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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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von der Nordlandfcchrt bis zur Romfahrt.

liebes Bild. Wahrlich, wenn es möglich wäre, das Andenken an Friedrich III.
bei allen Verständigen und Wohlwollenden herunterzustimmen, diese Gesell¬
schaft der Freisinnigen wäre im stände, es zu bewirken.

Zu den Deutschfreisinnigen stellen sich von selbst die Ultramontanen. So
sind wir es in den letzten achtzehn Jahren ja gewohnt. Das machte sich denn
auch diesen Sommer so. Die deutschen Bischöfe versammelten sich Ende August
auch dieses Jahr in Fulda, um am Grabe des heiligen Bonifacius zu beten,
d. h. Kirchenpolitik zu treiben. Und zwar galt ihr Protest (denn Proteste
müssen es immer sein, die bei dieser Art zu beten mit unterlaufen) diesmal zur
Abwechslung den italienischen Kammern. Daß nämlich die italienische Geist¬
lichkeit, wenn sie das Volk zum Ungehorsam aufstacheln will, mit schweren
Strafen bedroht wird, erregt das höchste Mißfallen der geistlichen Herren in
Deutschland; denn das geht gegen die Freiheit der Kirche und die Rechte des
heiligen Stuhles. Crispi, unterstützt von dem italienischen Parlamente, wird
den Herren Wohl begreiflich machen, daß sie sich da in Dinge mischen, die sie
gar nichts angehen, ohne daß er eine Mobilmachung der päpstlichen Streitkräfte
im italienischen Volke zu befürchten hätte. Man kennt eben das Regiment des
Papstes in Italien besser als in Deutschland, wo das Geschrei vom gefangenen
Papste die bethörte Menge fanatisch erregt. In Italien weiß man, daß Seine
Heiligkeit sich überaus wohl und ungenirt in seinem herrlichen Paläste fühlt,
und daß das Wort auch heute noch gilt: "Der Papst lebt herrlich in der
Welt, Es fehlt ihm nicht an Ablaßgeld." Auch die schwarze Perle, die auf dem
Katholikentage in Freiburg ankündigte, daß man sich jetzt hervorragend mit der
Lage des päpstlichen Stuhles werde zu beschäftigen haben, wird mit seiner Be¬
schäftigung die Italiener wenig in Aufregung setzen. Die Herren thäten wirk¬
lich besser, sie beschränkten sich mit ihrer Maulwurfsarbeit auf Deutschland.
Natürlich ließ sich auf dieser Katholikenversammlung in Freiburg auch wieder
die alte Litanei hören von der Unfreiheit des Papstes. Felix Freiherr von Los
beantragte die Erklärung, daß die andauernde Besetzung des Kirchenstaates und
Roms ein fortgesetzter Eingriff in die Rechte der Kirche und eine schwere Ver¬
letzung der Grundsätze des christlichen Völkerrechts sei; "sie ist eine unerträg¬
liche Beeinträchtigung der Freiheit des Stellvertreters Jesu Christi." Der Ein¬
griff wird aber wohl und mit Fug und Recht fortdauern, und dabei wird sich
Seine Heiligkeit voller Unabhängigkeit erfreuen, was in Italien jedermann weiß.
Seit der Unterredung Kaiser Wilhelms mit dem Papste weiß aber auch die
Welt, daß der "Stellvertreter Christi" den Frieden der Welt nicht mehr stört,
trotz aller Unverschämtheit des Ultramontanismus.

Wie groß diese Unverschämtheit in unserm Vaterlande ist, zeigte die
"Germania" durch den Artikel: "Erstaunliche Zeichen der Zeit," der dem Gustav-
Adolphvereine galt. Während in Freiburg die Katholikenversammlung ihre Be¬
schlüsse gefaßt hatte in betreff der Wiederherstellung der weltlichen Macht des


von der Nordlandfcchrt bis zur Romfahrt.

liebes Bild. Wahrlich, wenn es möglich wäre, das Andenken an Friedrich III.
bei allen Verständigen und Wohlwollenden herunterzustimmen, diese Gesell¬
schaft der Freisinnigen wäre im stände, es zu bewirken.

Zu den Deutschfreisinnigen stellen sich von selbst die Ultramontanen. So
sind wir es in den letzten achtzehn Jahren ja gewohnt. Das machte sich denn
auch diesen Sommer so. Die deutschen Bischöfe versammelten sich Ende August
auch dieses Jahr in Fulda, um am Grabe des heiligen Bonifacius zu beten,
d. h. Kirchenpolitik zu treiben. Und zwar galt ihr Protest (denn Proteste
müssen es immer sein, die bei dieser Art zu beten mit unterlaufen) diesmal zur
Abwechslung den italienischen Kammern. Daß nämlich die italienische Geist¬
lichkeit, wenn sie das Volk zum Ungehorsam aufstacheln will, mit schweren
Strafen bedroht wird, erregt das höchste Mißfallen der geistlichen Herren in
Deutschland; denn das geht gegen die Freiheit der Kirche und die Rechte des
heiligen Stuhles. Crispi, unterstützt von dem italienischen Parlamente, wird
den Herren Wohl begreiflich machen, daß sie sich da in Dinge mischen, die sie
gar nichts angehen, ohne daß er eine Mobilmachung der päpstlichen Streitkräfte
im italienischen Volke zu befürchten hätte. Man kennt eben das Regiment des
Papstes in Italien besser als in Deutschland, wo das Geschrei vom gefangenen
Papste die bethörte Menge fanatisch erregt. In Italien weiß man, daß Seine
Heiligkeit sich überaus wohl und ungenirt in seinem herrlichen Paläste fühlt,
und daß das Wort auch heute noch gilt: „Der Papst lebt herrlich in der
Welt, Es fehlt ihm nicht an Ablaßgeld." Auch die schwarze Perle, die auf dem
Katholikentage in Freiburg ankündigte, daß man sich jetzt hervorragend mit der
Lage des päpstlichen Stuhles werde zu beschäftigen haben, wird mit seiner Be¬
schäftigung die Italiener wenig in Aufregung setzen. Die Herren thäten wirk¬
lich besser, sie beschränkten sich mit ihrer Maulwurfsarbeit auf Deutschland.
Natürlich ließ sich auf dieser Katholikenversammlung in Freiburg auch wieder
die alte Litanei hören von der Unfreiheit des Papstes. Felix Freiherr von Los
beantragte die Erklärung, daß die andauernde Besetzung des Kirchenstaates und
Roms ein fortgesetzter Eingriff in die Rechte der Kirche und eine schwere Ver¬
letzung der Grundsätze des christlichen Völkerrechts sei; „sie ist eine unerträg¬
liche Beeinträchtigung der Freiheit des Stellvertreters Jesu Christi." Der Ein¬
griff wird aber wohl und mit Fug und Recht fortdauern, und dabei wird sich
Seine Heiligkeit voller Unabhängigkeit erfreuen, was in Italien jedermann weiß.
Seit der Unterredung Kaiser Wilhelms mit dem Papste weiß aber auch die
Welt, daß der „Stellvertreter Christi" den Frieden der Welt nicht mehr stört,
trotz aller Unverschämtheit des Ultramontanismus.

Wie groß diese Unverschämtheit in unserm Vaterlande ist, zeigte die
„Germania" durch den Artikel: „Erstaunliche Zeichen der Zeit," der dem Gustav-
Adolphvereine galt. Während in Freiburg die Katholikenversammlung ihre Be¬
schlüsse gefaßt hatte in betreff der Wiederherstellung der weltlichen Macht des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/211>, abgerufen am 24.08.2024.