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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Das Kriegstagebuch Kaiser Friedrichs.

Verfassung mit Oberhaupt genehmigen zu lassen, das würde eine Pression sein,
der die Könige fanden in einem noch unentschiedenen und nur mit ihrem fernern
Beistande mit voller Sicherheit siegreich zu entscheidenden Kriege?) nicht wider¬
stehen könnten. Bismarck bemerkte, mit dieser Anschauung stehe ich ganz allein;
um das gewollte Ziel zu erreichen, wäre es richtiger, die Anregung aus dem
Schoße des Reichstages kommen zu lassen. Auf meinen Hinweis auf die Ge¬
sinnungen von Baden, Oldenburg, Weimar, Koburg deckte er sich durch den
Willen Sr. Majestät. Ich erwiderte, ich wisse sehr wohl, daß sein Nichtwollen
allein genüge, um eine solche Sache auch bei Sr. Majestät unmöglich zu machen.
Bismarck entgegnete, ich mache ihm Vorwürfe, während er ganz andre Personen
wisse, die jene verdienten. Hierbei sei die große Selbständigkeit des Königs in
politischen Fragen zu berücksichtigen, der jede wichtige Depesche selbst durchsehe,
ja korrigire. Er bedaure, daß die Frage des Kaisers und Oberhauses über¬
haupt diskutirt sei, da man Bayern und Württemberg dadurch vor den Kopf
gestoßen. Ich bemerkte, Dalwigk habe sie ja angeregt. Bismarck meinte, meine
Äußerungen müßten nachteilig wirken, er finde überhaupt, der Kronprinz dürfe
dergleichen Ansichten nicht äußern. Ich verwahrte mich sofort aus das Bestimmteste
dagegen, daß mir in solcher Weise der Mund verboten werde, zumal bei solcher
Zukunftsfrage; ich sähe es als Pflicht an, bei niemandem Zweifel gerade über
meine Ansicht zu lassen. Überdies; stehe nur bei Sr. Majestät, mir über die
Dinge, welche ich besprechen dürfe oder nicht, Weisungen zu geben, wenn man
überhaupt annehme, daß ich noch nicht alt genug sei, um selber ein Urteil zu
haben. Bismarck sagte, wenn der Kronprinz befehle, so werde er nach diesen
Ansichten handeln. Ich protestirte dagegen, weil ich ihm gar keine Befehle
zu erteilen habe, worauf er erklärte, er werde seinerseits sehr gern jeder andern
Persönlichkeit Platz machen, die ich zur Leitung der Geschäfte für geeigneter
als ihn halte, ^wobei er an Noggenbach denken konnte) bis dahin aber müsse
er seine Prinzipien nach seinem besten Wissen und der ihm beiwohnenden
Kenntnis aller einschlagenden Verhältnisse festhalten."

Wieder recht bezeichnend für die Denkweise des Kronprinzen ist die Stelle
im Tagebuchsblatte vom 18. November, wo es heißt: "Ich freue mich über
den Artikel der .Times' über meinen Dankbrief an Lindsay; möge es mir ge¬
lingen, nach den Grundsätzen meines unvergeßlichen Schwiegervaters eine Kette
zwischen beiden so ganz aufeinander angewiesenen Ländern ^Deutschland und
England) zu schmieden."

Ohne Schaden und mit Nutzen hätten folgende Stellen der Aufzeichnungen
wegbleiben können: "23. November. Augenblick spannender Kombinationen.
Moltke trägt die Sachlage stets mit der größten Klarheit, ja Nüchternheit vor,
hat immer .alles bedacht, berechnet und trifft den Nagel stets auf den Kopf,
aber Roons Achselzucken und Spucken und Podbielskis olympische Sicherheit
influiren oft auf den König." -- "30. November. Ein Konzept Bismarcks


Das Kriegstagebuch Kaiser Friedrichs.

Verfassung mit Oberhaupt genehmigen zu lassen, das würde eine Pression sein,
der die Könige fanden in einem noch unentschiedenen und nur mit ihrem fernern
Beistande mit voller Sicherheit siegreich zu entscheidenden Kriege?) nicht wider¬
stehen könnten. Bismarck bemerkte, mit dieser Anschauung stehe ich ganz allein;
um das gewollte Ziel zu erreichen, wäre es richtiger, die Anregung aus dem
Schoße des Reichstages kommen zu lassen. Auf meinen Hinweis auf die Ge¬
sinnungen von Baden, Oldenburg, Weimar, Koburg deckte er sich durch den
Willen Sr. Majestät. Ich erwiderte, ich wisse sehr wohl, daß sein Nichtwollen
allein genüge, um eine solche Sache auch bei Sr. Majestät unmöglich zu machen.
Bismarck entgegnete, ich mache ihm Vorwürfe, während er ganz andre Personen
wisse, die jene verdienten. Hierbei sei die große Selbständigkeit des Königs in
politischen Fragen zu berücksichtigen, der jede wichtige Depesche selbst durchsehe,
ja korrigire. Er bedaure, daß die Frage des Kaisers und Oberhauses über¬
haupt diskutirt sei, da man Bayern und Württemberg dadurch vor den Kopf
gestoßen. Ich bemerkte, Dalwigk habe sie ja angeregt. Bismarck meinte, meine
Äußerungen müßten nachteilig wirken, er finde überhaupt, der Kronprinz dürfe
dergleichen Ansichten nicht äußern. Ich verwahrte mich sofort aus das Bestimmteste
dagegen, daß mir in solcher Weise der Mund verboten werde, zumal bei solcher
Zukunftsfrage; ich sähe es als Pflicht an, bei niemandem Zweifel gerade über
meine Ansicht zu lassen. Überdies; stehe nur bei Sr. Majestät, mir über die
Dinge, welche ich besprechen dürfe oder nicht, Weisungen zu geben, wenn man
überhaupt annehme, daß ich noch nicht alt genug sei, um selber ein Urteil zu
haben. Bismarck sagte, wenn der Kronprinz befehle, so werde er nach diesen
Ansichten handeln. Ich protestirte dagegen, weil ich ihm gar keine Befehle
zu erteilen habe, worauf er erklärte, er werde seinerseits sehr gern jeder andern
Persönlichkeit Platz machen, die ich zur Leitung der Geschäfte für geeigneter
als ihn halte, ^wobei er an Noggenbach denken konnte) bis dahin aber müsse
er seine Prinzipien nach seinem besten Wissen und der ihm beiwohnenden
Kenntnis aller einschlagenden Verhältnisse festhalten."

Wieder recht bezeichnend für die Denkweise des Kronprinzen ist die Stelle
im Tagebuchsblatte vom 18. November, wo es heißt: „Ich freue mich über
den Artikel der .Times' über meinen Dankbrief an Lindsay; möge es mir ge¬
lingen, nach den Grundsätzen meines unvergeßlichen Schwiegervaters eine Kette
zwischen beiden so ganz aufeinander angewiesenen Ländern ^Deutschland und
England) zu schmieden."

Ohne Schaden und mit Nutzen hätten folgende Stellen der Aufzeichnungen
wegbleiben können: „23. November. Augenblick spannender Kombinationen.
Moltke trägt die Sachlage stets mit der größten Klarheit, ja Nüchternheit vor,
hat immer .alles bedacht, berechnet und trifft den Nagel stets auf den Kopf,
aber Roons Achselzucken und Spucken und Podbielskis olympische Sicherheit
influiren oft auf den König." — „30. November. Ein Konzept Bismarcks


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/11>, abgerufen am 04.07.2024.