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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Das Geschlecht Textor, Goethes mütterlicher Stammbcium.

18. September durch die Geburt eines Sohnes, Friedrich, erfreut. Auch
von Bihls Ehe war nicht unfruchtbar. Goethes Hoffnung, den Rhein in
diesem Jahre wiederzusehen, ward durch ein unglückliches Ereignis vereitelt.
Im Juni 1817 vermählte sich sein Sohn August mit der Tochter des ver¬
storbenen Majors von Pogwisch, der ungemein reizenden, geistvollen, aber
phantastischen Ottilie, die nebst Großmutter, Mutter und Schwester mit dem
großfürstlichen Hofe im November 1804 nach Weimar gekommen war. Er selbst
hatte damals durch den Aufsatz Meyers "Neudeutsche religiös-patriotische Kunst"
in "Kunst und Altertum," ja durch einzelne unchristliche Äußerungen in dem
von echt vaterländischen Sinne eingegebenen Reisebericht vom Rhein und Main
es mit den strengen Christen so verdorben, daß der feurige Christian Schlosser
gegen ihn wütete, während sein besonnener Bruder in seiner alten Verehrung
nicht wankte und mit größter Zuvorkommenheit auch nach seinem Übertritt zur
katholischen Kirche seine Frankfurter Angelegenheiten tren besorgte. Als dieser
im Dezember sein ihm während der vierzig Jahre seiner Entfernung von
Frankfurt teuer genug gewordenes Bürgerrecht anfkttndigte, waren seine Lands-
leute gegen ihn äußerst erbittert; sonderbar genug fiel es keinem ein, wie sehr
sie sich selbst ehren würden, wenn sie ihn zu ihrem Ehrenbürger ernannten. Doch
ein Kreis von Verehrern war ihm auch in seiner Vaterstadt geblieben, der sich
zu einer würdigen Feier seines siebzigsten Geburtstages entschloß. Unter diesen
befand sich auch Dr. Mekher, der noch vorher den greisen Dichter dadurch
erfreute, daß er die erst "ach dem Tode seiner Mutter fülligen 2200 Gulden,
die auf Goethes Anteil gefallen waren, aus eignen Mitteln mit warmem Dante
für die seiner Mutter zur Zeit der Not von der Frau Rat geleistete Hilfe
sofort übersandte. Bei der Festfeier von 1819 wurde auch zuerst der Gedanke
an ein dem Dichter in seiner Vaterstadt zu errichtendes Denkmal angeregt; unter
den Teilnehmern und den spätern Mitgliedern des Vorstandes befanden sich
auch Mekher und die so ehrenvoll in dem Reisebericht erwähnten Verwandten
Neuburg und Heß, auch Neuburgs Sohn. Die Ehe von Heß war unterdessen
mit Kindern gesegnet worden, unter denen der noch lebende, im Jahre 18l9
geborene Rechtsanwalt Dr. Johann Georg Christian Heß. Am 19. Oktober
desselben Jahres starb die jüngste Schwester der Fran Rat, die Wittwe Schülers.
Goethe selbst war schon am 9. April 1818 durch die Geburt seines Enkels
Walter Wolfgang (Walter war Rufname) erfreut worden, dem am 18. September
1820 ein zweiter, Wolfgang Maximilian, folgte. In Frankfurt verheiratete
sich die achtzehnjährige verwaiste Tochter des dritten Sohnes des verstorbenen
Schöffen, des Oberleutnants Georg Adolf Textor, am 13. November 1820
mit dem zwei Jahre älteren Hanauer Handelsmanne Johann David Wunderley;
ein 1825 geborener Sohn dieser Ehe starb zu Amsterdam am 4. Oktober 1847.
Kam Goethe selbst auch nicht mehr nach Frankfurt, so hatte er doch die Freude,
Fritz Schlosser und dessen Gattin im Herbste 1820 längere Zeit in seinem


Das Geschlecht Textor, Goethes mütterlicher Stammbcium.

18. September durch die Geburt eines Sohnes, Friedrich, erfreut. Auch
von Bihls Ehe war nicht unfruchtbar. Goethes Hoffnung, den Rhein in
diesem Jahre wiederzusehen, ward durch ein unglückliches Ereignis vereitelt.
Im Juni 1817 vermählte sich sein Sohn August mit der Tochter des ver¬
storbenen Majors von Pogwisch, der ungemein reizenden, geistvollen, aber
phantastischen Ottilie, die nebst Großmutter, Mutter und Schwester mit dem
großfürstlichen Hofe im November 1804 nach Weimar gekommen war. Er selbst
hatte damals durch den Aufsatz Meyers „Neudeutsche religiös-patriotische Kunst"
in „Kunst und Altertum," ja durch einzelne unchristliche Äußerungen in dem
von echt vaterländischen Sinne eingegebenen Reisebericht vom Rhein und Main
es mit den strengen Christen so verdorben, daß der feurige Christian Schlosser
gegen ihn wütete, während sein besonnener Bruder in seiner alten Verehrung
nicht wankte und mit größter Zuvorkommenheit auch nach seinem Übertritt zur
katholischen Kirche seine Frankfurter Angelegenheiten tren besorgte. Als dieser
im Dezember sein ihm während der vierzig Jahre seiner Entfernung von
Frankfurt teuer genug gewordenes Bürgerrecht anfkttndigte, waren seine Lands-
leute gegen ihn äußerst erbittert; sonderbar genug fiel es keinem ein, wie sehr
sie sich selbst ehren würden, wenn sie ihn zu ihrem Ehrenbürger ernannten. Doch
ein Kreis von Verehrern war ihm auch in seiner Vaterstadt geblieben, der sich
zu einer würdigen Feier seines siebzigsten Geburtstages entschloß. Unter diesen
befand sich auch Dr. Mekher, der noch vorher den greisen Dichter dadurch
erfreute, daß er die erst »ach dem Tode seiner Mutter fülligen 2200 Gulden,
die auf Goethes Anteil gefallen waren, aus eignen Mitteln mit warmem Dante
für die seiner Mutter zur Zeit der Not von der Frau Rat geleistete Hilfe
sofort übersandte. Bei der Festfeier von 1819 wurde auch zuerst der Gedanke
an ein dem Dichter in seiner Vaterstadt zu errichtendes Denkmal angeregt; unter
den Teilnehmern und den spätern Mitgliedern des Vorstandes befanden sich
auch Mekher und die so ehrenvoll in dem Reisebericht erwähnten Verwandten
Neuburg und Heß, auch Neuburgs Sohn. Die Ehe von Heß war unterdessen
mit Kindern gesegnet worden, unter denen der noch lebende, im Jahre 18l9
geborene Rechtsanwalt Dr. Johann Georg Christian Heß. Am 19. Oktober
desselben Jahres starb die jüngste Schwester der Fran Rat, die Wittwe Schülers.
Goethe selbst war schon am 9. April 1818 durch die Geburt seines Enkels
Walter Wolfgang (Walter war Rufname) erfreut worden, dem am 18. September
1820 ein zweiter, Wolfgang Maximilian, folgte. In Frankfurt verheiratete
sich die achtzehnjährige verwaiste Tochter des dritten Sohnes des verstorbenen
Schöffen, des Oberleutnants Georg Adolf Textor, am 13. November 1820
mit dem zwei Jahre älteren Hanauer Handelsmanne Johann David Wunderley;
ein 1825 geborener Sohn dieser Ehe starb zu Amsterdam am 4. Oktober 1847.
Kam Goethe selbst auch nicht mehr nach Frankfurt, so hatte er doch die Freude,
Fritz Schlosser und dessen Gattin im Herbste 1820 längere Zeit in seinem


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[0434] Das Geschlecht Textor, Goethes mütterlicher Stammbcium. 18. September durch die Geburt eines Sohnes, Friedrich, erfreut. Auch von Bihls Ehe war nicht unfruchtbar. Goethes Hoffnung, den Rhein in diesem Jahre wiederzusehen, ward durch ein unglückliches Ereignis vereitelt. Im Juni 1817 vermählte sich sein Sohn August mit der Tochter des ver¬ storbenen Majors von Pogwisch, der ungemein reizenden, geistvollen, aber phantastischen Ottilie, die nebst Großmutter, Mutter und Schwester mit dem großfürstlichen Hofe im November 1804 nach Weimar gekommen war. Er selbst hatte damals durch den Aufsatz Meyers „Neudeutsche religiös-patriotische Kunst" in „Kunst und Altertum," ja durch einzelne unchristliche Äußerungen in dem von echt vaterländischen Sinne eingegebenen Reisebericht vom Rhein und Main es mit den strengen Christen so verdorben, daß der feurige Christian Schlosser gegen ihn wütete, während sein besonnener Bruder in seiner alten Verehrung nicht wankte und mit größter Zuvorkommenheit auch nach seinem Übertritt zur katholischen Kirche seine Frankfurter Angelegenheiten tren besorgte. Als dieser im Dezember sein ihm während der vierzig Jahre seiner Entfernung von Frankfurt teuer genug gewordenes Bürgerrecht anfkttndigte, waren seine Lands- leute gegen ihn äußerst erbittert; sonderbar genug fiel es keinem ein, wie sehr sie sich selbst ehren würden, wenn sie ihn zu ihrem Ehrenbürger ernannten. Doch ein Kreis von Verehrern war ihm auch in seiner Vaterstadt geblieben, der sich zu einer würdigen Feier seines siebzigsten Geburtstages entschloß. Unter diesen befand sich auch Dr. Mekher, der noch vorher den greisen Dichter dadurch erfreute, daß er die erst »ach dem Tode seiner Mutter fülligen 2200 Gulden, die auf Goethes Anteil gefallen waren, aus eignen Mitteln mit warmem Dante für die seiner Mutter zur Zeit der Not von der Frau Rat geleistete Hilfe sofort übersandte. Bei der Festfeier von 1819 wurde auch zuerst der Gedanke an ein dem Dichter in seiner Vaterstadt zu errichtendes Denkmal angeregt; unter den Teilnehmern und den spätern Mitgliedern des Vorstandes befanden sich auch Mekher und die so ehrenvoll in dem Reisebericht erwähnten Verwandten Neuburg und Heß, auch Neuburgs Sohn. Die Ehe von Heß war unterdessen mit Kindern gesegnet worden, unter denen der noch lebende, im Jahre 18l9 geborene Rechtsanwalt Dr. Johann Georg Christian Heß. Am 19. Oktober desselben Jahres starb die jüngste Schwester der Fran Rat, die Wittwe Schülers. Goethe selbst war schon am 9. April 1818 durch die Geburt seines Enkels Walter Wolfgang (Walter war Rufname) erfreut worden, dem am 18. September 1820 ein zweiter, Wolfgang Maximilian, folgte. In Frankfurt verheiratete sich die achtzehnjährige verwaiste Tochter des dritten Sohnes des verstorbenen Schöffen, des Oberleutnants Georg Adolf Textor, am 13. November 1820 mit dem zwei Jahre älteren Hanauer Handelsmanne Johann David Wunderley; ein 1825 geborener Sohn dieser Ehe starb zu Amsterdam am 4. Oktober 1847. Kam Goethe selbst auch nicht mehr nach Frankfurt, so hatte er doch die Freude, Fritz Schlosser und dessen Gattin im Herbste 1820 längere Zeit in seinem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/434>, abgerufen am 28.07.2024.