Versen begrüßte:
Du stolzer Bau, in deinem Marmorbusen
Bewahre, was Dir Größe gibt und Glanz!
Ein Mausoleum wärst Du ohne Musen,
Und ohne Kunst ein Zirkus von Byzanz!
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |