Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.Ricks Lyhne. essiren, und allmählich wiegte er stärker, es war ihm, als käme sie ihm immer Laß uns nicht träumen, sagte Ricks mit einem plötzlichen Seufzer und Ja, sagte sie beinahe flehend und sah ihn unschuldsvoll mit den großen, Sie hatte sich langsam erhoben. Nein, nicht träumen, wiederholte Ricks erregt und legte seinen Arm um Er küßte sie, und es schien ihm, als würde sie weniger jung unter seinem Du sollst es wissen, sagte er, du weißt es, wie sehr ich dich liebe, wie Er küßte sie wieder und wieder, und sie schlang ihre Arme heftig um Tena, könnten sie sagen, tausendmal und öfter, sie könnten flehen in dem Könnten sie das? Von der Straße herauf tönte durch die geöffneten Fenster eine Unter¬ Wie ich dich liebe, du Süße, Teure, in meinen Armen, du bist so gut, Ricks Lyhne. essiren, und allmählich wiegte er stärker, es war ihm, als käme sie ihm immer Laß uns nicht träumen, sagte Ricks mit einem plötzlichen Seufzer und Ja, sagte sie beinahe flehend und sah ihn unschuldsvoll mit den großen, Sie hatte sich langsam erhoben. Nein, nicht träumen, wiederholte Ricks erregt und legte seinen Arm um Er küßte sie, und es schien ihm, als würde sie weniger jung unter seinem Du sollst es wissen, sagte er, du weißt es, wie sehr ich dich liebe, wie Er küßte sie wieder und wieder, und sie schlang ihre Arme heftig um Tena, könnten sie sagen, tausendmal und öfter, sie könnten flehen in dem Könnten sie das? Von der Straße herauf tönte durch die geöffneten Fenster eine Unter¬ Wie ich dich liebe, du Süße, Teure, in meinen Armen, du bist so gut, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0646" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203423"/> <fw type="header" place="top"> Ricks Lyhne.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2023" prev="#ID_2022"> essiren, und allmählich wiegte er stärker, es war ihm, als käme sie ihm immer<lb/> näher und näher, je länger er den Stuhl zurückhielt, und es lag gleichsam<lb/> eine Erwartung in der Sekunde, in der er wieder zurückschnellte; und wenn der<lb/> Stuhl vornüber schaukelte, lag eine eigenartige Befriedigung in dem Klappen,<lb/> mit dem ihre Füße willenlos gegen den Boden schlugen, und es war ein Gefühl<lb/> des Besitzens, wenn er den Stuhl noch mehr vornüber zwang und ihre Fu߬<lb/> sohlen leise gegen den Boden preßte, sodaß die Kniee sich ein wenig hoben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2024"> Laß uns nicht träumen, sagte Ricks mit einem plötzlichen Seufzer und<lb/> ließ den Stuhl fahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_2025"> Ja, sagte sie beinahe flehend und sah ihn unschuldsvoll mit den großen,<lb/> wehmutstrunkeneu Augen an.</p><lb/> <p xml:id="ID_2026"> Sie hatte sich langsam erhoben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2027"> Nein, nicht träumen, wiederholte Ricks erregt und legte seinen Arm um<lb/> ihren Leib. Es sind der Träume genug zwischen uns hin und her geflogen,<lb/> hast du das nie bemerkt? Haben sie dich nie gestreift, wie ein flüchtiger Atem,<lb/> der Wange oder Haar berührt? Ist es möglich, hat die Nacht niemals von<lb/> den Seufzern gebebt, die einer nach dem andern sterbend auf deine Lippen<lb/> herabschwebten?</p><lb/> <p xml:id="ID_2028"> Er küßte sie, und es schien ihm, als würde sie weniger jung unter seinem<lb/> Kuß, weniger jung, aber schöner, glühend schön, bethörend!</p><lb/> <p xml:id="ID_2029"> Du sollst es wissen, sagte er, du weißt es, wie sehr ich dich liebe, wie<lb/> ich gelitten und entbehrt habe. Wenn die Zimmer am Walle reden könnten,<lb/> Tena!</p><lb/> <p xml:id="ID_2030"> Er küßte sie wieder und wieder, und sie schlang ihre Arme heftig um<lb/> seinen Hals und fragte: Was könnten denn die Zimmer erzählen, Ricks?</p><lb/> <p xml:id="ID_2031"> Tena, könnten sie sagen, tausendmal und öfter, sie könnten flehen in dem<lb/> Namen, sie könnten dann seufzen und schluchzen; Tena, sie könnten aber auch<lb/> drohen!</p><lb/> <p xml:id="ID_2032"> Könnten sie das?</p><lb/> <p xml:id="ID_2033"> Von der Straße herauf tönte durch die geöffneten Fenster eine Unter¬<lb/> haltung, vollständig und unverkürzt, die gleichgiltigste Weisheit der Welt in<lb/> den abgedroschensten Alltagsworten, schleppend in einander gezogen von zwei<lb/> stimmungsloscn Nedewerkzengen. Die ganze Prosa drang herein zu ihnen,<lb/> während sie so Brust an Brust dastanden im Schutze des weichen, gedämpften<lb/> Lichtes.</p><lb/> <p xml:id="ID_2034" next="#ID_2035"> Wie ich dich liebe, du Süße, Teure, in meinen Armen, du bist so gut,<lb/> o so gut! Und dein Haar! — Ich kann kaum reden, und alle die Erin¬<lb/> nerungen, wie ich geweint habe, und wie unglücklich ich war, und wie ich mich<lb/> sehnte, so unsäglich sehnte, die alle dringen auf mich ein, drängen sich vor, als<lb/> wollten sie nun glücklich sein mit mir im Glück — kannst du das verstehen?<lb/> Weißt du noch, Tena, weißt du noch jene mondhellen Nächte im vorigen Jahre?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0646]
Ricks Lyhne.
essiren, und allmählich wiegte er stärker, es war ihm, als käme sie ihm immer
näher und näher, je länger er den Stuhl zurückhielt, und es lag gleichsam
eine Erwartung in der Sekunde, in der er wieder zurückschnellte; und wenn der
Stuhl vornüber schaukelte, lag eine eigenartige Befriedigung in dem Klappen,
mit dem ihre Füße willenlos gegen den Boden schlugen, und es war ein Gefühl
des Besitzens, wenn er den Stuhl noch mehr vornüber zwang und ihre Fu߬
sohlen leise gegen den Boden preßte, sodaß die Kniee sich ein wenig hoben.
Laß uns nicht träumen, sagte Ricks mit einem plötzlichen Seufzer und
ließ den Stuhl fahren.
Ja, sagte sie beinahe flehend und sah ihn unschuldsvoll mit den großen,
wehmutstrunkeneu Augen an.
Sie hatte sich langsam erhoben.
Nein, nicht träumen, wiederholte Ricks erregt und legte seinen Arm um
ihren Leib. Es sind der Träume genug zwischen uns hin und her geflogen,
hast du das nie bemerkt? Haben sie dich nie gestreift, wie ein flüchtiger Atem,
der Wange oder Haar berührt? Ist es möglich, hat die Nacht niemals von
den Seufzern gebebt, die einer nach dem andern sterbend auf deine Lippen
herabschwebten?
Er küßte sie, und es schien ihm, als würde sie weniger jung unter seinem
Kuß, weniger jung, aber schöner, glühend schön, bethörend!
Du sollst es wissen, sagte er, du weißt es, wie sehr ich dich liebe, wie
ich gelitten und entbehrt habe. Wenn die Zimmer am Walle reden könnten,
Tena!
Er küßte sie wieder und wieder, und sie schlang ihre Arme heftig um
seinen Hals und fragte: Was könnten denn die Zimmer erzählen, Ricks?
Tena, könnten sie sagen, tausendmal und öfter, sie könnten flehen in dem
Namen, sie könnten dann seufzen und schluchzen; Tena, sie könnten aber auch
drohen!
Könnten sie das?
Von der Straße herauf tönte durch die geöffneten Fenster eine Unter¬
haltung, vollständig und unverkürzt, die gleichgiltigste Weisheit der Welt in
den abgedroschensten Alltagsworten, schleppend in einander gezogen von zwei
stimmungsloscn Nedewerkzengen. Die ganze Prosa drang herein zu ihnen,
während sie so Brust an Brust dastanden im Schutze des weichen, gedämpften
Lichtes.
Wie ich dich liebe, du Süße, Teure, in meinen Armen, du bist so gut,
o so gut! Und dein Haar! — Ich kann kaum reden, und alle die Erin¬
nerungen, wie ich geweint habe, und wie unglücklich ich war, und wie ich mich
sehnte, so unsäglich sehnte, die alle dringen auf mich ein, drängen sich vor, als
wollten sie nun glücklich sein mit mir im Glück — kannst du das verstehen?
Weißt du noch, Tena, weißt du noch jene mondhellen Nächte im vorigen Jahre?
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