Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Ulrich von Hütten.
(Schluß.)

offte Hütten in gleicher Weise auf den um jene Zeit aus Spanien
in Deutschland eintreffenden Kaiser, "das junge, edle Blut," wie
Luther ihn begrüßte, so sollte diese Hoffnung bald zu Schanden
werden. Schon in den Niederlanden hatte Karl die Schriften
Luthers verboten, und seit dem Bekanntwerden der päpstlichen
Bannbulle gegen Luther wurden sie auch in Deutschland an manchen Orten
verbrannt. Umso kräftiger ließ nun Hütten seine Stimme erschallen in einer
Reihe von Flugschriften und Gedichten, in der Sprache der Humanisten sowohl
als in der seines Volkes. Denn von da an bedient sich Hütten mit Vorliebe
der deutschen Sprache, schon damit man von dem Inhalte seiner lateinischen
Schriften dem deutschen Volke fernerhin kein falsches Bild machen könne, und
dann, um sich unmittelbar an sein Volk zu wenden, wofür er ja ein glänzendes
Vorbild hatte an Luther, dem er freilich in der Behandlung der deutschen
Sprache nicht gleichkommen konnte. Nun erklärte der adliche Volksredner und
Volksschriftsteller in seinem "Aufwecker der deutschen Nation":


Latein ich vor geschrieben hab,
Das war eim jeden nit bekannt;
Jetzt schrei ich an das Vaterland,
Deutsch Nation in ihrer Sprach,
Zu bringen diesen Dingen Rand.

Man kann die ungelenken Verse dieser Klagrede Huttens nicht lesen, ohne
tief ergriffen zu werden, so treuherzig werden diese Mahnungen vorgebracht, so
lebendig tritt uns aus ihnen der Mann entgegen, der rückhaltlos, ganz und
gar aufgeht in der Sache, die er als die seiner Nation erkannt hat, für die er
jederzeit seine beste geistige Kraft einsetzt und für die er bereit ist, auch sein
Leben aufzuopfern.

Mancher Gedanke gemahnt lebhaft an einen Standesgenossen Huttens,
auch einen armen fahrenden Ritter, der dreihundert Jahre früher ähnlich ein¬
getreten war für sein geliebtes Deutschland, an Walther von der Vogelweide.




Ulrich von Hütten.
(Schluß.)

offte Hütten in gleicher Weise auf den um jene Zeit aus Spanien
in Deutschland eintreffenden Kaiser, „das junge, edle Blut," wie
Luther ihn begrüßte, so sollte diese Hoffnung bald zu Schanden
werden. Schon in den Niederlanden hatte Karl die Schriften
Luthers verboten, und seit dem Bekanntwerden der päpstlichen
Bannbulle gegen Luther wurden sie auch in Deutschland an manchen Orten
verbrannt. Umso kräftiger ließ nun Hütten seine Stimme erschallen in einer
Reihe von Flugschriften und Gedichten, in der Sprache der Humanisten sowohl
als in der seines Volkes. Denn von da an bedient sich Hütten mit Vorliebe
der deutschen Sprache, schon damit man von dem Inhalte seiner lateinischen
Schriften dem deutschen Volke fernerhin kein falsches Bild machen könne, und
dann, um sich unmittelbar an sein Volk zu wenden, wofür er ja ein glänzendes
Vorbild hatte an Luther, dem er freilich in der Behandlung der deutschen
Sprache nicht gleichkommen konnte. Nun erklärte der adliche Volksredner und
Volksschriftsteller in seinem „Aufwecker der deutschen Nation":


Latein ich vor geschrieben hab,
Das war eim jeden nit bekannt;
Jetzt schrei ich an das Vaterland,
Deutsch Nation in ihrer Sprach,
Zu bringen diesen Dingen Rand.

Man kann die ungelenken Verse dieser Klagrede Huttens nicht lesen, ohne
tief ergriffen zu werden, so treuherzig werden diese Mahnungen vorgebracht, so
lebendig tritt uns aus ihnen der Mann entgegen, der rückhaltlos, ganz und
gar aufgeht in der Sache, die er als die seiner Nation erkannt hat, für die er
jederzeit seine beste geistige Kraft einsetzt und für die er bereit ist, auch sein
Leben aufzuopfern.

Mancher Gedanke gemahnt lebhaft an einen Standesgenossen Huttens,
auch einen armen fahrenden Ritter, der dreihundert Jahre früher ähnlich ein¬
getreten war für sein geliebtes Deutschland, an Walther von der Vogelweide.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0072" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202849"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341847_202776/figures/grenzboten_341847_202776_202849_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ulrich von Hütten.<lb/>
(Schluß.) </head><lb/>
          <p xml:id="ID_203"> offte Hütten in gleicher Weise auf den um jene Zeit aus Spanien<lb/>
in Deutschland eintreffenden Kaiser, &#x201E;das junge, edle Blut," wie<lb/>
Luther ihn begrüßte, so sollte diese Hoffnung bald zu Schanden<lb/>
werden. Schon in den Niederlanden hatte Karl die Schriften<lb/>
Luthers verboten, und seit dem Bekanntwerden der päpstlichen<lb/>
Bannbulle gegen Luther wurden sie auch in Deutschland an manchen Orten<lb/>
verbrannt. Umso kräftiger ließ nun Hütten seine Stimme erschallen in einer<lb/>
Reihe von Flugschriften und Gedichten, in der Sprache der Humanisten sowohl<lb/>
als in der seines Volkes. Denn von da an bedient sich Hütten mit Vorliebe<lb/>
der deutschen Sprache, schon damit man von dem Inhalte seiner lateinischen<lb/>
Schriften dem deutschen Volke fernerhin kein falsches Bild machen könne, und<lb/>
dann, um sich unmittelbar an sein Volk zu wenden, wofür er ja ein glänzendes<lb/>
Vorbild hatte an Luther, dem er freilich in der Behandlung der deutschen<lb/>
Sprache nicht gleichkommen konnte. Nun erklärte der adliche Volksredner und<lb/>
Volksschriftsteller in seinem &#x201E;Aufwecker der deutschen Nation":</p><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_25" type="poem">
              <l> Latein ich vor geschrieben hab,<lb/>
Das war eim jeden nit bekannt;<lb/>
Jetzt schrei ich an das Vaterland,<lb/>
Deutsch Nation in ihrer Sprach,<lb/>
Zu bringen diesen Dingen Rand.</l>
            </lg>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_204"> Man kann die ungelenken Verse dieser Klagrede Huttens nicht lesen, ohne<lb/>
tief ergriffen zu werden, so treuherzig werden diese Mahnungen vorgebracht, so<lb/>
lebendig tritt uns aus ihnen der Mann entgegen, der rückhaltlos, ganz und<lb/>
gar aufgeht in der Sache, die er als die seiner Nation erkannt hat, für die er<lb/>
jederzeit seine beste geistige Kraft einsetzt und für die er bereit ist, auch sein<lb/>
Leben aufzuopfern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_205" next="#ID_206"> Mancher Gedanke gemahnt lebhaft an einen Standesgenossen Huttens,<lb/>
auch einen armen fahrenden Ritter, der dreihundert Jahre früher ähnlich ein¬<lb/>
getreten war für sein geliebtes Deutschland, an Walther von der Vogelweide.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0072] [Abbildung] Ulrich von Hütten. (Schluß.) offte Hütten in gleicher Weise auf den um jene Zeit aus Spanien in Deutschland eintreffenden Kaiser, „das junge, edle Blut," wie Luther ihn begrüßte, so sollte diese Hoffnung bald zu Schanden werden. Schon in den Niederlanden hatte Karl die Schriften Luthers verboten, und seit dem Bekanntwerden der päpstlichen Bannbulle gegen Luther wurden sie auch in Deutschland an manchen Orten verbrannt. Umso kräftiger ließ nun Hütten seine Stimme erschallen in einer Reihe von Flugschriften und Gedichten, in der Sprache der Humanisten sowohl als in der seines Volkes. Denn von da an bedient sich Hütten mit Vorliebe der deutschen Sprache, schon damit man von dem Inhalte seiner lateinischen Schriften dem deutschen Volke fernerhin kein falsches Bild machen könne, und dann, um sich unmittelbar an sein Volk zu wenden, wofür er ja ein glänzendes Vorbild hatte an Luther, dem er freilich in der Behandlung der deutschen Sprache nicht gleichkommen konnte. Nun erklärte der adliche Volksredner und Volksschriftsteller in seinem „Aufwecker der deutschen Nation": Latein ich vor geschrieben hab, Das war eim jeden nit bekannt; Jetzt schrei ich an das Vaterland, Deutsch Nation in ihrer Sprach, Zu bringen diesen Dingen Rand. Man kann die ungelenken Verse dieser Klagrede Huttens nicht lesen, ohne tief ergriffen zu werden, so treuherzig werden diese Mahnungen vorgebracht, so lebendig tritt uns aus ihnen der Mann entgegen, der rückhaltlos, ganz und gar aufgeht in der Sache, die er als die seiner Nation erkannt hat, für die er jederzeit seine beste geistige Kraft einsetzt und für die er bereit ist, auch sein Leben aufzuopfern. Mancher Gedanke gemahnt lebhaft an einen Standesgenossen Huttens, auch einen armen fahrenden Ritter, der dreihundert Jahre früher ähnlich ein¬ getreten war für sein geliebtes Deutschland, an Walther von der Vogelweide.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/72
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/72>, abgerufen am 29.07.2024.