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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Die Smaragdinsel.

begann mit Landeskonfiskationen in großem Maßstabe in Ulster, und Cromwell
folgte dem gegebenen Beispiele. Nicht zufrieden mit der rynischen Abschlachtung
aller königstreuen Iren in Drogheda Wexford und wohin ihn sonst sein Schwert
führte, entriß er den übrigen ihr Eigentum, um ihnen für etwaige weitere Er¬
hebungen die Mittel zu entziehen. Wie unter Heinrich VHI. die Klostergttter
und unter Jakob I. die Lündereien in Ulster, so wurde auch jetzt der Raub
protestantischen Engländern zu teil. Trotz der Begünstigung der Katholiken
unter den letzten Stuarts befand sich um 1670 nur ein Sechstel des gesamten
anbaufähigen Landes in den Händen von Katholiken, obwohl ihre Zahl fünf
Sechstel der Bevölkerung ausmachte. Als der katholische Jakob II. vertrieben
wurde, fand er natürlich Unterstützung unter den Jrländern. Tyrkonnel erhob
die Fahne für den Heimatlosen; aber der Erfolg war derselbe wie bei allen
frühern Empörungen, und die Schlacht am Boyneslusfe überlieferte die Iren,
sofern sie nicht vorzogen, auszuwandern, einer gesetzlichen Tyrannei, gegen die
das Los der Juden im mittelalterlichen Ghetto paradiesisch erscheint.

Der irische Bauer durfte sein Rindvieh, wenn er überhaupt imstande war,
welches zu ziehen, nicht in England einführen. Die Erzeugnisse des Hand¬
werkes waren mit einem Zoll belastet, der einem Einfuhrverbote gleichkam. Der
Ire war nur ein Pächter des Bodens, auf dem seine Vorfahren einst als freie
Herren gesessen hatten, und hatte die Früchte seines Schweißes als Tribut an
einen Fremden abzugeben, der ihn nicht mehr achtete als einen Hund. Jrishman
galt als Schimpfwort. Ferner war es dem Katholiken untersagt, Land zu
kaufen, ein Haus oder Bauerngut auf mehr als dreißig Jahre zu pachten oder
ein Pferd im Werte von mehr als 3 Pfd. Se. ^ 100 Mark zu besitzen. Das
Wahlrecht, alle Ämter, staatlich oder städtisch, im Heere oder der Flotte, der
Richterstuhl wie die Anwaltschaft, alles war ihm verschlossen. Der katholische
Ire war ein Fremder im eignen Lande, ein Paria; er war, wie Swift sagt,
nur ein Holzhacker und Wasserträger für seinen Herrn.

Das Land war eine eroberte Provinz, und von der gerühmten englischen
Freiheit war in Irland nichts zu spüren. Ein Parlament bestand, freilich,
aber einen größern Hohn auf den hehren Gedanken der Freiheit hat es nie ge¬
geben. Man denke, daß die Katholiken, fünf Sechstel der Bevölkerung, kein
Wahlrecht und keine Wählbarkeit hatten! Von dem verbleibenden Sechstel
ist wieder die Hälfte als presbyterianisch und somit auf gleicher Stufe mit
den Katholiken stehend auszuscheiden. So vertrat das Parlament nur ein
Zwölftel der Gesamtbevölkerung, und in welcher Weise dieses Parlament für
das unvertretene Volk sorgte, davon ist die Geschichte Zeuge.

Rechte hat das irische Parlament bis zum Jahre 1782 kaum gehabt. Es
wurde berufen, wann es der englischen Negierung gefiel, und hatte keinerlei
Initiative in der Gesetzgebung. 1732 mußte, unter dem Drucke der Zeiten, die
englische Regierung dem irischen Parlamente größere Selbständigkeit gewähren,


Die Smaragdinsel.

begann mit Landeskonfiskationen in großem Maßstabe in Ulster, und Cromwell
folgte dem gegebenen Beispiele. Nicht zufrieden mit der rynischen Abschlachtung
aller königstreuen Iren in Drogheda Wexford und wohin ihn sonst sein Schwert
führte, entriß er den übrigen ihr Eigentum, um ihnen für etwaige weitere Er¬
hebungen die Mittel zu entziehen. Wie unter Heinrich VHI. die Klostergttter
und unter Jakob I. die Lündereien in Ulster, so wurde auch jetzt der Raub
protestantischen Engländern zu teil. Trotz der Begünstigung der Katholiken
unter den letzten Stuarts befand sich um 1670 nur ein Sechstel des gesamten
anbaufähigen Landes in den Händen von Katholiken, obwohl ihre Zahl fünf
Sechstel der Bevölkerung ausmachte. Als der katholische Jakob II. vertrieben
wurde, fand er natürlich Unterstützung unter den Jrländern. Tyrkonnel erhob
die Fahne für den Heimatlosen; aber der Erfolg war derselbe wie bei allen
frühern Empörungen, und die Schlacht am Boyneslusfe überlieferte die Iren,
sofern sie nicht vorzogen, auszuwandern, einer gesetzlichen Tyrannei, gegen die
das Los der Juden im mittelalterlichen Ghetto paradiesisch erscheint.

Der irische Bauer durfte sein Rindvieh, wenn er überhaupt imstande war,
welches zu ziehen, nicht in England einführen. Die Erzeugnisse des Hand¬
werkes waren mit einem Zoll belastet, der einem Einfuhrverbote gleichkam. Der
Ire war nur ein Pächter des Bodens, auf dem seine Vorfahren einst als freie
Herren gesessen hatten, und hatte die Früchte seines Schweißes als Tribut an
einen Fremden abzugeben, der ihn nicht mehr achtete als einen Hund. Jrishman
galt als Schimpfwort. Ferner war es dem Katholiken untersagt, Land zu
kaufen, ein Haus oder Bauerngut auf mehr als dreißig Jahre zu pachten oder
ein Pferd im Werte von mehr als 3 Pfd. Se. ^ 100 Mark zu besitzen. Das
Wahlrecht, alle Ämter, staatlich oder städtisch, im Heere oder der Flotte, der
Richterstuhl wie die Anwaltschaft, alles war ihm verschlossen. Der katholische
Ire war ein Fremder im eignen Lande, ein Paria; er war, wie Swift sagt,
nur ein Holzhacker und Wasserträger für seinen Herrn.

Das Land war eine eroberte Provinz, und von der gerühmten englischen
Freiheit war in Irland nichts zu spüren. Ein Parlament bestand, freilich,
aber einen größern Hohn auf den hehren Gedanken der Freiheit hat es nie ge¬
geben. Man denke, daß die Katholiken, fünf Sechstel der Bevölkerung, kein
Wahlrecht und keine Wählbarkeit hatten! Von dem verbleibenden Sechstel
ist wieder die Hälfte als presbyterianisch und somit auf gleicher Stufe mit
den Katholiken stehend auszuscheiden. So vertrat das Parlament nur ein
Zwölftel der Gesamtbevölkerung, und in welcher Weise dieses Parlament für
das unvertretene Volk sorgte, davon ist die Geschichte Zeuge.

Rechte hat das irische Parlament bis zum Jahre 1782 kaum gehabt. Es
wurde berufen, wann es der englischen Negierung gefiel, und hatte keinerlei
Initiative in der Gesetzgebung. 1732 mußte, unter dem Drucke der Zeiten, die
englische Regierung dem irischen Parlamente größere Selbständigkeit gewähren,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/638>, abgerufen am 27.07.2024.