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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Das Kriegstagebuch Kaiser Friedrichs.

für den Brief des Königs fLudwig II. von Bayerns Mgen der Kaiserwürde an
Se. Majestät ist nach München abgegangen; der Großherzog >von Badens
sagt mir, man habe dort nicht die richtige Fassung zu finden vermocht und sich
dieselbe von hier erbeten, der König von Bayern hat den Brief wahrhaftig
abgeschrieben . . . Holnstein ^der Oberstallmeister König Ludwigs, dem er das
Konzept und ein Begleitschreiben des Bundeskanzlers nach Überwindung großer
Schwierigkeiten in der Einsamkeit von Schloß Berg zugestellt^ ist ^mit der
königlichen Abschrift des Konzeptes^ zurückgekommen, Prinz Luitpold muß das
Schreiben auf besondern Befehl dem Könige überreichen. Nach Tische Vortrag
Bismarcks, der den Brief vorliest, welchen der König so zur Unzeit wie möglich
findet, worauf Bismarck bemerkt, die Kaiserfrage habe nichts mit den augen¬
blicklichen Kämpfen zu thun. Als wir das Zimmer verließen, reichten Bismarck
und ich uns die Hand; mit dem heutigen Tage sind Kaiser und Reich unwider¬
ruflich hergestellt, jetzt ist das 65jährige Interregnum, die kaiserlose, die schreck¬
liche Zeit vorbei, schon dieser stolze Titel ist eine Bürgschaft, wir verdanken
dieß wesentlich dem Großherzog von Baden, der unausgesetzt thätig gewesen ist."

Am 6. Dezember schreibt der Kronprinz u. a. in sein Gedenkbuch: "Der
König ist sehr betroffen, daß Delbrück dem Reichstage den Brief des Königs von
Bayern vorgelesen hat," am 9.: "Ich erfahre Delbrücks Vordringen der Kaiser¬
frage, das über alles Maß schwach, matt und trocken; es war kläglich, als ob er
^ein treffendes Bild!^ die Kaiserkrone in altes Zeitungspapier gewickelt aus der
Hosentasche gezogen hätte, es ist unmöglich, in diese Leute Schwung zu bringen.
Man fragt, ob dieser Bund das Resultat aller Opfer sein solle, ein Werk, das
nur den Männern passe, für welche und von denen es gemacht worden. Ich
bin mir wohl bewußt, welche unendliche Mühen und Beschwerden mir dereinst
die heutigen Unterlassungssünden bringen werden . . . Der König ist erregt
über Delbrücks Verfahren, der König von Sachsen habe seine Überraschung aus¬
sprechen lassen; er fürchtet die Neichstagsdeputation, weil es aussehe, als ob
die Kaisersache vom Reichstage ausgehe, und will sie nicht empfangen, bis er
die Zustimmung sämtlicher Staaten durch den König von Bayern hat." --
Noch am 15. Dezember notirt sich der Kronprinz: "Der König will nichts
vom Empfange der Abgeordneten wissen, lebt sich jedoch mehr in die Sache
ein; schlimm ist, daß gerade jetzt Bismarck fußleidend ist, der Großherzog von
Baden wirkt wie ein guter Genius."

Am 17. wird es besser für die Wünsche des Tagebuchsverfassers und
er schreibt: "Ich höre vom Hofmarschall des Prinzen Karl, daß morgen bei
Sr. Majestät Diner für die Abgeordneten sei. Bismarck sagt, der König
wolle sie vorher empfangen. Lange Unterhaltung mit Simson, der korrekt und
logisch. Graf Perporcher sagt zu Adalbert: ,Wir werden doch dieses Kaisertum



das aber ursprünglich nicht dem Kronprinzen angehört, sondern aus den Kreisen
des Kanzlers stammt oder in einem Berliner Briefe in diese gelangte.
Das Kriegstagebuch Kaiser Friedrichs.

für den Brief des Königs fLudwig II. von Bayerns Mgen der Kaiserwürde an
Se. Majestät ist nach München abgegangen; der Großherzog >von Badens
sagt mir, man habe dort nicht die richtige Fassung zu finden vermocht und sich
dieselbe von hier erbeten, der König von Bayern hat den Brief wahrhaftig
abgeschrieben . . . Holnstein ^der Oberstallmeister König Ludwigs, dem er das
Konzept und ein Begleitschreiben des Bundeskanzlers nach Überwindung großer
Schwierigkeiten in der Einsamkeit von Schloß Berg zugestellt^ ist ^mit der
königlichen Abschrift des Konzeptes^ zurückgekommen, Prinz Luitpold muß das
Schreiben auf besondern Befehl dem Könige überreichen. Nach Tische Vortrag
Bismarcks, der den Brief vorliest, welchen der König so zur Unzeit wie möglich
findet, worauf Bismarck bemerkt, die Kaiserfrage habe nichts mit den augen¬
blicklichen Kämpfen zu thun. Als wir das Zimmer verließen, reichten Bismarck
und ich uns die Hand; mit dem heutigen Tage sind Kaiser und Reich unwider¬
ruflich hergestellt, jetzt ist das 65jährige Interregnum, die kaiserlose, die schreck¬
liche Zeit vorbei, schon dieser stolze Titel ist eine Bürgschaft, wir verdanken
dieß wesentlich dem Großherzog von Baden, der unausgesetzt thätig gewesen ist."

Am 6. Dezember schreibt der Kronprinz u. a. in sein Gedenkbuch: „Der
König ist sehr betroffen, daß Delbrück dem Reichstage den Brief des Königs von
Bayern vorgelesen hat," am 9.: „Ich erfahre Delbrücks Vordringen der Kaiser¬
frage, das über alles Maß schwach, matt und trocken; es war kläglich, als ob er
^ein treffendes Bild!^ die Kaiserkrone in altes Zeitungspapier gewickelt aus der
Hosentasche gezogen hätte, es ist unmöglich, in diese Leute Schwung zu bringen.
Man fragt, ob dieser Bund das Resultat aller Opfer sein solle, ein Werk, das
nur den Männern passe, für welche und von denen es gemacht worden. Ich
bin mir wohl bewußt, welche unendliche Mühen und Beschwerden mir dereinst
die heutigen Unterlassungssünden bringen werden . . . Der König ist erregt
über Delbrücks Verfahren, der König von Sachsen habe seine Überraschung aus¬
sprechen lassen; er fürchtet die Neichstagsdeputation, weil es aussehe, als ob
die Kaisersache vom Reichstage ausgehe, und will sie nicht empfangen, bis er
die Zustimmung sämtlicher Staaten durch den König von Bayern hat." —
Noch am 15. Dezember notirt sich der Kronprinz: „Der König will nichts
vom Empfange der Abgeordneten wissen, lebt sich jedoch mehr in die Sache
ein; schlimm ist, daß gerade jetzt Bismarck fußleidend ist, der Großherzog von
Baden wirkt wie ein guter Genius."

Am 17. wird es besser für die Wünsche des Tagebuchsverfassers und
er schreibt: „Ich höre vom Hofmarschall des Prinzen Karl, daß morgen bei
Sr. Majestät Diner für die Abgeordneten sei. Bismarck sagt, der König
wolle sie vorher empfangen. Lange Unterhaltung mit Simson, der korrekt und
logisch. Graf Perporcher sagt zu Adalbert: ,Wir werden doch dieses Kaisertum



das aber ursprünglich nicht dem Kronprinzen angehört, sondern aus den Kreisen
des Kanzlers stammt oder in einem Berliner Briefe in diese gelangte.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/12>, abgerufen am 04.07.2024.