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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Kleinere Mitteilungen.

Doch haben die erwähnten Versuche bereits dahin geführt, schwarze Photo¬
graphien herzustellen, welche die Farbenwerte richtiger als bisher wiedergeben.
Es handelt sich bei der Landschaft meist um den Gegensatz der grünen, gelben
und braunen Farben des Vordergrundes zu den blauen Farben der Ferne.
Der Apparat giebt diesen Gegensatz größer, als ihn das Auge empfindet. Man
wird also zu einem richtigeren Verhältnis kommen, wenn man einen Teil der
blauen Farbe abfängt. Dies geschieht durch die Einschaltung einer schwach-
gelben Scheibe und durch eine besondre Färbung der Platte. Solche ge¬
färbte Platten kommen unter dem Namen isochromatische Platten in den
Handel und ergeben schöne und richtige Ausnahmen. Stark vergilbte
Dokumente mit schwacher grauer Schrift waren bis jetzt nicht photographisch
zu übertragen, da die chemischen Farbenwertc von gelb und grau gleich sind.
Nach Einführung isochromatischer Platten sind auch solche Gegenstände photo-
graphirbar geworden. Wir sehen also, daß die noch wesenlose farbige Photo¬
graphie der schwarzen bereits wesentliche Dienste geleistet hat.




Kleinere Mitteilungen.
Physiologie und Gedächtnislehre.

Unsre Gelehrten haben die löbliche
Gewohnheit, ihren Schriften eine kritische Uebersicht über die Leistungen ihrer Vor¬
gänger vorauszuschicken und dabei ihr neues Unternehmen vor sich und den Lesern
zu rechtfertigen. So führen sie uns in den Stand der betreffenden Forschung ein,
und wir lernen uns schnell zurechtfinden. Was die Lehre vom Gedächtnis betrifft,
so ist sie auch für NichtPädagogen so wichtig und anziehend, daß die Fülle von
Darstellungen dieser Lehre nichts Auffallendes hat. Nur ein Umstand machte in
der neuern Zeit auf die Fortführung dieser Litteratur besonders gespannt, die Ver¬
mutung nämlich, daß durch deu neuern Physiologischen Betrieb der Seelenlehre auch
für die Lehre vom Gedächtnis etwas gewonnen werden könne, was die Rätsel
dieser Lehre besser löse, als die gar zu spiritualistische Behandlung bei Herbart
und seiner Schule. Es kaun nicht befremden, wenn manche gerade dieser Vernach¬
lässigung des leiblichen Lebens in der Theorie vom Gedächtnis die Schuld bei¬
maßen, daß sie bisher nur so wenig praktische Ergebnisse geliefert habe. Besonders
die Lehrer fragten, ob nicht die Physiologie jetzt so weit sei, dem Erzieher wirk¬
liche Hilfe zu bieten, und nicht bloß Redensarten über Ueberbürdung vorzutragen,
oder zu verlangen, daß jedes Kind nach Tisch eünae Zeit schlafen müsse.

Professor Fauth hat diese Wendung der pädagogischen Bedürfnisse verstanden,
und schon dadurch wird seinem kürzlich erschienenen Buche") ein reges Interesse
entgegenkommen. Den besten Physiologen des Inlandes und Auslandes entnimmt
er ausführliche Darstellungen über die leiblichen Grundlagen des (unbewußten)



*) Das Gedächtnis. Studie zu einer Pädagogik auf dem Standpunkte der heutigen
Physiologie und Psychologie. Von Prof. Dr. Fauth. Gütersloh, Bertelsmann, 1LL8, 362 S.
Kleinere Mitteilungen.

Doch haben die erwähnten Versuche bereits dahin geführt, schwarze Photo¬
graphien herzustellen, welche die Farbenwerte richtiger als bisher wiedergeben.
Es handelt sich bei der Landschaft meist um den Gegensatz der grünen, gelben
und braunen Farben des Vordergrundes zu den blauen Farben der Ferne.
Der Apparat giebt diesen Gegensatz größer, als ihn das Auge empfindet. Man
wird also zu einem richtigeren Verhältnis kommen, wenn man einen Teil der
blauen Farbe abfängt. Dies geschieht durch die Einschaltung einer schwach-
gelben Scheibe und durch eine besondre Färbung der Platte. Solche ge¬
färbte Platten kommen unter dem Namen isochromatische Platten in den
Handel und ergeben schöne und richtige Ausnahmen. Stark vergilbte
Dokumente mit schwacher grauer Schrift waren bis jetzt nicht photographisch
zu übertragen, da die chemischen Farbenwertc von gelb und grau gleich sind.
Nach Einführung isochromatischer Platten sind auch solche Gegenstände photo-
graphirbar geworden. Wir sehen also, daß die noch wesenlose farbige Photo¬
graphie der schwarzen bereits wesentliche Dienste geleistet hat.




Kleinere Mitteilungen.
Physiologie und Gedächtnislehre.

Unsre Gelehrten haben die löbliche
Gewohnheit, ihren Schriften eine kritische Uebersicht über die Leistungen ihrer Vor¬
gänger vorauszuschicken und dabei ihr neues Unternehmen vor sich und den Lesern
zu rechtfertigen. So führen sie uns in den Stand der betreffenden Forschung ein,
und wir lernen uns schnell zurechtfinden. Was die Lehre vom Gedächtnis betrifft,
so ist sie auch für NichtPädagogen so wichtig und anziehend, daß die Fülle von
Darstellungen dieser Lehre nichts Auffallendes hat. Nur ein Umstand machte in
der neuern Zeit auf die Fortführung dieser Litteratur besonders gespannt, die Ver¬
mutung nämlich, daß durch deu neuern Physiologischen Betrieb der Seelenlehre auch
für die Lehre vom Gedächtnis etwas gewonnen werden könne, was die Rätsel
dieser Lehre besser löse, als die gar zu spiritualistische Behandlung bei Herbart
und seiner Schule. Es kaun nicht befremden, wenn manche gerade dieser Vernach¬
lässigung des leiblichen Lebens in der Theorie vom Gedächtnis die Schuld bei¬
maßen, daß sie bisher nur so wenig praktische Ergebnisse geliefert habe. Besonders
die Lehrer fragten, ob nicht die Physiologie jetzt so weit sei, dem Erzieher wirk¬
liche Hilfe zu bieten, und nicht bloß Redensarten über Ueberbürdung vorzutragen,
oder zu verlangen, daß jedes Kind nach Tisch eünae Zeit schlafen müsse.

Professor Fauth hat diese Wendung der pädagogischen Bedürfnisse verstanden,
und schon dadurch wird seinem kürzlich erschienenen Buche") ein reges Interesse
entgegenkommen. Den besten Physiologen des Inlandes und Auslandes entnimmt
er ausführliche Darstellungen über die leiblichen Grundlagen des (unbewußten)



*) Das Gedächtnis. Studie zu einer Pädagogik auf dem Standpunkte der heutigen
Physiologie und Psychologie. Von Prof. Dr. Fauth. Gütersloh, Bertelsmann, 1LL8, 362 S.
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[0245] Kleinere Mitteilungen. Doch haben die erwähnten Versuche bereits dahin geführt, schwarze Photo¬ graphien herzustellen, welche die Farbenwerte richtiger als bisher wiedergeben. Es handelt sich bei der Landschaft meist um den Gegensatz der grünen, gelben und braunen Farben des Vordergrundes zu den blauen Farben der Ferne. Der Apparat giebt diesen Gegensatz größer, als ihn das Auge empfindet. Man wird also zu einem richtigeren Verhältnis kommen, wenn man einen Teil der blauen Farbe abfängt. Dies geschieht durch die Einschaltung einer schwach- gelben Scheibe und durch eine besondre Färbung der Platte. Solche ge¬ färbte Platten kommen unter dem Namen isochromatische Platten in den Handel und ergeben schöne und richtige Ausnahmen. Stark vergilbte Dokumente mit schwacher grauer Schrift waren bis jetzt nicht photographisch zu übertragen, da die chemischen Farbenwertc von gelb und grau gleich sind. Nach Einführung isochromatischer Platten sind auch solche Gegenstände photo- graphirbar geworden. Wir sehen also, daß die noch wesenlose farbige Photo¬ graphie der schwarzen bereits wesentliche Dienste geleistet hat. Kleinere Mitteilungen. Physiologie und Gedächtnislehre. Unsre Gelehrten haben die löbliche Gewohnheit, ihren Schriften eine kritische Uebersicht über die Leistungen ihrer Vor¬ gänger vorauszuschicken und dabei ihr neues Unternehmen vor sich und den Lesern zu rechtfertigen. So führen sie uns in den Stand der betreffenden Forschung ein, und wir lernen uns schnell zurechtfinden. Was die Lehre vom Gedächtnis betrifft, so ist sie auch für NichtPädagogen so wichtig und anziehend, daß die Fülle von Darstellungen dieser Lehre nichts Auffallendes hat. Nur ein Umstand machte in der neuern Zeit auf die Fortführung dieser Litteratur besonders gespannt, die Ver¬ mutung nämlich, daß durch deu neuern Physiologischen Betrieb der Seelenlehre auch für die Lehre vom Gedächtnis etwas gewonnen werden könne, was die Rätsel dieser Lehre besser löse, als die gar zu spiritualistische Behandlung bei Herbart und seiner Schule. Es kaun nicht befremden, wenn manche gerade dieser Vernach¬ lässigung des leiblichen Lebens in der Theorie vom Gedächtnis die Schuld bei¬ maßen, daß sie bisher nur so wenig praktische Ergebnisse geliefert habe. Besonders die Lehrer fragten, ob nicht die Physiologie jetzt so weit sei, dem Erzieher wirk¬ liche Hilfe zu bieten, und nicht bloß Redensarten über Ueberbürdung vorzutragen, oder zu verlangen, daß jedes Kind nach Tisch eünae Zeit schlafen müsse. Professor Fauth hat diese Wendung der pädagogischen Bedürfnisse verstanden, und schon dadurch wird seinem kürzlich erschienenen Buche") ein reges Interesse entgegenkommen. Den besten Physiologen des Inlandes und Auslandes entnimmt er ausführliche Darstellungen über die leiblichen Grundlagen des (unbewußten) *) Das Gedächtnis. Studie zu einer Pädagogik auf dem Standpunkte der heutigen Physiologie und Psychologie. Von Prof. Dr. Fauth. Gütersloh, Bertelsmann, 1LL8, 362 S.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/245>, abgerufen am 01.07.2024.