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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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verabschiedete Offiziere.

Offizieragenten keineswegs feindlich, nicht einmal ablehnend gegenüber, sonst
könnten nicht an der Spitze von Militärversicherungsgesellschaften neben den
Direktoren höhere Offiziere -- in Hannover sogar ein Generalleutnant --
stehen, die doch mit der Gesellschaft nur in Verbindung getreten sein können,
um deren Kredit durch ihre Stellung und ihren Namen zu erhöhen, und die
hierfür auch Provisionen beziehen.

Beanstanden -- und ich lege Wert darauf, dies hier deutlich aus¬
zusprechen -- läßt sich also, so wie die Dinge nun liegen, der Beruf als
Offizieragent nicht. Die Behandlung von selten der Direktoren wie der
übrigen Versicherungsbeamten läßt im Verkehr an Zuvorkommenheit nichts zu
wünschen übrig, aber das wird man sagen können: es hat nicht jeder die dazu
erforderlichen Eigenschaften, die gegen sich und andre rücksichtslose Beharrlich¬
keit, welche erforderlich sind, wenn er es in seinem neuen Stande zu etwas
bringen will, wenn er für die immerhin und nicht bloß im Anfang bestehenden
Unannehmlichkeiten desselben ein einigermaßen erfreuliches Gegengewicht in
seinen Einnahmen und nicht bloß die erster" haben will. Ein neuer Agent
wird von der Direktion einfach zunächst auf seine Provisionen angewiesen; auf
Vergütung der Reisespesen oder einen festen Gehalt wird sich die Direktion erst
einlassen, wenn der Agent eine festgesetzte Summe von Versicherungen monatlich
beibringt. Damit wird es aber in der ersten Zeit gute Weile haben, wenn
der Offizier nicht seine Privatverbindungen zu Hilfe ruft, d. h. da anklopft, wo
man sich aus irgend einem Grunde genirt, ihn zurückzuweisen, wie bei ent¬
fernteren Verwandten, bei frühern Kameraden, bei gut gestellten Familien der
guten Gesellschaft, bei denen er früher vielleicht ein gern gesehener Gast war,
die einem andern Agenten gegenüber sich wohl kühl abweisend verhalten hätten,
die aber dem alten Bekannten behilflich sein wollen und denen es aus die Aus¬
gabe nicht ankommt, zumal da ja schließlich die Maßregel als eine praktische
erscheint.

Macht man in einem solchen Falle ein Geschäft, so muß man sich doch
sagen, daß man für diese Familie aufgehört hat, der Freund zu sein; man
bleibt eben in Zukunft für sie der Agent, der die Beziehungen, auf welche er hätte
Wert legen müssen und auch gelegt hat, benutzt hat, um daraus Vorteil für
sich zu ziehen -- um die Familie zu "brandschatzen," wird diese sagen.
Vielleicht wird ihn die Gewogenheit der Direktoren, die ihm ja nicht fehlen
wird, wenn er gute Geschäfte macht, hierfür entschädigen; aber auch dieser Trost
wird ausbleiben, wenn er in einem solchen Falle abgewiesen worden ist. Und
das kann überall vorkommen. Die Überschwemmung des Marktes mit Ver¬
sicherungsgesellschaften wie mit Agenten aller Art macht die Leute abgeneigt
und verdrossen, derartige Geschäfte einzugehen, oft gewiß zu ihrem Nachteil,
denn die reellen Versicherungsanstalten sind ja für sehr viele eine große Wohl¬
that; aber man kann sich doch nicht für alle möglichen Dinge zugleich ver-


verabschiedete Offiziere.

Offizieragenten keineswegs feindlich, nicht einmal ablehnend gegenüber, sonst
könnten nicht an der Spitze von Militärversicherungsgesellschaften neben den
Direktoren höhere Offiziere — in Hannover sogar ein Generalleutnant —
stehen, die doch mit der Gesellschaft nur in Verbindung getreten sein können,
um deren Kredit durch ihre Stellung und ihren Namen zu erhöhen, und die
hierfür auch Provisionen beziehen.

Beanstanden — und ich lege Wert darauf, dies hier deutlich aus¬
zusprechen — läßt sich also, so wie die Dinge nun liegen, der Beruf als
Offizieragent nicht. Die Behandlung von selten der Direktoren wie der
übrigen Versicherungsbeamten läßt im Verkehr an Zuvorkommenheit nichts zu
wünschen übrig, aber das wird man sagen können: es hat nicht jeder die dazu
erforderlichen Eigenschaften, die gegen sich und andre rücksichtslose Beharrlich¬
keit, welche erforderlich sind, wenn er es in seinem neuen Stande zu etwas
bringen will, wenn er für die immerhin und nicht bloß im Anfang bestehenden
Unannehmlichkeiten desselben ein einigermaßen erfreuliches Gegengewicht in
seinen Einnahmen und nicht bloß die erster» haben will. Ein neuer Agent
wird von der Direktion einfach zunächst auf seine Provisionen angewiesen; auf
Vergütung der Reisespesen oder einen festen Gehalt wird sich die Direktion erst
einlassen, wenn der Agent eine festgesetzte Summe von Versicherungen monatlich
beibringt. Damit wird es aber in der ersten Zeit gute Weile haben, wenn
der Offizier nicht seine Privatverbindungen zu Hilfe ruft, d. h. da anklopft, wo
man sich aus irgend einem Grunde genirt, ihn zurückzuweisen, wie bei ent¬
fernteren Verwandten, bei frühern Kameraden, bei gut gestellten Familien der
guten Gesellschaft, bei denen er früher vielleicht ein gern gesehener Gast war,
die einem andern Agenten gegenüber sich wohl kühl abweisend verhalten hätten,
die aber dem alten Bekannten behilflich sein wollen und denen es aus die Aus¬
gabe nicht ankommt, zumal da ja schließlich die Maßregel als eine praktische
erscheint.

Macht man in einem solchen Falle ein Geschäft, so muß man sich doch
sagen, daß man für diese Familie aufgehört hat, der Freund zu sein; man
bleibt eben in Zukunft für sie der Agent, der die Beziehungen, auf welche er hätte
Wert legen müssen und auch gelegt hat, benutzt hat, um daraus Vorteil für
sich zu ziehen — um die Familie zu „brandschatzen," wird diese sagen.
Vielleicht wird ihn die Gewogenheit der Direktoren, die ihm ja nicht fehlen
wird, wenn er gute Geschäfte macht, hierfür entschädigen; aber auch dieser Trost
wird ausbleiben, wenn er in einem solchen Falle abgewiesen worden ist. Und
das kann überall vorkommen. Die Überschwemmung des Marktes mit Ver¬
sicherungsgesellschaften wie mit Agenten aller Art macht die Leute abgeneigt
und verdrossen, derartige Geschäfte einzugehen, oft gewiß zu ihrem Nachteil,
denn die reellen Versicherungsanstalten sind ja für sehr viele eine große Wohl¬
that; aber man kann sich doch nicht für alle möglichen Dinge zugleich ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/67>, abgerufen am 28.07.2024.