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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Amerikanische und deutsche Gewerbeschiodsgorichre und Linignngsämter.

gebrochenen Arbeitseinstellungen und Aussperrungen, sowie bei allen sonstigen
Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern, welche die Regelung künf¬
tiger Arbeitsbedingungen -- sei es durch Abänderung bestehender oder Ein¬
gehung neuer Arbeitsverhältnisse -- zum Gegenstande haben, hat das Gewerbe¬
schiedsgericht auf beiderseitigen oder einseitigen Antrag der beteiligten Parteien
sich als Einiguugsamt aufzuthun und die vorhandenen Streitpunkte durch
Vermittelung auszugleichen, andernfalls durch Schiedsspruch zu entscheiden.
Aus dem Antrage müssen die Parteien, die Streitpunkte, deren Begründung
und die Beweismittel zu ersehen sein. Die Bildung des Einigungsamtes erfolgt
in der Weise, daß der Vorsitzende des Gewerbeschiedsgerichts auf Vorschlag der
Parteien, sonst von Amtswegen eine beiderseits gleiche Anzahl von Vertrauens¬
männern als außerordentliche Beisitzer mit beratender Stimme zu den Ver¬
handlungen zuzieht." Diese Bestimmungen würden den vorhergehenden über
die Gewerbeschiedsgerichte in Z 120 g. genau entsprechen, indem sie gleichfalls
die zur Lösung der gestellten Aufgabe berufenen Organe und deren Bildung
in den Grundzügen angeben. Um jedoch auch hier den einheitlichen Charakter
der Durchführung nach den vorbezeichneten Gesichtspunkten sicherzustellen, dürfte
sich wie dort die Feststellung der leitenden Grundsätze in einer Ausführungs¬
verordnung oder in folgenden Zusätzen empfehlen: "Das Einigungsamt ist
beschlußfähig bei ordnungsmäßiger Besetzung des Gewerbeschiedsgerichts und
gleichzeitiger Anwesenheit von mindestens zwei außerordentlichen Beisitzern.
Der Vorsitzende des Gewerbeschiedsgerichts leitet auch die Verhandlungen des
Einigungsamtes. Kommt ein Ausgleich zwischen den Parteien zu stände, so
ist der wesentliche Inhalt desselben zu Protokoll festzustellen. Andernfalls sind
die streitigen Punkte durch Schiedsspruch zu entscheiden. Die durch Ausgleich
oder Schiedsspruch festgestellten Satzungen müssen regelmäßig Bestimmung
darüber treffen, für welchen Zeitraum sie beiderseits bindend sein sollen, und
stets eine den Umständen angemessene Kündigungsfrist festsetzen, an die der
einseitige Rücktritt zur Vermeidung einer von Amtswegen zu bestimmenden
Konventionalstrafe gebunden ist; dieselben sind während der Dauer ihrer Giltig-
keit an jeder beteiligten Arbeitsstätte bei Ordnungsstrafe bis zu 150 Mark
in mindestens einer Ausfertigung aufzuhängen und für die bezüglichen Arbeits¬
verträge als maßgebend anzusehen, wenn nicht im Einzelfall der Arbeitsvertrag
ausdrücklich auf andrer Grundlage abgeschlossen ist. Die Festsetzung der Kon-
ventional- und Ordnungsstrafen erfolgt auf Antrag durch den Vorsitzenden des
Gewerbeschiedsgerichts gemäß 8 120"."

Die weitern Bestimmungen über die Einrichtung der Einigungsämter und
das Verfahren vor ihnen könnten dann auch hier der landesgesetzlichen oder
ortsstatuarischen Regelung überlassen bleiben, was sich zugleich mit Beziehung
auf die Gewerbeschiedsgerichte in einen besondern Zusatzparagraphen (120 o) zum
Ausdruck bringen ließe: "Die weiteren Ausführuugsbestimmungen über die


Amerikanische und deutsche Gewerbeschiodsgorichre und Linignngsämter.

gebrochenen Arbeitseinstellungen und Aussperrungen, sowie bei allen sonstigen
Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern, welche die Regelung künf¬
tiger Arbeitsbedingungen — sei es durch Abänderung bestehender oder Ein¬
gehung neuer Arbeitsverhältnisse — zum Gegenstande haben, hat das Gewerbe¬
schiedsgericht auf beiderseitigen oder einseitigen Antrag der beteiligten Parteien
sich als Einiguugsamt aufzuthun und die vorhandenen Streitpunkte durch
Vermittelung auszugleichen, andernfalls durch Schiedsspruch zu entscheiden.
Aus dem Antrage müssen die Parteien, die Streitpunkte, deren Begründung
und die Beweismittel zu ersehen sein. Die Bildung des Einigungsamtes erfolgt
in der Weise, daß der Vorsitzende des Gewerbeschiedsgerichts auf Vorschlag der
Parteien, sonst von Amtswegen eine beiderseits gleiche Anzahl von Vertrauens¬
männern als außerordentliche Beisitzer mit beratender Stimme zu den Ver¬
handlungen zuzieht." Diese Bestimmungen würden den vorhergehenden über
die Gewerbeschiedsgerichte in Z 120 g. genau entsprechen, indem sie gleichfalls
die zur Lösung der gestellten Aufgabe berufenen Organe und deren Bildung
in den Grundzügen angeben. Um jedoch auch hier den einheitlichen Charakter
der Durchführung nach den vorbezeichneten Gesichtspunkten sicherzustellen, dürfte
sich wie dort die Feststellung der leitenden Grundsätze in einer Ausführungs¬
verordnung oder in folgenden Zusätzen empfehlen: „Das Einigungsamt ist
beschlußfähig bei ordnungsmäßiger Besetzung des Gewerbeschiedsgerichts und
gleichzeitiger Anwesenheit von mindestens zwei außerordentlichen Beisitzern.
Der Vorsitzende des Gewerbeschiedsgerichts leitet auch die Verhandlungen des
Einigungsamtes. Kommt ein Ausgleich zwischen den Parteien zu stände, so
ist der wesentliche Inhalt desselben zu Protokoll festzustellen. Andernfalls sind
die streitigen Punkte durch Schiedsspruch zu entscheiden. Die durch Ausgleich
oder Schiedsspruch festgestellten Satzungen müssen regelmäßig Bestimmung
darüber treffen, für welchen Zeitraum sie beiderseits bindend sein sollen, und
stets eine den Umständen angemessene Kündigungsfrist festsetzen, an die der
einseitige Rücktritt zur Vermeidung einer von Amtswegen zu bestimmenden
Konventionalstrafe gebunden ist; dieselben sind während der Dauer ihrer Giltig-
keit an jeder beteiligten Arbeitsstätte bei Ordnungsstrafe bis zu 150 Mark
in mindestens einer Ausfertigung aufzuhängen und für die bezüglichen Arbeits¬
verträge als maßgebend anzusehen, wenn nicht im Einzelfall der Arbeitsvertrag
ausdrücklich auf andrer Grundlage abgeschlossen ist. Die Festsetzung der Kon-
ventional- und Ordnungsstrafen erfolgt auf Antrag durch den Vorsitzenden des
Gewerbeschiedsgerichts gemäß 8 120»."

Die weitern Bestimmungen über die Einrichtung der Einigungsämter und
das Verfahren vor ihnen könnten dann auch hier der landesgesetzlichen oder
ortsstatuarischen Regelung überlassen bleiben, was sich zugleich mit Beziehung
auf die Gewerbeschiedsgerichte in einen besondern Zusatzparagraphen (120 o) zum
Ausdruck bringen ließe: „Die weiteren Ausführuugsbestimmungen über die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/620>, abgerufen am 28.07.2024.