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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die neuesten Darstellungen der deutschen Kunstgeschichte.

Abteilung ihre Selbständigkeit bis auf die gleichartige äußere Ausstattung ge¬
wahrt ist.

Wenn wir uns daher über die Grotische Kunstgeschichte im allgemeinen
ein Urteil bilden wollen, werden wir der buchhändlerischen Ausstattung des
Unternehmens gebührende Aufmerksamkeit zuzuwenden haben. Man hat oft
über die in unsern Tagen so beliebt gewordenen "authentisch" illustrirten Werke
gespottet, und in der That schien beinahe Kants Kritik der reinen Vernunft
vor einer solchen "authentischen" Illustration nicht mehr sicher zu sein. Das
in seinen Auswüchsen oft lächerliche und den schriftstellerischen Wert vieler Werke
äußerlich zurückdrängende Verfahren darf indes als Leistung des Buchge¬
werbes seine selbständige Würdigung beanspruchen. Unsre von Tag zu Tag
sich vervollkommnenden ReProduktionsverfahren sollen nicht ausschließlich der
streng wissenschaftlichen Forschung zu gute kommen, auch weitere Kreise ver¬
folgen diese Entwicklung mit Interesse und steigern ihre Ansprüche mit den
ihnen gebotenen Leistungen. Mehr als jede andre Wissenschaft fordert aber die
Kunstwissenschaft die Beihilfe treuer Abbildung, und so bedarf es denn, zumal
bei einer Darstellung der auch in dieser Hinsicht bisher so gar stiefmütterlich
behandelten deutschen Kunstgeschichte keiner besondern Rechtfertigung oder Ent¬
schuldigung , wenn man ans diese hier eben nicht lediglich äußerliche Ausstattung
Nachdruck und Wert legt. Die bisher vorliegenden Proben bewähren den Ruf,
den sich die Verlagshandlung namentlich im Laufe der letzten Jahre durch ihre
umfangreiche illustrierte Weltgeschichte erworben hat, in vollem Maße. Als
eine besonders anerkennenswerte und gelungene Leistung mögen die Holzschnitte
der Geschichte der deutschen Plastik hervorgehoben werden, die mit einer oft
über photographische Treue hinausgehenden Schärfe und Klarheit die charak¬
teristischen Züge der Originale wiedergeben. Daß vereinzelt Minderwertiges
uns in diesem Gesamturteil nicht beirren kann, ist bei einem Werke, das
durchweg neue, eigne Aufnahmen bietet, selbstverständlich. Gegenüber den
Clichvpublikationen manches Verlegers, der sich das Monopol für kunst¬
geschichtliche Werke gesichert zu haben glaubt und fremde wie eigne Werke
in augenfälligster Weise plündert, ist diese vornehme Gediegenheit doppelt hoch
anzuschlagen. Gleichwohl dürfen wir ein Bedenken nicht unterdrücken, das sich
gegen die farbigen Steinbrücke richtet. Daß mau hie und da dem Leser eine
lebendigere Anschauung von dem Wesen farbiger Plastik und Architektur des
deutschen Mittelalters zu geben versucht, ist durchaus gerechtfertigt, und für
diesen Zweck sind die Farbendrucke (von Hülcker und Kurth) -- wir nennen nur
die besonders gelungene Wiedergabe der schwäbischen Madonnenstatuette des
Berliner Museums -- ausreichend. Auch einzelne Drucke mehr dekorativer mittel¬
alterlicher Miniaturen geben in ihrem bunten Gewande zur Not die Originale
wieder. Als einen Mißgriff aber müssen wir es bezeichnen, wenn man Bilder
wie die Kölner Madonna des Meister Wilhelm in Buntdruck dem -- Spott


Die neuesten Darstellungen der deutschen Kunstgeschichte.

Abteilung ihre Selbständigkeit bis auf die gleichartige äußere Ausstattung ge¬
wahrt ist.

Wenn wir uns daher über die Grotische Kunstgeschichte im allgemeinen
ein Urteil bilden wollen, werden wir der buchhändlerischen Ausstattung des
Unternehmens gebührende Aufmerksamkeit zuzuwenden haben. Man hat oft
über die in unsern Tagen so beliebt gewordenen „authentisch" illustrirten Werke
gespottet, und in der That schien beinahe Kants Kritik der reinen Vernunft
vor einer solchen „authentischen" Illustration nicht mehr sicher zu sein. Das
in seinen Auswüchsen oft lächerliche und den schriftstellerischen Wert vieler Werke
äußerlich zurückdrängende Verfahren darf indes als Leistung des Buchge¬
werbes seine selbständige Würdigung beanspruchen. Unsre von Tag zu Tag
sich vervollkommnenden ReProduktionsverfahren sollen nicht ausschließlich der
streng wissenschaftlichen Forschung zu gute kommen, auch weitere Kreise ver¬
folgen diese Entwicklung mit Interesse und steigern ihre Ansprüche mit den
ihnen gebotenen Leistungen. Mehr als jede andre Wissenschaft fordert aber die
Kunstwissenschaft die Beihilfe treuer Abbildung, und so bedarf es denn, zumal
bei einer Darstellung der auch in dieser Hinsicht bisher so gar stiefmütterlich
behandelten deutschen Kunstgeschichte keiner besondern Rechtfertigung oder Ent¬
schuldigung , wenn man ans diese hier eben nicht lediglich äußerliche Ausstattung
Nachdruck und Wert legt. Die bisher vorliegenden Proben bewähren den Ruf,
den sich die Verlagshandlung namentlich im Laufe der letzten Jahre durch ihre
umfangreiche illustrierte Weltgeschichte erworben hat, in vollem Maße. Als
eine besonders anerkennenswerte und gelungene Leistung mögen die Holzschnitte
der Geschichte der deutschen Plastik hervorgehoben werden, die mit einer oft
über photographische Treue hinausgehenden Schärfe und Klarheit die charak¬
teristischen Züge der Originale wiedergeben. Daß vereinzelt Minderwertiges
uns in diesem Gesamturteil nicht beirren kann, ist bei einem Werke, das
durchweg neue, eigne Aufnahmen bietet, selbstverständlich. Gegenüber den
Clichvpublikationen manches Verlegers, der sich das Monopol für kunst¬
geschichtliche Werke gesichert zu haben glaubt und fremde wie eigne Werke
in augenfälligster Weise plündert, ist diese vornehme Gediegenheit doppelt hoch
anzuschlagen. Gleichwohl dürfen wir ein Bedenken nicht unterdrücken, das sich
gegen die farbigen Steinbrücke richtet. Daß mau hie und da dem Leser eine
lebendigere Anschauung von dem Wesen farbiger Plastik und Architektur des
deutschen Mittelalters zu geben versucht, ist durchaus gerechtfertigt, und für
diesen Zweck sind die Farbendrucke (von Hülcker und Kurth) — wir nennen nur
die besonders gelungene Wiedergabe der schwäbischen Madonnenstatuette des
Berliner Museums — ausreichend. Auch einzelne Drucke mehr dekorativer mittel¬
alterlicher Miniaturen geben in ihrem bunten Gewande zur Not die Originale
wieder. Als einen Mißgriff aber müssen wir es bezeichnen, wenn man Bilder
wie die Kölner Madonna des Meister Wilhelm in Buntdruck dem — Spott


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/138>, abgerufen am 01.07.2024.