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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Das Studium der alten Sprachen auf den Gymnasien.

hat, sondern am Fuße der Säule des Pompejus), man zeige ihnen die Ruinen des
Forums, die Kaiserpaläste, die Triumphbogen und das Colosseum; man öffne
ihnen den Blick für die Bedeutung des Jnppiter von Otricoli, der Juno Ludovisi,
des Apollo vom Belvedere und des Laokoon; man führe sie ins Gebirge, nach
Tibur, zum xiÄSvöp8 ^rio, zur clmrmiz ^Ibuns-rv rssonimtis, zur Villa des
Horaz und des Mäcenas, zu den herrlich gelegenen Überresten von Ciceros
Tuskulum, zum Vorgebirge der Circe, uach Kap Misenum; dann mitten in die
Auferstehung des Altertums nach Pompeji und zu den völlig überwältigenden
Tempeltrümmern vou Püstum, wo dem erstaunten Wanderer zum erstenmale
und auf einen Schlag die ganze Herrlichkeit des Griechentums aufgeht -- endlich,
wenn möglich, in das alte Sagen- und Wunderland, wo noch jetzt das klare
Wasserbecken der Chane glänzt, in dem Pluto mit der geraubten Proserpina
hinabfuhr; wo noch immer Hephästos in seiner Esse schmiedet; wo in den
Steinbrüchen von Shrakns, einst dem Gefängnisse der unglücklichen Athener,
ein märchenhafter Klostergarten grünt, und wo man vom Gipfel des doppel-
häuptigen Eryx in blauer Ferne die Stelle erkennt, wo einst Karthago lag.
Diejenigen unter den jungen Leuten aber, welche sich auszeichnen, die sende
man zuletzt auf ein halbes Jahr nach Athen. Wem dies zu teil wird, der
wird wie ein neuer Mensch wiederkehren; und er wird fähig sei", das, was
er sich so erworben und in sich aufgenommen hat, nun auch mit Wärme der
Jugend wieder mitzuteilen. Schon nach zehn Jahren wird Deutschland auf
diese Weise einen Stamm von tausend mit dem Altertum wohlvertrauten Gym
uasiallehrcru besitzen, und das wird für die Bildung der Jngend die herrlichsten
Früchte tragen.

Mein Vorschlag hat noch eine andre wichtige Seite. Unserm Lehrerstande
fehlt es durchaus nicht an gründlichem Wissen; aber zum großen Teile ander-
jenigen Bildung, die nicht die Schule, sondern das Leben giebt, an Beherrschung
der äußern Form, an Leichtigkeit und Sicherheit im Verkehre mit den Menschen.
Es giebt aber nichts, was in dieser Hinsicht einem Jahre im Auslande zuge¬
bracht gleichkäme. Die erhöhte innere und äußere Bildung des Standes könnte
aber nicht verfehlen, sein Ansehen bei den übrigen Klassen der Gesellschaft wesent¬
lich zu steigern, und das würde unzweifelhaft wieder dazu dienen, ihm noch
bessere Elemente zuzuführen als bisher. Daß aber der Lehrerstand in jeder
Hinsicht möglichst hoch stehe, ist von größter Bedeutung; denn ihm ist das Wich¬
tigste anvertraut: das Wohl und Wehe unsrer Jugend.

Aber, wird man mir einwenden, das wird viel Geld kosten! Ich glaube,
nicht. Rechnen wir für jeden Zögling eines Instituts in Rom tausend Thaler
-- und das ist reichlich gerechnet --, so ergäbe das einen Aufwand von hundert¬
tausend Thalern jährlich. Dann hätte Deutschland künftig statt 534 Bataillone
Infanterie nur 533. Es wird wohl auch damit imstande sein, sich den Erb¬
feind vom Halse zu halten und die Russen dazu. Ich spreche es mit vollster


Das Studium der alten Sprachen auf den Gymnasien.

hat, sondern am Fuße der Säule des Pompejus), man zeige ihnen die Ruinen des
Forums, die Kaiserpaläste, die Triumphbogen und das Colosseum; man öffne
ihnen den Blick für die Bedeutung des Jnppiter von Otricoli, der Juno Ludovisi,
des Apollo vom Belvedere und des Laokoon; man führe sie ins Gebirge, nach
Tibur, zum xiÄSvöp8 ^rio, zur clmrmiz ^Ibuns-rv rssonimtis, zur Villa des
Horaz und des Mäcenas, zu den herrlich gelegenen Überresten von Ciceros
Tuskulum, zum Vorgebirge der Circe, uach Kap Misenum; dann mitten in die
Auferstehung des Altertums nach Pompeji und zu den völlig überwältigenden
Tempeltrümmern vou Püstum, wo dem erstaunten Wanderer zum erstenmale
und auf einen Schlag die ganze Herrlichkeit des Griechentums aufgeht — endlich,
wenn möglich, in das alte Sagen- und Wunderland, wo noch jetzt das klare
Wasserbecken der Chane glänzt, in dem Pluto mit der geraubten Proserpina
hinabfuhr; wo noch immer Hephästos in seiner Esse schmiedet; wo in den
Steinbrüchen von Shrakns, einst dem Gefängnisse der unglücklichen Athener,
ein märchenhafter Klostergarten grünt, und wo man vom Gipfel des doppel-
häuptigen Eryx in blauer Ferne die Stelle erkennt, wo einst Karthago lag.
Diejenigen unter den jungen Leuten aber, welche sich auszeichnen, die sende
man zuletzt auf ein halbes Jahr nach Athen. Wem dies zu teil wird, der
wird wie ein neuer Mensch wiederkehren; und er wird fähig sei», das, was
er sich so erworben und in sich aufgenommen hat, nun auch mit Wärme der
Jugend wieder mitzuteilen. Schon nach zehn Jahren wird Deutschland auf
diese Weise einen Stamm von tausend mit dem Altertum wohlvertrauten Gym
uasiallehrcru besitzen, und das wird für die Bildung der Jngend die herrlichsten
Früchte tragen.

Mein Vorschlag hat noch eine andre wichtige Seite. Unserm Lehrerstande
fehlt es durchaus nicht an gründlichem Wissen; aber zum großen Teile ander-
jenigen Bildung, die nicht die Schule, sondern das Leben giebt, an Beherrschung
der äußern Form, an Leichtigkeit und Sicherheit im Verkehre mit den Menschen.
Es giebt aber nichts, was in dieser Hinsicht einem Jahre im Auslande zuge¬
bracht gleichkäme. Die erhöhte innere und äußere Bildung des Standes könnte
aber nicht verfehlen, sein Ansehen bei den übrigen Klassen der Gesellschaft wesent¬
lich zu steigern, und das würde unzweifelhaft wieder dazu dienen, ihm noch
bessere Elemente zuzuführen als bisher. Daß aber der Lehrerstand in jeder
Hinsicht möglichst hoch stehe, ist von größter Bedeutung; denn ihm ist das Wich¬
tigste anvertraut: das Wohl und Wehe unsrer Jugend.

Aber, wird man mir einwenden, das wird viel Geld kosten! Ich glaube,
nicht. Rechnen wir für jeden Zögling eines Instituts in Rom tausend Thaler
— und das ist reichlich gerechnet —, so ergäbe das einen Aufwand von hundert¬
tausend Thalern jährlich. Dann hätte Deutschland künftig statt 534 Bataillone
Infanterie nur 533. Es wird wohl auch damit imstande sein, sich den Erb¬
feind vom Halse zu halten und die Russen dazu. Ich spreche es mit vollster


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[0578] Das Studium der alten Sprachen auf den Gymnasien. hat, sondern am Fuße der Säule des Pompejus), man zeige ihnen die Ruinen des Forums, die Kaiserpaläste, die Triumphbogen und das Colosseum; man öffne ihnen den Blick für die Bedeutung des Jnppiter von Otricoli, der Juno Ludovisi, des Apollo vom Belvedere und des Laokoon; man führe sie ins Gebirge, nach Tibur, zum xiÄSvöp8 ^rio, zur clmrmiz ^Ibuns-rv rssonimtis, zur Villa des Horaz und des Mäcenas, zu den herrlich gelegenen Überresten von Ciceros Tuskulum, zum Vorgebirge der Circe, uach Kap Misenum; dann mitten in die Auferstehung des Altertums nach Pompeji und zu den völlig überwältigenden Tempeltrümmern vou Püstum, wo dem erstaunten Wanderer zum erstenmale und auf einen Schlag die ganze Herrlichkeit des Griechentums aufgeht — endlich, wenn möglich, in das alte Sagen- und Wunderland, wo noch jetzt das klare Wasserbecken der Chane glänzt, in dem Pluto mit der geraubten Proserpina hinabfuhr; wo noch immer Hephästos in seiner Esse schmiedet; wo in den Steinbrüchen von Shrakns, einst dem Gefängnisse der unglücklichen Athener, ein märchenhafter Klostergarten grünt, und wo man vom Gipfel des doppel- häuptigen Eryx in blauer Ferne die Stelle erkennt, wo einst Karthago lag. Diejenigen unter den jungen Leuten aber, welche sich auszeichnen, die sende man zuletzt auf ein halbes Jahr nach Athen. Wem dies zu teil wird, der wird wie ein neuer Mensch wiederkehren; und er wird fähig sei», das, was er sich so erworben und in sich aufgenommen hat, nun auch mit Wärme der Jugend wieder mitzuteilen. Schon nach zehn Jahren wird Deutschland auf diese Weise einen Stamm von tausend mit dem Altertum wohlvertrauten Gym uasiallehrcru besitzen, und das wird für die Bildung der Jngend die herrlichsten Früchte tragen. Mein Vorschlag hat noch eine andre wichtige Seite. Unserm Lehrerstande fehlt es durchaus nicht an gründlichem Wissen; aber zum großen Teile ander- jenigen Bildung, die nicht die Schule, sondern das Leben giebt, an Beherrschung der äußern Form, an Leichtigkeit und Sicherheit im Verkehre mit den Menschen. Es giebt aber nichts, was in dieser Hinsicht einem Jahre im Auslande zuge¬ bracht gleichkäme. Die erhöhte innere und äußere Bildung des Standes könnte aber nicht verfehlen, sein Ansehen bei den übrigen Klassen der Gesellschaft wesent¬ lich zu steigern, und das würde unzweifelhaft wieder dazu dienen, ihm noch bessere Elemente zuzuführen als bisher. Daß aber der Lehrerstand in jeder Hinsicht möglichst hoch stehe, ist von größter Bedeutung; denn ihm ist das Wich¬ tigste anvertraut: das Wohl und Wehe unsrer Jugend. Aber, wird man mir einwenden, das wird viel Geld kosten! Ich glaube, nicht. Rechnen wir für jeden Zögling eines Instituts in Rom tausend Thaler — und das ist reichlich gerechnet —, so ergäbe das einen Aufwand von hundert¬ tausend Thalern jährlich. Dann hätte Deutschland künftig statt 534 Bataillone Infanterie nur 533. Es wird wohl auch damit imstande sein, sich den Erb¬ feind vom Halse zu halten und die Russen dazu. Ich spreche es mit vollster

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/578>, abgerufen am 01.09.2024.