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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Lin Denkmal der Leipziger Völkerschlacht.

fehlte, es fortzuschaffen. Aber wohin gehört diese prächtige Säule? Offenbar
auf das Schlachtfeld bei Leipzig. Da muß sie stehe"! Da muß ein Denkmal,
verfertigt von den ersten Unterjochern der Deutschen, aufgestellt werden zur Er¬
innerung an den herrlichen Sieg über die letzten Unterjocher der Deutschen.
Dieses Denkmal wird noch unendlich an Wert gewinnen durch den begeistern¬
den Gedanken, daß die übermütigen Römer es waren, die vor so vielen Jahr¬
hunderten vom Schicksal gleichsam gezwungen wurden, für ihre damaligen Skla¬
ven eine Trophäe zu bearbeiten, damit sie einst in später Zukunft den Sieg der
deutschen Enkel bezeichne."

Den Gedanken Kotzebues griff dann ein ungenannter Leipziger Künstler
auf, der sich auch schon längere Zeit mit der Idee zu einem Denkmal beschäftigt
hatte, und sandte nachträglich noch eine Skizze an Seckendorff. Er wollte die
Römersäule so bearbeitet wissen, daß der Schaft als ein Bund riesiger Lanzen
erschiene, aus deren Spitzen ein Kreuz hervorragte, während den Fuß ein Lor¬
beerkranz umgäbe. Die Säule sollte auf eiuen Würfel gestellt werden, der von
einem Kreis aufrecht stehender, durch hängende Ketten verbundener Kanonen¬
läufe umgeben werden sollte. Als Ort des Denkmals schlug er den Platz vor,
"wo die Quandtische Schnupftabalswiudmühle stand," also genau die Stelle
des heutigen Napoleonsteins.

Kam denn aber sonst aus Leipzig selbst gar keine Anregung? O ja, es
fehlte nicht ganz daran. Der russische Generalkonsul in Leipzig, Staatsrat
v. Freygang, der Leipziger Ratsherr Dr. Stieglitz (der bekannte Kunsthistoriker)
und der sächsische Major Aster (der Geschichtsschreiber der Leipziger Schlacht)
veröffentlichten gemeinschaftlich einen architektonischen Entwurf. Er liegt vor in
zwei lithographirten Zeichnungen und einem ebenfalls lithographirten kurzen Text
(3 Seiten) ohne Jahreszahl: "Entwurf eines zum Andenken der Schlacht von
Leipzig zu errichtenden (nicht Sieges-) sondern Todtenmonuments." Die genannten
drei wollten auf dem "Monarchenhügel" eine gotische Kapelle in der Form
eines lateinischen Kreuzes mit einem Turme über der Vierung erbauen, die
"dem Andenken der drei verewigten Oberfeldherrn der Alliirten und allerauf
dem Schlachtfelds von Leipzig Gefallenen gewidmet" sein sollte. Die drei
kurzen Schenkel des Kreuzes sollten "drei kleinere, der katholischen, griechischen
und evangelischen Konfession gewidmete Kapellen" bilden, die durch Gitterwerk
von dem Hauptraume abgesondert werden sollten. Diese Kapellen sollten "ein
der Seite der Altäre einfache Denkmale der drei Oberfeldherrcn enthalten" (so!).
Der längere Schenkel des Kreuzes, das Hauptschiff mit seineu beiden Neben-
schiffen, sollte, "ohne Unterschied der Nation, des Ranges oder der Waffen dem
Andenken sämtlicher bei Leipzig Gefallenen gewidmet" sein. "Den nachgelassenen
und Angehörigen -- heißt es weiter -- steht es frei, durch marmorne Tafeln,
Inschriften, Basreliefs, Gemälde u. s. f. das Andenken der Ihrigen zu feiern,
jedoch ist in Ansehung des beschränkten Raumes die größte Ökonomie zu beob-


Lin Denkmal der Leipziger Völkerschlacht.

fehlte, es fortzuschaffen. Aber wohin gehört diese prächtige Säule? Offenbar
auf das Schlachtfeld bei Leipzig. Da muß sie stehe»! Da muß ein Denkmal,
verfertigt von den ersten Unterjochern der Deutschen, aufgestellt werden zur Er¬
innerung an den herrlichen Sieg über die letzten Unterjocher der Deutschen.
Dieses Denkmal wird noch unendlich an Wert gewinnen durch den begeistern¬
den Gedanken, daß die übermütigen Römer es waren, die vor so vielen Jahr¬
hunderten vom Schicksal gleichsam gezwungen wurden, für ihre damaligen Skla¬
ven eine Trophäe zu bearbeiten, damit sie einst in später Zukunft den Sieg der
deutschen Enkel bezeichne."

Den Gedanken Kotzebues griff dann ein ungenannter Leipziger Künstler
auf, der sich auch schon längere Zeit mit der Idee zu einem Denkmal beschäftigt
hatte, und sandte nachträglich noch eine Skizze an Seckendorff. Er wollte die
Römersäule so bearbeitet wissen, daß der Schaft als ein Bund riesiger Lanzen
erschiene, aus deren Spitzen ein Kreuz hervorragte, während den Fuß ein Lor¬
beerkranz umgäbe. Die Säule sollte auf eiuen Würfel gestellt werden, der von
einem Kreis aufrecht stehender, durch hängende Ketten verbundener Kanonen¬
läufe umgeben werden sollte. Als Ort des Denkmals schlug er den Platz vor,
„wo die Quandtische Schnupftabalswiudmühle stand," also genau die Stelle
des heutigen Napoleonsteins.

Kam denn aber sonst aus Leipzig selbst gar keine Anregung? O ja, es
fehlte nicht ganz daran. Der russische Generalkonsul in Leipzig, Staatsrat
v. Freygang, der Leipziger Ratsherr Dr. Stieglitz (der bekannte Kunsthistoriker)
und der sächsische Major Aster (der Geschichtsschreiber der Leipziger Schlacht)
veröffentlichten gemeinschaftlich einen architektonischen Entwurf. Er liegt vor in
zwei lithographirten Zeichnungen und einem ebenfalls lithographirten kurzen Text
(3 Seiten) ohne Jahreszahl: „Entwurf eines zum Andenken der Schlacht von
Leipzig zu errichtenden (nicht Sieges-) sondern Todtenmonuments." Die genannten
drei wollten auf dem „Monarchenhügel" eine gotische Kapelle in der Form
eines lateinischen Kreuzes mit einem Turme über der Vierung erbauen, die
„dem Andenken der drei verewigten Oberfeldherrn der Alliirten und allerauf
dem Schlachtfelds von Leipzig Gefallenen gewidmet" sein sollte. Die drei
kurzen Schenkel des Kreuzes sollten „drei kleinere, der katholischen, griechischen
und evangelischen Konfession gewidmete Kapellen" bilden, die durch Gitterwerk
von dem Hauptraume abgesondert werden sollten. Diese Kapellen sollten „ein
der Seite der Altäre einfache Denkmale der drei Oberfeldherrcn enthalten" (so!).
Der längere Schenkel des Kreuzes, das Hauptschiff mit seineu beiden Neben-
schiffen, sollte, „ohne Unterschied der Nation, des Ranges oder der Waffen dem
Andenken sämtlicher bei Leipzig Gefallenen gewidmet" sein. „Den nachgelassenen
und Angehörigen — heißt es weiter — steht es frei, durch marmorne Tafeln,
Inschriften, Basreliefs, Gemälde u. s. f. das Andenken der Ihrigen zu feiern,
jedoch ist in Ansehung des beschränkten Raumes die größte Ökonomie zu beob-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/197>, abgerufen am 02.07.2024.