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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Ricks Lyhne.

ihrem buntkarrirten, seidenen Kleide trug; es waren ganz kleine Karrees, ebenso
wie die, welche sich auf dem breiten Bande ihres großen, runden Pamelahutes
befanden, dessen breiter, Heller Rand ihr Antlitz jetzt, wo sie dastand und herab¬
blickte, halb verbarg, während sie den Stuhl ungestüm hin und her schaukelte.

Ricks saß auf dem Sessel am Pianino, in ziemlicher Entfernung von ihr,
als erwartete er, etwas Unangenehmes zu hören.

Weißt du es, Ricks?

Nein; was ist es denn, was ich nicht weiß?

Der Stuhl stand still. Ich habe mich verlobt.

Sie haben sich verlobt, aber weshalb -- wie?

Ach, sag doch nicht Sie zu mir, sei nicht so unklug! Sie lehnte sich ein
wenig trotzig gegen den Schaukelstuhl. Du kannst dir doch denken, daß es nicht
gerade allzu angenehm für mich ist, hier zu stehen und dir alles erklären zu
müssen! Ich will es ja thun, aber du solltest mir ein wenig behilflich sein!

Unsinn! Bist du verlobt, oder bist du es nicht?

Ich sagte es dir ja schon, erwiederte sie mit leiser Ungeduld und blickte auf.

Ja, dann gestatten Sie mir, Ihnen meine aufrichtigen Glückwünsche dar¬
zubringen, gnädige Frau, und haben Sie vielen Dank für die Zeit, die wir
mit einander verlebt haben! Er war aufgestanden und verneigte sich mehrmals
spöttisch.

Und so kannst dn von mir gehen, so ruhig? Ich bin verlobt, und so sind
wir beide fertig mit einander, und alles das, was zwischen uns gewesen ist,
war nur eine alte dumme Geschichte, an die man nicht mehr denken muß? Was
geschehen ist, das ist geschehen. Daran läßt sich nun einmal nichts ändern.
Aber Ricks, soll denn die Erinnerung an alle die schönen Tage von nun an
Senani sein, Nullst du nie, nie mehr an mich denken, dich niemals nach mir
sehnen? Willst du nicht zuweilen an einem stillen Abende den Traum noch
einmal träumen, ihm die Farben geben, in denen er hätte strahlen können?
Kannst du wirklich darauf verzichten, dies alles in Gedanken wieder ins Leben
zu rufen und es zu der Fülle reifen zu lassen, die es hätte erreichen können?
Kannst du das? Kannst dn deinen Fuß darauf setzen und es niedertreten, ihm
völlig den Garaus machen? Ricks!

Ich hoffe, daß ich es kann; Sie haben mir ja gezeigt, daß es möglich ist.
Aber es ist ja Unsinn, alles mit einander, grenzenloser Unsinn von Anfang
bis zu Ende; weswegen haben Sie eigentlich diese Komödie veranstaltet? Ich
habe ja auch nicht einen Schatten von Recht, Ihnen Vorwürfe zu machen.
Sie haben mich ja niemals geliebt, mir nie gesagt, daß Sie es thäten; Sie
haben mir erlaubt, Sie zu lieben, ja, das haben Sie, und jetzt nehmen Sie
Ihre Erlaubnis wieder zurück; oder darf ich Sie etwa auch ferner lieben, jetzt,
wo sie einem andern gehören? Ich verstehe Sie nicht. Haben Sie das viel¬
leicht für möglich gehalten? Wir sind doch keine Kinder mehr! Oder fürchten


Ricks Lyhne.

ihrem buntkarrirten, seidenen Kleide trug; es waren ganz kleine Karrees, ebenso
wie die, welche sich auf dem breiten Bande ihres großen, runden Pamelahutes
befanden, dessen breiter, Heller Rand ihr Antlitz jetzt, wo sie dastand und herab¬
blickte, halb verbarg, während sie den Stuhl ungestüm hin und her schaukelte.

Ricks saß auf dem Sessel am Pianino, in ziemlicher Entfernung von ihr,
als erwartete er, etwas Unangenehmes zu hören.

Weißt du es, Ricks?

Nein; was ist es denn, was ich nicht weiß?

Der Stuhl stand still. Ich habe mich verlobt.

Sie haben sich verlobt, aber weshalb — wie?

Ach, sag doch nicht Sie zu mir, sei nicht so unklug! Sie lehnte sich ein
wenig trotzig gegen den Schaukelstuhl. Du kannst dir doch denken, daß es nicht
gerade allzu angenehm für mich ist, hier zu stehen und dir alles erklären zu
müssen! Ich will es ja thun, aber du solltest mir ein wenig behilflich sein!

Unsinn! Bist du verlobt, oder bist du es nicht?

Ich sagte es dir ja schon, erwiederte sie mit leiser Ungeduld und blickte auf.

Ja, dann gestatten Sie mir, Ihnen meine aufrichtigen Glückwünsche dar¬
zubringen, gnädige Frau, und haben Sie vielen Dank für die Zeit, die wir
mit einander verlebt haben! Er war aufgestanden und verneigte sich mehrmals
spöttisch.

Und so kannst dn von mir gehen, so ruhig? Ich bin verlobt, und so sind
wir beide fertig mit einander, und alles das, was zwischen uns gewesen ist,
war nur eine alte dumme Geschichte, an die man nicht mehr denken muß? Was
geschehen ist, das ist geschehen. Daran läßt sich nun einmal nichts ändern.
Aber Ricks, soll denn die Erinnerung an alle die schönen Tage von nun an
Senani sein, Nullst du nie, nie mehr an mich denken, dich niemals nach mir
sehnen? Willst du nicht zuweilen an einem stillen Abende den Traum noch
einmal träumen, ihm die Farben geben, in denen er hätte strahlen können?
Kannst du wirklich darauf verzichten, dies alles in Gedanken wieder ins Leben
zu rufen und es zu der Fülle reifen zu lassen, die es hätte erreichen können?
Kannst du das? Kannst dn deinen Fuß darauf setzen und es niedertreten, ihm
völlig den Garaus machen? Ricks!

Ich hoffe, daß ich es kann; Sie haben mir ja gezeigt, daß es möglich ist.
Aber es ist ja Unsinn, alles mit einander, grenzenloser Unsinn von Anfang
bis zu Ende; weswegen haben Sie eigentlich diese Komödie veranstaltet? Ich
habe ja auch nicht einen Schatten von Recht, Ihnen Vorwürfe zu machen.
Sie haben mich ja niemals geliebt, mir nie gesagt, daß Sie es thäten; Sie
haben mir erlaubt, Sie zu lieben, ja, das haben Sie, und jetzt nehmen Sie
Ihre Erlaubnis wieder zurück; oder darf ich Sie etwa auch ferner lieben, jetzt,
wo sie einem andern gehören? Ich verstehe Sie nicht. Haben Sie das viel¬
leicht für möglich gehalten? Wir sind doch keine Kinder mehr! Oder fürchten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/604>, abgerufen am 27.07.2024.