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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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verabschiedete Offiziere.

bis das Vaterland seiner in seinem frühern Beruf wieder bedürfte. Diesem
Rufe würde er dann frischer und freudiger Folge leisten, als wenn er sich
Jahre lang einem verweichlichenden Genußleben ergeben oder wenn er sich in
unnatürlichen oder demütigender Lagen hat herumschlagen müssen, in denen er
möglicherweise mit den wertvollsten Eigenschaften eines Offiziers hart ins Ge¬
dränge geraten ist, wenn er sie nicht ganz eingebüßt hat.

Und dann sollte man meinen, was der preußische Staat kann, könnten auch
die übrigen deutschen Staaten. Freilich eine andre Frage ist, ob die letztern,
d. h. die maßgebenden Zivilbehörden derselben, Lust dazu haben, ob sich nicht
im Schoße der letztern Widersprüche, ja Widerwille gegen eine solche Maßregel
erheben würde? Es wäre dies ja bis zu einem gewissen Grade erklärlich.
Einmal wäre es eine Neuerung, und von einer solchen wendet sich ab, wer kann
und so lange er es kann, und dann würde denen, die ihr Geld auf Studien ver¬
wendet haben, hierdurch eine nicht unerhebliche Konkurrenz geschaffen, auch die
demokratische Partei der Landtage -- in diesen hat sie ja noch einiges zu
sagen -- wäre wohl dagegen. Indes dies alles wäre noch kein Beweis, daß
eine Maßregel, die im preußischen Staate eingebürgert ist, dies nicht auch bei
uns werden könnte. Der Widerstand ließe sich ja wohl brechen, der der Beamten
der betreffenden Abteilungen, sowie der der Kammerdemokraten; in Preußen ist
sicher auch beides einmal zu überwinden gewesen. Was ist nicht alles im Ver¬
laufe der letzten siebzehn Jahre überwunden worden, und wahrlich nicht zu
unserm Nachteil!

Ich spreche nicht pro äomo. Ich bin nicht jung und nicht gesund genug,
um von der neuen Einrichtung, falls sie je zu stände kommen sollte, noch Ge¬
brauch machen zu können, sowie um mir die erforderlichen Kenntnisse zu er¬
werben, Prüfungen zu bestehen u. s. w., auch bin ich weder Reichstags- noch
Landtagsmitglied, sonst würde ich einen dahin zielenden Antrag einbringen; aber
ein auch im Reichstage befindlicher oder einmal dort gewesener Landtags¬
abgeordneter, zugleich vielleicht früherer Offizier, der im Reichstage seinen Blick
erweitert und sich aus den großen Verhältnissen so viel Unerschrockenheit geholt
hat, daß er sich durch den sich erhebenden Widerspruch nicht einschüchtern läßt,
könnte die Sache wohl im Landtage zur Sprache bringen. Er würde damit
nicht mehr thun, als den Staat auf seine Pflicht aufmerksam machen, ein
Material, das ohne Dienstleistung erhebliche Kosten verschlingt, das in dem einen
Gebiete zwar verbraucht, in einem andern aber noch verwendbar ist, dem Staate
nutzbar zu machen; er könnte dabei anführen, daß es Sache des Staates sei,
Verhältnissen seine Aufmerksamkeit zuzuwenden, welche -- trotz ihrer Unabänderlich¬
keit -- sowohl von den Betroffenen wie von den übrigen Staatsangehörigen
allgemein und unbestritten als ein sozialer Notstand empfunden werden.


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verabschiedete Offiziere.

bis das Vaterland seiner in seinem frühern Beruf wieder bedürfte. Diesem
Rufe würde er dann frischer und freudiger Folge leisten, als wenn er sich
Jahre lang einem verweichlichenden Genußleben ergeben oder wenn er sich in
unnatürlichen oder demütigender Lagen hat herumschlagen müssen, in denen er
möglicherweise mit den wertvollsten Eigenschaften eines Offiziers hart ins Ge¬
dränge geraten ist, wenn er sie nicht ganz eingebüßt hat.

Und dann sollte man meinen, was der preußische Staat kann, könnten auch
die übrigen deutschen Staaten. Freilich eine andre Frage ist, ob die letztern,
d. h. die maßgebenden Zivilbehörden derselben, Lust dazu haben, ob sich nicht
im Schoße der letztern Widersprüche, ja Widerwille gegen eine solche Maßregel
erheben würde? Es wäre dies ja bis zu einem gewissen Grade erklärlich.
Einmal wäre es eine Neuerung, und von einer solchen wendet sich ab, wer kann
und so lange er es kann, und dann würde denen, die ihr Geld auf Studien ver¬
wendet haben, hierdurch eine nicht unerhebliche Konkurrenz geschaffen, auch die
demokratische Partei der Landtage — in diesen hat sie ja noch einiges zu
sagen — wäre wohl dagegen. Indes dies alles wäre noch kein Beweis, daß
eine Maßregel, die im preußischen Staate eingebürgert ist, dies nicht auch bei
uns werden könnte. Der Widerstand ließe sich ja wohl brechen, der der Beamten
der betreffenden Abteilungen, sowie der der Kammerdemokraten; in Preußen ist
sicher auch beides einmal zu überwinden gewesen. Was ist nicht alles im Ver¬
laufe der letzten siebzehn Jahre überwunden worden, und wahrlich nicht zu
unserm Nachteil!

Ich spreche nicht pro äomo. Ich bin nicht jung und nicht gesund genug,
um von der neuen Einrichtung, falls sie je zu stände kommen sollte, noch Ge¬
brauch machen zu können, sowie um mir die erforderlichen Kenntnisse zu er¬
werben, Prüfungen zu bestehen u. s. w., auch bin ich weder Reichstags- noch
Landtagsmitglied, sonst würde ich einen dahin zielenden Antrag einbringen; aber
ein auch im Reichstage befindlicher oder einmal dort gewesener Landtags¬
abgeordneter, zugleich vielleicht früherer Offizier, der im Reichstage seinen Blick
erweitert und sich aus den großen Verhältnissen so viel Unerschrockenheit geholt
hat, daß er sich durch den sich erhebenden Widerspruch nicht einschüchtern läßt,
könnte die Sache wohl im Landtage zur Sprache bringen. Er würde damit
nicht mehr thun, als den Staat auf seine Pflicht aufmerksam machen, ein
Material, das ohne Dienstleistung erhebliche Kosten verschlingt, das in dem einen
Gebiete zwar verbraucht, in einem andern aber noch verwendbar ist, dem Staate
nutzbar zu machen; er könnte dabei anführen, daß es Sache des Staates sei,
Verhältnissen seine Aufmerksamkeit zuzuwenden, welche — trotz ihrer Unabänderlich¬
keit — sowohl von den Betroffenen wie von den übrigen Staatsangehörigen
allgemein und unbestritten als ein sozialer Notstand empfunden werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/71>, abgerufen am 28.07.2024.