Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.Die zweite Session des jetzigen Reichstags. haben und für die sie allein ausgedacht sind. Rickert wußte nichts von einer Was aber die Bevorzugung betrifft, die die großen Rittergutsbesitzer des Die zweite Session des jetzigen Reichstags. haben und für die sie allein ausgedacht sind. Rickert wußte nichts von einer Was aber die Bevorzugung betrifft, die die großen Rittergutsbesitzer des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0059" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202836"/> <fw type="header" place="top"> Die zweite Session des jetzigen Reichstags.</fw><lb/> <p xml:id="ID_167" prev="#ID_166"> haben und für die sie allein ausgedacht sind. Rickert wußte nichts von einer<lb/> Notlage der Landwirte; die Landwirtschaft sollte immer noch fünf Prozent<lb/> bringen. Wem sie das bringt, nämlich den Hypothekenbesitzern mit Namen<lb/> Cohn ?e., an die die Güter tief unter dem Werte übergehen, das weiß natürlich<lb/> Herr Rickert gerade so gut wie Herr von Maltzahn. Aber was fragt Herr<lb/> Rickert darnach, wenn die heimischen Landwirte vom Erbe ihrer Bäter durch die<lb/> „kapitalkräftigen Unternehmer" Berlins und Breslaus vertrieben werden? Gerade<lb/> so wenig wie Herr Bebel, den das deutsche Parlament leider seine Frechheiten<lb/> auch dann noch ruhig vortragen läßt, wenn er den Grund alles Übels für<lb/> Deutschland in der Wiedererwerbung von Elsaß-Lothringen sieht und die<lb/> Schrecken eines künftigen Weltkrieges, der wegen dieser Annexion kommen müsse,<lb/> mit sichtlicher Freude ausmalt, indem er dabei zugleich die Eintracht der deutschen<lb/> Volksstämme durch verschobene Schilderung der Vorgänge von 1866 zu stören<lb/> sucht. Daß hinter den politischen Vorgängen von 1366 sowohl als von 1870<lb/> die Jesuiten gestanden haben, dafür hat Herr Bebel gerade so wenig ein tadelndes<lb/> Wort wie über den Raub, den Frankreich einst am deutschen Reiche beging dnrch<lb/> Entreißung dieser Gebiete. Aber freilich, das hätte ja geheißen, Frankreich<lb/> herabsetzen, das damals gerade wieder einmal den unverhofftesten Szenenwechsel<lb/> bot, indem die Radikalen, Rochefort voran, die Wiederwahl Grevys betrieben,<lb/> während sie noch tags vorher die Absetzung des „Guano-Advokaten" mit allem<lb/> sittlichen Pathos gefordert hatten. Da mußte doch auch die deutsche Sozial¬<lb/> demokratie ihr sittliches Pathos entfalten, und so sprach denn der Volksbeglücker<lb/> Bebel von der Heuchelei, die darin liege, wenn die Thronrede die unchristliche<lb/> Neigung, andre Völker zu überfallen, als dem deutschen Volke fremd hinstelle.<lb/> Dieser „Heuchelei" will er, Herr Bebel, entgegentreten. Es sind das Dinge,<lb/> die eben nur ein deutsches Parlament sich gefallen läßt und bei dessen Geduld<lb/> man an ein altes Wort denken muß, daß allzuviel Gerechtigkeit den Weisen zum<lb/> Thoren macht.</p><lb/> <p xml:id="ID_168" next="#ID_169"> Was aber die Bevorzugung betrifft, die die großen Rittergutsbesitzer des<lb/> Nordostens einseitig auf Kosten der andern Landesteile durch die Erhöhung der<lb/> Getreidezölle haben sollen, wie auch Dr. Reichensperger in Übereinstimmung mit<lb/> den Herren Rickert und Bebel dies vorbrachte, so sollte doch ein Mann wie<lb/> Reichensperger durch das vom Landwirtschaftsminister vorgeführte vor solchen<lb/> Tiraden bewahrt bleiben. Wenn die Preise ständig zurückgehen, während die<lb/> Produktionskosten sich nicht vermindern, sogar zum Teil steigern, so muß doch<lb/> schließlich der Zustand allgemein eintreten, der sich zum Teil schon findet,<lb/> daß die Produktionskosten den Ertrag übersteigen. Dann ist es auch nicht zu<lb/> verwundern, daß, wie es jetzt geschieht, die Pachterträge bis zu fünfzig Prozent<lb/> zurückgehen und die Verschuldung ländlicher Güter in dem einzige» Jahre 1836<lb/> nur in Preußen um 132 Millionen gestiegen ist. Wenn unter solchen Umständen<lb/> Reichensperger in den Angaben des Ministers über Pachtsätze und den Wert</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0059]
Die zweite Session des jetzigen Reichstags.
haben und für die sie allein ausgedacht sind. Rickert wußte nichts von einer
Notlage der Landwirte; die Landwirtschaft sollte immer noch fünf Prozent
bringen. Wem sie das bringt, nämlich den Hypothekenbesitzern mit Namen
Cohn ?e., an die die Güter tief unter dem Werte übergehen, das weiß natürlich
Herr Rickert gerade so gut wie Herr von Maltzahn. Aber was fragt Herr
Rickert darnach, wenn die heimischen Landwirte vom Erbe ihrer Bäter durch die
„kapitalkräftigen Unternehmer" Berlins und Breslaus vertrieben werden? Gerade
so wenig wie Herr Bebel, den das deutsche Parlament leider seine Frechheiten
auch dann noch ruhig vortragen läßt, wenn er den Grund alles Übels für
Deutschland in der Wiedererwerbung von Elsaß-Lothringen sieht und die
Schrecken eines künftigen Weltkrieges, der wegen dieser Annexion kommen müsse,
mit sichtlicher Freude ausmalt, indem er dabei zugleich die Eintracht der deutschen
Volksstämme durch verschobene Schilderung der Vorgänge von 1866 zu stören
sucht. Daß hinter den politischen Vorgängen von 1366 sowohl als von 1870
die Jesuiten gestanden haben, dafür hat Herr Bebel gerade so wenig ein tadelndes
Wort wie über den Raub, den Frankreich einst am deutschen Reiche beging dnrch
Entreißung dieser Gebiete. Aber freilich, das hätte ja geheißen, Frankreich
herabsetzen, das damals gerade wieder einmal den unverhofftesten Szenenwechsel
bot, indem die Radikalen, Rochefort voran, die Wiederwahl Grevys betrieben,
während sie noch tags vorher die Absetzung des „Guano-Advokaten" mit allem
sittlichen Pathos gefordert hatten. Da mußte doch auch die deutsche Sozial¬
demokratie ihr sittliches Pathos entfalten, und so sprach denn der Volksbeglücker
Bebel von der Heuchelei, die darin liege, wenn die Thronrede die unchristliche
Neigung, andre Völker zu überfallen, als dem deutschen Volke fremd hinstelle.
Dieser „Heuchelei" will er, Herr Bebel, entgegentreten. Es sind das Dinge,
die eben nur ein deutsches Parlament sich gefallen läßt und bei dessen Geduld
man an ein altes Wort denken muß, daß allzuviel Gerechtigkeit den Weisen zum
Thoren macht.
Was aber die Bevorzugung betrifft, die die großen Rittergutsbesitzer des
Nordostens einseitig auf Kosten der andern Landesteile durch die Erhöhung der
Getreidezölle haben sollen, wie auch Dr. Reichensperger in Übereinstimmung mit
den Herren Rickert und Bebel dies vorbrachte, so sollte doch ein Mann wie
Reichensperger durch das vom Landwirtschaftsminister vorgeführte vor solchen
Tiraden bewahrt bleiben. Wenn die Preise ständig zurückgehen, während die
Produktionskosten sich nicht vermindern, sogar zum Teil steigern, so muß doch
schließlich der Zustand allgemein eintreten, der sich zum Teil schon findet,
daß die Produktionskosten den Ertrag übersteigen. Dann ist es auch nicht zu
verwundern, daß, wie es jetzt geschieht, die Pachterträge bis zu fünfzig Prozent
zurückgehen und die Verschuldung ländlicher Güter in dem einzige» Jahre 1836
nur in Preußen um 132 Millionen gestiegen ist. Wenn unter solchen Umständen
Reichensperger in den Angaben des Ministers über Pachtsätze und den Wert
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